Lachnummer
Schluss mit derb, laut und lustig

Die Musikkabarett-Truppe „Zwoaraloa“ will aufhören. Davor erzählt sie von beleidigten Ministern, Gerüchten und Hardrockern.

22.09.2016 | Stand 16.09.2023, 6:47 Uhr
Heidi Hoffmann, Petra Härtinger, Angelika Krojer-Angler und Brigitte Gruber-Krojer sind noch bis Jahresende Zwoaraloa. −Foto: Zwoaraloa

Ihr Mann Bernhard erkannte sie anfangs auf der Bühne nicht wieder, sagt Brigitte Krojer-Gruber. Die 59-Jährige aus dem Siegenburger Ortsteil Niederumelsdorf ist als Texterin und Frontfrau der Kopf der Frauen-Musikkabarett-Truppe „Zwoaraloa“. Mit zwei augenscheinlich zwei sehr unterschiedlichen Ichs. Bühnen- und privatem Ich. Auf der Bühne ist die Musikantin „derb, frech und schaut recht grantig“. Im echten Leben sei sie sehr ausgleichend und stets um Harmonie bedacht. Wenn sie zusammen mit ihrer Schwester Angelika Krojer-Angler, Heidi Hoffmann und Petra Härtinger auf der Bühne steht, hat mancher Mann – sagen wir Respekt – vor ihr. In 20 Bühnen-Jahren waren ihr Männer, „die ums Verrecken nicht lachen wollten“ stets ein besonderer Ansporn.

Inzwischen macht ein Gerücht die Runde, dass Brigitte und ihre drei Kolleginnen ans Aufhören denken, dass sie einen Schlussstrich ziehen. „Jetzt singen wir bald nur noch Beerdigungen“, sagt Angelika am letzten heißen Spätsommertag in der vergangenen Woche im Garten ihrer Schwester.

Klassiker waren ihnen bald zu fad

Ja, es stimmt. Sie machen wirklich Schluss. Auch wenn vor allem Angelika, die den Satz mit den Beerdigungen nur aus Spaß gesagt hatte und den die Reporterin bloß nicht schreiben soll, gerne noch weitergemacht hätte. Die anderen drei, vor allem Schwester Brigitte, sind der Meinung, dass man aufhören soll, wenn’s am schönsten ist. Krojer-Gruber wird im Oktober 60, Zwoaraloa feiern 2016 ihr 20-Jähriges.

Mit klassisch boarischen Liedern fing alles an. Die Schwestern Brigitte und Angelika und zwei Freundinnen aus Oberlauterbach wollten sich hin und wieder treffen, um miteinander alte Volksmusikstücke zu singen. Bald treten sie bei Hoagarten auf, in St. Johann etwa. Doch die Klassiker sind ihnen schnell zu fad und die lustigen bairischen Lieder zu frauenfeindlich. Kein Wunder, die waren ja auch von Männern für Männer geschrieben bzw. überliefert worden.

So fing Brigitte Krojer-Gruber selbst zu texten an. Das erste Lied war eigentlich schnell gemacht. Ihr Schwager machte ihr weis, dass Männer im Wirtshaus einen unausgesprochen Wettstreit veranstalteten. Im „Bieslliad“, das eigentlich „Emanzipation“ heißt, geht es darum, wer am meisten verträgt, bis er zur Toilette muss. Die Herren der Schöpfung kommen nicht gut weg. So wie in vielen folgenden Liedern.

Ganz am Anfang stand der ein oder die andere auch mal auf und ging. Beim zweiten Lied, das Brigitte über den Vatikan schrieb zum Beispiel. Dabei war das von Inhalt her noch harmlos. Scheinmoralisten echauffierten sich dennoch. Aber das ist ja auch eine Art von Lob, sagt die Umelsdorferin und grinst. Dass sie polarisierten, war ein Ansporn weiterzumachen. Sie waren damals alle über 40. Süßliche Liebeslieder hätten da nicht mehr gepasst, findet Angelika. So besangen sie Männer-Typen, das Älterwerden, intonierten Liebes- und Versöhnungslieder. Und dazwischen riss Brigitte ihr Publikum mit knochentrocken erzählten Witzen zu Lachsalven hin. „Sie hat so einen authentisch trockenen Witz“, sagt Heidi. Manchmal lachten die Bandkolleginnen selbst Tränen auf der Bühne, wenn die 59-Jährige unverhofft etwas Neues zum Besten gab.

Auch Männer und Frauen ab 40 nehmen Zwoaraloa auf die Schippe! Hörprobe gibt‘s hier!

Im Lauf der Zeit trafen sie auch auf einige Promis. Auf Franz Beckenbauer oder Otti Fischer. Manch einen kannten sie gar nicht. Ein früherer CSU-Bundesminister war arg beleidigt, weil Brigitte öffentlich verkündete, dass ihr sein Name nichts sagte.

An die 300 Lieder hat sie in den vergangenen 20 Jahren geschrieben. Gut 150 hatten sie bei ihren Konzerten im Repertoire. Bis sie die ersten 20 Lieder hatten, waren die Stücke immer ausreichend. Je mehr es wurden, desto schwerer fiel die Wahl, was sie an einem Abend singen würden. Zunächst zweifelte Brigitte immer wieder an sich. „Es hat mich gewundert, dass die Leute uns geholt haben, aber anscheinend gefiel es ihnen.

Fehlte nur noch ein Bühnenoutfit. Hüte, Kleider, Mieder, Zipfelröcke und zwei unterschiedlich farbige Schuhe sind zu ihrem Markenzeichen geworden. Viele denken, dass sie wegen der zwei Paar Schuhe auch „Zwoaraloa“ heißen. Aber das stimmt nicht. Petra Härtinger träumte den Namen. Nach einem kurzen Intermezzo mit vier Männern traten sie wieder „solo“ auf. Ihnen war klar geworden, „dass Zwoaraloa ein Pendant für ,Yin und Yang’ auf Boarisch war und wir das ganz allein vertreten konnten“.

Mit dem Heli zum Auftritt abgeholt

Einige Male wurden sie mit dem Hubschrauber für Auftritte eingeflogen. Beim ersten Mal ging hinterher in Umelsdorf das Gerücht um, dass die Frau Krojer ins Krankenhaus gemusst habe, aber immerhin habe sie noch selbst in den Hubschrauber einsteigen können. So erzählte es ein Dreikäsehoch.

90 Prozent der Konzerte waren super, ein paar „so lala“. Nach dem wohl schlimmsten Auftritt in der Band-Geschichte müssen sie nicht lange suchen. Das war vor 1200 Ferkelzüchtern. Der Hausmeister einer Großhalle bediente die Anlage und hatte ein paar Regler unrevidierbar verstellt. Kurz: Der Auftritt war ein Fiasko. „Und geschäftstüchtig sind wir auch nicht“, schiebt Angelika ein. Denn sie hatten auf eine Gage verzichtet und sich aufs Selbst-Sammeln verständigt...

Gut gelaufen ist es aber umso öfter. Um Auftritte mussten sie eigentlich nie selbst bitten oder anfragen. Ein Auftritt ergab den nächsten, eine Empfehlung die andere. So war’s bis zum Schluss. „Und wenn es gut angekommen ist, gehst du total euphorisch von der Bühne“, sagt Heidi. Überhaupt sie haben in den 20 gemeinsamen Jahren so viel Schönes erlebt. Das hätte ein „Hausfrauenleben“ nie bieten können. Meist wurden sie hofiert, umworben, mit Komplimenten überhäuft. „Das haben wir sehr genossen“, sagt Angelika. Manchmal habe sie es in der Pause gar nicht abwarten können, bis es weiterging.

Einen ganz anderen Stellenwert als hierzulande haben Mundart-Sänger in Österreich. Dorthin reisten „Zwoaraloa“ mehrfach zu Gstanzlsingen. Nach Aspach etwa. Dort zahlen die Leute „viel Geld“ für den Eintritt und an die 1000 Zuhörer sitzen dicht gedrängt in der Halle. In manchen Orten wird vier- bis siebenmal hintereinander dasselbe Programm gespielt und gesungen. Schwerpunkt sind lustige, selbst gemachte Texte. „Die Österreicher wollen lachen, bei uns sind ähnliche Veranstaltungen viel fader“, sagen die Zwoaraloa-Frauen.

Hier gibt‘s eine Kostprobe vom Auftritt vom Hirzinger. Die Lied „Weiberratsch“:

Gerne denken Heidi, Petra, Angelika und Brigitte auch an Auftritte mit anderen Künstlern zurück. Mit Werner Schmidbauer und Claudia Koreck waren sie beim Abensberger Schlossgarten Open Air, Traudi Siferlinger holte sie zur TV-Sendung beim Hirzinger. Gemeinsame Auftritte genossen sie, „weil man nicht so die Verantwortung hat“, sagt Brigitte. Beim Empfenbacher Open Air traten sie sogar mal als Vorgruppe der Hardrocker von „Uriah Heep“ auf. Man traf zwar nicht aufeinander. Besonders war’s trotzdem, weil Brigitte früher ein großer Fan der Briten war.

Zweimal ins Frauengefängnis

Auf andere Art und Weise sehr aufregend waren die zwei Gastspiele im Aichacher Frauengefängnis. „Ich hab’ mir nicht vorstellen können, was die einzelnen angestellt haben, das sie dorthin brachte...“, sagt Brigitte. Optisch sei von der Obdachlosen bis zur Bankiersgattin alles dabei gewesen. Und die Reaktionen – „waren genauso, wie bei den anderen Konzerten“.

Dass sie sich ab Januar nicht mehr sehen, das geht dann doch nicht. Wo sie in 20 Jahren nicht einmal gestritten haben. Einmal im Monat wollen sie sich reihum auf eine Art Stammtisch treffen. Bis dahin sind es noch an die zwölf Auftritte, bevor am 30. Dezember in Siegenburg der Vorhang fällt.

Als „Reimschusterin“ wird Brigitte weiter kreativ sein. Sie textet auf Bestellung Liedtexte für andere.Zu ihrem 55. Geburtstag sang die Verwandtschaft ein Lied, dass sie – ohne es zu wissen – für sich selbst geschrieben hatte. Und ein Theaterstück hat sie auch in der Schublade.

Ärger gab es kurz vor Schluss dann auch. Eine Volkssängerin der jungen Generation schmückt sich mit Krojers Federn, gibt ein geklautes Lied, als das Ihrige aus. Auch wenn Brigitte nicht viel darüber sagen mag. Dass sie sich von Zuhörern schon anhören mussten, das „Striptease“-Lied hätte man schon von jemand anders gehört, geht ihnen dann doch zu weit.

„Groß werden“ wollten Zwoaraloa eigentlich nie, „wir wollten immer nur unseren Spaß“, sagt Angelika. Das berührendste Kompliment machte ihnen eine Mutter, die ihren Sohn bei einem Unfall verloren hatte. Sie sagte nach einem Auftritt: „Das war das erste Mal, dass ich wieder lachen konnte.“

Der letzte Auftritt ist am 30. Dezember im Siegenburger Wittmannsaal. Beginn: 19.30 Uhr, Einlass: 18 Uhr; auch vier Überraschungs-Gäste haben einen Kurzauftritt. Karten zum Preis von 15 Euro gibt es bei Raiffeisenbank und Sparkasse in Siegenburg, bei Zieglers Gemüseladen in der Ulrichstraße in Abensberg und der Druckerei Pinsker in Mainburg.

Dieser letzte Abend ist ein Benefizkonzert für Target von Rüdiger Nehberg (www.target-nehberg.de). Diese betreibt in Äthiopien ein mobiles Hospital und kämpft gegen weibliche Genitalverstümmelung. Statt Eintritts-Karten gibt es Plakate, die mit dem Namenszug Zwoaraloa abgestempelt sind. Fürs Konzert reicht es aber den Teil mit Stempelaufdruck mitzubringen, so Brigitte Krojer-Gruber.