Gefahr
Virus in Wildschweinen gefährdet Hunde

Fast ein Viertel aller erlegten Borstentiere im Kreis Kelheim hat „Pseudowut“: eine tödliche Gefahr für Hund und Co.

19.01.2017 | Stand 16.09.2023, 6:26 Uhr
Nicht nur die Wildschweine selbst könnten diesem Jagdhund gefährlich werden: Wenn sie die „Aujeszkysche Krankheit“ übertragen, kann ein Kontakt für den Hund schlimmstenfalls tödlich enden. −Foto: Fotos: dpa

Bei der Jagd, insbesondere auf Wildschweine, begleitet Jäger hier im Landkreis ein ungutes Gefühl, wenn sie ihren Hund dabei haben: Im Schnitt ein Viertel bis ein Fünftel aller Wildschweine bewirten in sich den Virus der „Aujeszkyischen Krankheit“ (AK), auch „Pseudowut“ genannt. Für die Borstentiere ist der Erreger kaum belastend – aber für Hunde ist er tödlich. Im Jahr 2014 ist ein Jagdhund im nördlichen Landkreis daran verendet. Nicht nur Jäger, auch andere Hundebesitzer sollten im Wald vorsichtig sein, rät der Kelheimer Veterinärdirektor Dr. Gottfried Arnhofer. Dem Menschen wird das Virus nicht gefährlich.

Unter besonderer Beobachtung steht das AK-Virus bei Hausschweinen. Dank eines nationalen Bekämpfungsprogramms gilt es in den Ställen des Landes aber seit 2003 als ausgerottet. Umso mehr fürchten Landwirte und Behörden, dass es über die wilde Verwandtschaft aus den Wäldern wieder in die Nutztierbestände zurückkehrt. Denn der Erreger, der zu den Herpes-Viren zählt, ist ähnlich zäh wie beim Menschen: Infizierte Tiere können – obwohl sie keine Anzeichen von Krankheit zeigen – immer wieder Viren ausscheiden, gerade wenn sie unter Stress stehen, etwa weil sie gejagt werden. Und die Erreger bleiben auch in rohem Schweinefleisch längere Zeit infektiös, schildert das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Es hat die AK seit 2012 neu ins Visier genommen.

Ein Hund erlag dem Virus bereits

Damals stellte sich heraus, dass Schwarzkittel in Bayern offenkundig mit AK infiziert sind. Zwei Jahre später musste das ein Jäger aus dem Raum Kelheim schmerzhaft erfahren: Sein Jagdhund steckte sich, aller Wahrscheinlichkeit nach bei einem infizierten Wildschwein, mit AK an. „Nach Auftreten der typischen Symptome (Schluck-, Atembeschwerden, Speicheln, Lähmungen, unstillbarer Juckreiz) starb der Hund wenige Tage später“, schildert Dr. Arnhofer. Für Hunde gibt es weder eine Impfung noch eine Therapie; die Krankheit führt immer binnen kurzem zum Tod. Ein Trost immerhin: „Weitere Fälle bei Haustieren gab es im Landkreis Kelheim nicht“, so Veterinär Arnhofer vom Landratsamt.

Doch die Gefahr neuer Fälle besteht, in Kelheim und Niederbayern ist sie sogar vergleichsweise hoch. Das zeigt das „Monitoring“, das das LGL 2012 gestartet hat. Aus jedem Landkreis sollen jährlich mindestens 30 Blutproben von erlegten Wildschweinen via Veterinärabteilung ans Labor eingeschickt werden.

Im Jahr 2016 enthielten von 43 untersuchten Kelheimer Proben insgesamt acht Proben Antikörper gegen AK: Das zugehörige Tier war also mit dem Virus infiziert; bei einer weiteren Probe bestand zumindest der Verdacht auf Infektion, so das LGL. Damit wären rund 20 Prozent der Tiere im Landkreis infiziert. Im Jahr zuvor lag die Quote bei 21 Prozent (2014: 23, 2013: 25 Prozent), berichtet Dr. Arnhofer. Damit liege man im niederbayerischen Durchschnitt (22 Prozent). Zum Vergleich: Bayernweit lag die Quote, im Jahr 2015, bei „nur“ zehn Prozent.

Jäger werden vorsichtiger

Kein Wunder, dass gerade Niederbayerns Jagdhundehalter ihre Tiere mit einem gewissen Unbehagen zur Wildschweinjagd einsetzen. „Aber dass ein Jagdhund mit Blut und Speichel von Wildschweinen in Kontakt kommt, ist nie ganz auszuschließen“, sagt Ottmar Kürzl: Denn danach zu suchen, sei eben eine der Aufgaben der vierbeinigen Helfer, erklärt der Hundeexperte des Kreis-Jagdverbands Kelheim. Doch er beobachtet schon, dass die Halter vorsichtiger werden: Sie lassen sie zum Beispiel an großen Jagd-“Strecken“ an der Leine, also wenn die erlegten Tiere aufgereiht werden; ebenso am „Aufbruch-Platz“, dort also, wo erlegte Sauen aufgeschnitten und ausgeweidet werden.

Solche Verhaltensregeln gelten auch für Jagden im Staatswald, bestätigt der Vize-Chef am Forstbetrieb Kelheim, Rudolf Habereder. Seit ein Kollege von ihm besagten Jagdhund durch die AK-Infektion verlor, sei man vorsichtiger geworden. Aber auszuschließen sei ein Kontakt einfach nicht, wenn ein Hund zu einer geschossenen Sau läuft. Habereder hält die Ansteckungsgefahr für gegeben, will sie aber auch nicht überbewerten.

„Ein Infektionsrisiko für Hausschweine und Hunde besteht“, diese Schlussfolgerung zieht auch Kreis-Veterinär Dr. Arnhofer. Sein Rat an Jäger, aber auch andere Hundehalter: „Hunde sollten nicht mit unbehandeltem Organmaterial von Wildschweinen in Kontakt kommen. Auch ein unbeaufsichtigter Freilauf von Hunden in Wildschwein-Gebieten sollte vom Halter unterbunden werden.“ Für Landwirte gelten die Regeln der Schweinhaltungs-Hygieneverordnung, so Arnhofer weiter: Sie sollen ihre Tierbestände nach außen möglichst abriegeln und kein Futter im Freien lagern. Insbesondere wer seine Tiere im Freien oder mit Auslauf hält, muss verstärkt aufpassen. Geht der Landwirt selbst auf die Jagd, sollte er Wildschweine nicht bei sich am Hof ausweiden.

Grundsätzlich von Ansteckung bedroht sind neben Schweinen und Hunden auch Katzen, Nager, Hasen, Wiederkäuer – generell alle Säugetiere. Nur Menschen (und Affen) sowie Pferde und andere Einhufer sind hoch resistent gegen das AK-Virus.