Gesellschaft
„Ich war jung und brauchte das Geld“

Rinaldo Talamonti kommt nach Mainburg. Er war „Graf Porno“ in den Brummer-Sexfilmen. Das hing ihm ein Leben lang nach.

17.01.2017 | Stand 16.09.2023, 6:26 Uhr
Walter Dennstedt
Eine Szene aus „Graf Porno bläst zum Zapfenstreich“ mit dem jungen Talamonti −Foto: Heindl

1969: Graf Porno und seine Mädchen: Das war das Jahr, in dem Rinaldo Talamonti seinen Einstand als etwas vertrottelter, aber dauergeiler Pornodarsteller gab und das, so sagt er nun im Interview mit unserer Zeitung, eigentlich sein ganzes Leben, vor allem das als Schauspieler, geprägt hat. Nachdem das Stadtmuseum Mainburg dem Sohn der Stadt, Alois Brummer (geboren am 12. Mai 1926, gestorben am 4. Mai 1984 in München) eine Sonderausstellung gewidmet hat, kommt nun „Graf Porno“, also Talamonti am Sonntag um 15 Uhr ins Stadtmuseum Mainburg, und erinnert sich.

Dabei ist Talamonti irgendwie versöhnt mit der Vergangenheit und schickt voraus, dass man heute in einem Tatort, der um 20.15 Uhr ausgestrahlt wird, mehr nackte Haut zu sehen bekomme als damals in den Sexfilmchen, die der umtriebige Unternehmer Brummer mit minimalsten Kosten bei maximalem Ertrag fertigte.

Talamonti hat ein bewegtes Leben hinter sich, der Sprung in die seriöse Schauspielkarriere war stets vom „Makel“ der Vergangenheit beschwert. All das schreibt der kleine Italiener (1,59 Meter Größe) nun in seinen Memoiren nieder, zusammen mit einem Journalisten der Süddeutschen Zeitung.

In Mainburg war Talamonti nur ein mal zum Dreh, die meisten der Streifen, die damals den Zorn der erzkatholischen Bevölkerung erweckten, entstanden in Pasing bei München in Brummers Villa. Ein Auszug aus der Filmografie zeigt denn schon allein bei der Betitelung um was es ging: „Eros-Center Hamburg“ (1969), „Graf Porno und die liebesdurstigen Töchter“ (1969), „Dr. Fummel und seine Gespielinnen“ (1970) und aus dem selben Jahr „Graf Porno bläst zum Zapfenstreich“, der Film, der am Sonntag im Anschluss an das Gespräch mit Talamonti in Mainburg gezeigt werden wird.

Seine Erinnerung an Mainburg: Die Menschen waren entsetzt, weil da waren „lauter Nackerte“ und irgendwie ahnte man bereits, angesichts der Zeiten eines Oswald Kolle, dass es da um Sex geht. „Pornografie, Nestbeschmutzer“ war das, was das Filmteam zu hören bekam.

Indes, das Geschäft war vor allem für Brummer einträglich. Mit maximal 300000 Mark Kosten spielten seine Sexfilmchen Millionengewinne ein. Und lagen im damaligen Zeitgeist. Als heute fast 70-Jähriger sieht Talamonti die Sache in einem gesellschaftlichen Kontext: Nach dem Krieg sei Deutschland ausgehungert gewesen, auch sexuell. Und dann kam die sogenannte sexuelle Revolution, befördert zum einen von der Linken mit der „Kommune 1“ (Uschi Obermaier) und dem vielzitierten Leitspruch „wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“. Zum anderen waren da selbst ernannte Aufklärer, der bekannteste davon Oswald Kolle. Eine Miniszene eines nackten Busens im Fernsehen im Film „Die Sünderin“, die damals Hildegard Knef spielte, war ein Skandal. Und nun gar Sexfilme ....

Aber, und das sagt Talamonti deutlich: Es war keine Qualität“, die Handlung war dürftig, seine eigene Schauspielerei sieht er kritisch. Erst viel später nahm Talamonti, der mit seinen Eltern nach München gekommen war, Schauspielunterricht. Aber er brauchte das Geld, hatte gerade eine Familie gegründet. Freilich, die Filmchen mit Titeln wie „Beichte einer Liebestollen“ (1970), „Blutjung und liebeshungrig“ „Laß jucken Kumpel“, „Liebesgrüße aus der Lederhose“ oder „Hausfrauenreport international“ (1973) fanden ein williges, vor allem zahlendes Publikum. Nicht zuletzt, so weiß Talamonti, unter den damaligen Gastarbeitern. „Was sollten denn die jungen Männer, die allein in Deutschland waren, machen? Da blieb nur das Kartenspielen, das Wirtshaus, Puff oder Kino“.

48 Sexfilmchen hat Talamonti gedreht. Erbe und Bekanntheit daraus haben ihm in den folgenden Jahren beim Aufbau einer seriösen Schauspielerkarriere nicht gerade geholfen. Indes, Auftritte bei „Derrick“ oder in „Aktenzeichen XY ungelöst“ oder Marienhof etc. und weitere Filme folgten. Eins sagt Talamonti zudem heute in der Retrospektive: Die Filme sind ein „Armutszeugnis von Sexualität“.

Reich wurde der Italiener, den das italienische Konsulat in München im Jahr 2008 mit dem Titel eines „Cavaliere dell’Ordine della Stella della Solidarietà Italiana („Ritter des Ordens des Sterns der Italienischen Solidarität“) auszeichnete, dabei nicht. Aber er war mehr als der Gastarbeiter, der er anfangs gewesen war, verkehrte in Schickimicki-Kreisen oder denjenigen, die sich dafür hielten, Immerhin war „Graf Porno“ mit bis zu 3000 Mark Gage für einen Streifen einer der Bestverdiener – die Mädchen requirierte Brummer meist über Kleinanzeigen in Zeitungen …

Im Rückblick sieht der Italiener diese Episode aber auch als „schöne Zeit“. Jetzt, mit fast 70, schreibt Talamonti seine Memoiren, in denen auch ein Kapitel dem Dreh in Mainburg gewidmet sein wird. Was er da genau berichten wird, darüber schweigt der „Cavaliere“ noch. Zudem hat er bislang noch keinen Verlag, der das bewegte Leben des Schauspielers, der sich auch als Gastronom in München betätigte, herausbringen will. Und auch der Titel der Erinnerungen ist noch unklar. Sicher scheint, dass er sich nicht eines Filmtitels bedienen wird. Wer würde schon ein Buch mit dem Titel „Wenn die prallen Möpse hüpfen“, oder „Alpenglüh’n im Dirndlrock“ kaufen?

Die Ausstellung über Brummers Filmschaffenim Mainburger Museum dauert noch bis Ende Februar. Einlass ist ab 16 Jahren.

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