Zukunft
Die Lehrer von morgen sind ihr Thema

Wer Grundschullehrer an der Universität Regensburg werden will, trifft auf die gebürtige Ihrlersteinerin Dr. Astrid Rank.

28.08.2015 | Stand 16.09.2023, 7:01 Uhr
Jutta Göller
Da spitzten die jungen Zuhörer im Audimax der Universität Regensburg die Ohren: Professorin Dr. Astrid Rank erklärt, woher unsere Schrift eigentlich kommt. −Foto: Daniel Pfeifer

Professor Astrid Rank ist die erste Lehrstuhlinhaberin, die aus Kelheim kommt. Seit Oktober 2014 hat sie den Lehrstuhl für Grundschulpädagogik an der Uni Regensburg inne.

Frau Rank, könnten Sie kurz Ihren beruflichen Werdegang schildern? Vielleicht ab der Grundschule?

Ich bin vom ersten Tag an sehr gern in die Schule gegangen. Ich habe die Grundschule geliebt – was sicher auch an meinen Lehrkräften lag, Frau Puchner und Frau Dötterl von der Grundschule Ihrlerstein. Nach dem Abitur am Donaugymnasium habe ich als Fremdenführerin in der Tropfsteinhöhle gearbeitet und war auch Betreuerin bei der Spielwoche. Durch diese Tätigkeiten wurde mir klar, dass ich gern mit Gruppen, speziell mit Kindergruppen, zu tun habe und diese auch gut anleiten kann. Daher entschied ich mich für das Lehramtsstudium und war mehrere Jahre Grundschullehrerin im Landkreis Kelheim. Das Unterrichten hat mir immer Freude gemacht. Trotzdem wollte ich gern eine neue Herausforderung: Als ich mit dem dritten Kind in Elternzeit ging, machte ich das Montessoridiplom und begann mit einer Doktorarbeit über vorschulisches Lernen und Schriftspracherwerb. Nach Fertigstellung der Dissertation wurde ich wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Regensburg und nach einer Professurvertretung schließlich Professorin für Grundschulpädagogik in Landau in der Pfalz.

Was sollen angehende Grundschullehrerinnen bei Ihnen in Erziehungswissenschaft lernen?

Am Lehrstuhl lehren wir die Grundschulpädagogik in ihrer ganzen Breite. Die Studierenden erwerben Kompetenzen im Sachunterricht, Schriftspracherwerb und der allgemeinen Grundschulpädagogik.

Welche beruflichen Chancen haben Grundschulstudentinnen heute?

Das Grundschullehramt hat sich sicherlich verändert und die Tätigkeit heute ist in vielerlei Hinsicht nicht vergleichbar mit dem, was die Studierenden in ihrer eigenen Kindheit erfahren haben: Es gibt beispielsweise Ganztagsschulen, Inklusion und Jahrgangsmischung. Auf diese Bedingungen und die große Heterogenität der Schülerschaft müssen sich die Studierenden einlassen. Die Chancen sind trotz der Anstellungsnote nicht schlecht, vielleicht aber nicht unbedingt im Wunschort oder Wunschbezirk.

Haben Sie auch männliche Studierende? Jungen sollen durch fast ausschließlich weibliche Pädagogen vom Kindergarten bis zum Ende der Grundschulzeit angeblich zu kurz kommen. Wie sehen Sie dieses Problem?

Das beantworte ich gleich zusammen: Wir haben ca 10 Prozent Männer, also von ca. 1000 Grundschulstudierenden etwa 100. Das ist natürlich wenig und kein ausgeglichenes Verhältnis. Die Problematik sehe ich eher an der geringen Attraktivität des Berufes für Männer: Aufstiegs- und Verdienstchancen, Image als Frauenberuf usw.

Dass Männer für Jungen besser wären, wird oft behauptet. Dieser Diskurs greift viel zu kurz und es gibt auch keine Belege dafür. Ein guter Lehrer / eine gute Lehrerin ist nicht am Geschlecht festzumachen. Es wäre für die Vielfalt an Schulen gut, wenn beide Geschlechter vertreten wären, aber die Qualität einer Lehrer-Schüler-Beziehung allein am Geschlecht festzumachen, wird weder den Kindern in ihrer Unterschiedlichkeit noch den Lehrkräften in ihrer Vielfalt gerecht. Es gibt in Bayern auch sehr wenige Grundschullehrkräfte mit Migrationshintergrund. Auch diese Kindergruppe würde Identifikationsfiguren benötigen.

Entwicklungen wie die Inklusion behinderter Kinder oder der Spracherwerb von Flüchtlingskindern bedeuten neue Aufgabenfelder für die Schule. Bürden wir der Grundschule inzwischen zu viel auf?

Die Grundschule hat wirklich enorm viele Aufgaben hinzu bekommen. Die Lehrkräfte müssen viele Veränderungen und Anforderungen schultern und tun dies ausgezeichnet. Das wird in der Gesellschaft viel zu wenig anerkannt. Die Grundschule als erste gemeinsame Schule für alle Kinder ist für diese Aufgaben natürlich geeignet – aber die Lehrkräfte dürfen nicht allein gelassen werden. Die Diskrepanz zwischen den beiden Polen Förderung und Selektion etwa ist doch kaum zu leisten: Einerseits werden die Schülerinnen und Schüler immer heterogener und sollen angemessen gefördert werden- andererseits beginnt in Bayern sehr früh schon die Auslese für die Sekundarstufe mit sehr hohen Anforderungen – das macht es für die Lehrkräfte schwierig.

Bayern will daran festhalten, dass sich Zehnjährige entscheiden müssen, ob sie aufs Gymnasium, die Realschule oder die Mittelschule gehen wollen. Wie sehen Sie diese Frage?

Es gibt in ganz Europa kein Land außer Deutschland und Österreich, in dem die Schüler so früh auseinandersortiert werden. Das benachteiligt natürlich Schülerinnen und Schüler mit schwierigeren Voraussetzungen, die sich noch entwickeln könnten. Der Druck im vierten Schuljahr ist sehr groß. Andererseits ist das bayerische Schulsystem sehr durchlässig, Möglichkeiten wie M-Zug, FOS, BOS sind sicherlich Erfolgsmodelle. Sowohl als Wissenschaftlerin als auch persönlich sehe ich eine längere gemeinsame Schulzeit als positiv. Ich würde ein System wie das erfolgreiche schwedische Modell bevorzugen, in dem die Kinder neun Jahre (ohne Noten!) gemeinsam lernen.

Haben Sie Familie? Wie können/konnten Sie Familie und Beruf vereinbaren?

Ich bin verheiratet und habe drei Kinder (24, 17, 13). Ich habe einen sehr zeitintensiven Beruf, in dem eine 50-Stunden-Woche eher Mindestmaß ist. Andererseits kann ich mir die Arbeit gut einteilen, ich kann auch mal zu Hause arbeiten. Mein Mann übernimmt viele Aspekte der Familienarbeit und auch meine Eltern haben uns immer unterstützt. Ich bin schon stolz darauf, dass wir das gemeinsam so gut hinbekommen.

Sie waren auch außerhalb Bayerns beruflich tätig. Jetzt sind Sie sozusagen wieder nach Hause zurückgekehrt. Was bedeutet der Begriff „Heimat“ für Sie?

Als ich wöchentlich von Rheinland-Pfalz nach Bayern pendelte, bedeutete der Grenzübergang „Freistaat Bayern“ für mich jedes Mal einen Moment der Freude. Die „Heimat“ ist für mich sicherlich Bayern: Das ist die Sprache, die Lebensart, die Landschaft. Ich möchte es nicht missen, dass ich anderswo war. In vielerlei Hinsicht ist die Pfalz zum Beispiel freundlicher: Das Klima ist günstiger als bei uns, die Leute sind sehr nett und freundlich, auch unkompliziert. Aber ich mag vieles, was es eigentlich nur in Bayern gibt: Ich spiele Schafkopf, ich liebe die Berge.

Hier sind meine Eltern, Geschwister, Freunde. Ich bin auch speziell gern in Kelheim und könnte auf die Donau nicht wirklich verzichten. Daher gab es auch nie die Überlegung, in die Pfalz zu ziehen. Ich bin gern hier.