MZ-Serie
Hier speiste schon Teddy Parker

Seit 1920 führen die Sixts ihren Gasthof in Rohr – kurz „Klosterwirt“ genannt. Ein Haus „mit allem Drum und Dran“.

20.06.2015 | Stand 16.09.2023, 7:09 Uhr
Thomas Dietz
(Fast) die ganze Familie fröhlich in der Gaststube: Jakob III., Jakob V., Jakob IV., Antonia und Marlene Sixt (v. l.). Die Familien-Philosophie lautet seit Generationen: „Erbe verpflichtet“. −Foto: Gabi Schönberger

Der erste Besuch im kleinen Markt Rohr in Niederbayern gilt meist der berühmten Benediktinerabteikirche. Sie wurde 1717 bis 1723 durch den Künstler Egid Quirin Asam (1692-1750) in der bekannt üppigen, spätbarocken Fülle umgestaltet. Asam war Maler und Architekt, er war Chef-Stuckateur, Gestalter der Altaraufbauten und Schöpfer der plastischen Darstellung von Mariä Himmelfahrt – der 26-Jährige schuf hier sein erstes atemberaubendes Meisterwerk, so dass man die Kirche Asamkirche nennt. Korrekt heißt das Kloster „Abtei zum heiligen Wenzel zu Braunau in Rohr“.

Nach einem prüfenden Rundgang durch den Klosterladen der Benediktiner, vorbei an einem äußerst eleganten, modernen Granitbrunnen am Abt-Dominik-Prokop-Platz, fällt man unweigerlich in den historischen Gasthof Sixt, um sich im Biergarten unter alten Kastanien Speis und Trank zu widmen – das Wirtshaus liegt gegenüber der Kirche, wie es halt sein soll.

Seit vier Generationen bewirtet die Familie Sixt den Gasthof; es hat sich der Name „Klosterwirt“ eingebürgert. Alle männlichen Nachkommen heißen Jakob. Jakob III. (68) ist der Chef, sein Sohn Jakob IV. (40) wird ihn einmal ablösen, Jakob V. (6) und seine Schwester Antonia (3 1/2) wachsen schon eifrig nach.

Erbaut wurde das Gebäude 1738 als Getreidespeicher der Klosterbrauerei. 1803, bei der Säkularisation, wurde das Kloster enteignet, liquidiert, zertrümmert und alle brauchbaren Teile, „Becken, Öfen, Holzbalken, Türen“, verkauft. 1920 erwarben die Sixts den Gasthof „für 70 000 Goldmark“. Die Abtragung der Schuld war mühsam und dauerte bis 1942. Erst 1946 wurde das Kloster durch die aus dem böhmischen Braunau vertriebenen Benediktiner wiederbesiedelt. 1947 eröffneten die Benediktiner das Johannes-Nepomuk-Gymnasium mit Internat.

1200 Gäste gleichzeitig bewirtet

Ständig musste das alte Gemäuer renoviert, umgebaut und erweitert werden. Die Zeiten waren hart – es war nicht immer alles so nett wie heute. „Noch 1950 wurde ein Darlehensantrag in Höhe von 500 DM (!) von einer örtlichen Bank abgelehnt“, berichtet Wirtin Marlene Sixt (64) – trotz Gasthof mit Landwirtschaft als angebotener Sicherheit. So waren die Zeiten.

Und heute? „Heute haben wir ein funktionskräftiges Wirtshaus mit allem Drum und Dran“, sagt Marlene Sixt. Die Küche ist weithin bekannt, sie gilt als deftig, ehrlich, schmackhaft und außergewöhnlich leistungsfähig.

Das Hotel hat jetzt 39 Zimmer mit 75 Betten und angenehmem 3-Sterne-Komfort. Im Saal können ohne Schiebewände 350 Personen essen, trinken und feiern. Und der hauseigene Partyservice, vor 30 Jahren gegründet, hat schon mehr als 1200 Gäste unfallfrei bewirtet. Die familieneigene Getränkehandlung beschafft so gut wie alles. „Das ist eine Frage der Organisation“, meint Marlene Sixt, „eine Hand greift in die andere. Und wir sind halt auch seit langem gut eingespielt.“

Manches Wirtshaus würde, wenn Hunderte Wallfahrer vor der Tür stehen, absperren. Nicht so das Gasthaus Sixt, das auch auf Bus-Touristen spezialisiert ist. Es gibt die klare Ansage, dass jeder Gast Platz nehmen möchte und dass dort serviert wird.

Auch die Dame, die vorn am Tresen „ähm, eine handwarme Apfel-, ach nein, dann doch vielleicht lieber eventuell eine Rhabarber-Schorle“ bestellte, „ich nehm’ dann am besten mein Getränk selber gleich mit – können Sie auf 50 Euro herausgeben?“, musste sich fügen. „Und um 18.15 Uhr hatten alle Riedenburger Fuß-Wallfahrer auf dem Wege nach Altötting bezahlt“, sagt Marlene Sixt triumphierend, „und alles ging ohne ein lautes Wort.“

Berühmt sind hier, am Rande der Hallertau zwischen Abens und Großer Laaber, die Hopfensprossen, auch „Hopfenspargel“ genannt, für die Feinschmecker im März/April jeden Jahres von weit her eigens anreisen. Die Delikatesse, eine Spezialität von Jakob III. Sixt, ist allerdings kein billiges Vergnügen: es dauert eine Stunde, um ein Kilogramm dieses edlen Hopfennebenprodukts in Handarbeit zu ernten.

„Hier halten noch alle zusammen“

Dass in der Küche alles noch eisern selbst gemacht wird, bedeutet viel Arbeit, sichert aber den guten Ruf (Motto des Hauses: „Erbe verpflichtet“). „Alle Vereine – Schützen, Feuerwehr – sind bei uns“, sagt Jakob III. Sixt. „Wir haben allein acht Faschingsbälle. Die Gemeinschaft lebt. Hier bei uns halten gottlob noch alle zusammen.“

Sogar Horst Seehofer stand persönlich in der Küche und hat Hopfenspargel mitgekocht – da war er aber noch Bundes-Landwirtschaftsminister (bis 2008). Gäste waren auch die Sängerin und Politikerin Claudia Jung, Staatsministerin Ilse Aigner, die Moderatorin Uschi Dämmrich von Luttitz oder die Kastelruther Spatzen.

Ein Hausgast wird besonders gern erwähnt: der Sänger Teddy Parker (77), der seine Karriere 1963 mit dem Twist-Titel „Nachtexpress nach St. Tropez“ begann und sich damit mehrere Wochen in den Charts hielt – auf Youtube mühelos anzuschauen ...