Fahrgeschäft
(Keine) Angst vor der Geisterbahn

Zum ersten Mal seit 30 Jahren ist wieder eine Geisterbahn am Gillamoos. Unsere Autorin hat den Selbsttest gewagt.

01.09.2017 | Stand 16.09.2023, 6:26 Uhr
Lisa Pfeffer

Den Kopf eingezogen, die Hände fest am Wagen: Ganz wohl fühlt sich unsere Autorin in der Geisterbahn nicht. Hinter jeder Kurve wartet eine neue Grusel-Überraschung. Foto: Pieknik

Mit Geisterbahnen stehe ich auf Kriegsfuß. Es ist noch nicht lange her, als ich mir geschworen habe, ich werde nie wieder eine betreten. Und der Gillamoos hat‘s doch geschafft. Als ich auf die „Geisterhöhle“ zugehe, denke ich an mein Trauma-Erlebnis von vor zwei Jahren: Ich war mit Freunden auf der Regensburger Dult, als irgendjemand aus der Gruppe die Idee hatte, wir könnten alle gemeinsam Geisterbahn fahren. Vielleicht steckte ein Teambuilding-Gedanke dahinter, vielleicht eine Maß Bier zu viel – ich weiß es nicht. Begeistert war ich jedenfalls von Anfang an nicht, meiner Meinung nach hätte es die klassische Riesenrad-Runde auch getan. Zu gut konnte ich mich noch an Kinderzeiten erinnern, zu denen meine Eltern sich jedes Halloween mit mir im Haus verbarrikadiert haben und ich trotzdem fast die Krise bekam. Doch das ist alles lange her. Da war ich ein Kind. Jetzt bin ich schließlich erwachsen. Und cool. Dachte ich.

Das Ende vom Lied: Wir standen gefühlte Ewigkeiten in der Schlange, ich ließ den herumlaufenden Zombie mit den weißen Kontaktlinsen und dem blutverschmierten Gesicht nicht aus den Augen. Und im Nachhinein betrachtet war genau das das Problem. Ähnlich wie Hunde riechen wohl auch Geisterbahn-Erschrecker sofort, wenn jemand Angst hat. Und dann macht die Arbeit natürlich gleich noch viel mehr Spaß. Er kam auf mich zu und das war der Moment, in dem ich realisierte: Ich war ganz und gar nicht cool. Aber dafür sportlich: Ich sprang über die Absperrungen, hechtete durch die wartenden Leute hindurch und stand wieder auf dem Weg vor der Geisterbahn.

Geisterbahn aus Reichsmark-Zeiten

Und da stehe ich nun wieder. Vor einer Geisterbahn, auf dem Gillamoos. Im Gegensatz zu mir ist der Betreiber der Geisterbahn, Franz Zinnecker, bester Laune. Er zeigt mir ein Video auf seinem Handy, von Kürbissen, die Grimassen machen. „Die Kürbisköpfe sind meine neueste Idee“, sagt er. Dazu stellt er drei Kürbisse in die Geisterbahn und ein Beamer projiziert Gesichter darauf. „Das kommt bestimmt gut an.“

Neue Ideen sind in seinem Business auch wichtig, denn es wird immer härter und ist kein Zuckerschlecken. „Man hat Kosten und Ärgernisse wie in jedem anderen Betrieb auch.“ Doch Zinnecker will es nicht zu negativ sehen. Schließlich gehen die Leute immer noch gerne aufs Volksfest.

„Eine Geisterbahn muss für mich einfach alt und dreckig sein“Peter Zinnecker, Betreiber der Geisterhöhle

Besonders stolz ist er auf den nostalgischen Wert seiner Geisterbahn. Sie ist so alt, dass sie schon in Reichsmark, D-Mark und Euro bezahlt wurde. „Das sieht man ihr auf positive Art auch an. Eine Geisterbahn muss für mich einfach alt und dreckig sein.“ Schön langsam drängt sich mir die Frage auf, wie man überhaupt auf die (für mich völlig absurde) Idee kommt, eine Geisterbahn zu kaufen. Zinnecker grinst: „Ich habe einfach einen Fabel für Okkultes und Gruseliges.“ Außerdem seien seine Eltern und Großeltern schon Schausteller gewesen.

Ich merke, dass für mich langsam der Moment näher rückt, in dem ich selbst in einen der roten Wägen steigen und durch die Geisterbahn fahren muss. Erschrecker habe ich noch keinen gesehen, ich weiß aber, dass es drinnen einen gibt. Meine Coolness schrumpft mal wieder in sich zusammen, als ich mich in den Wagen setze. Zinnbauers Mitarbeiter grinst mich an, als er den roten Knopf drückt und sich der Wagen in Bewegung setzt. Meine Taktik: Ich konzentriere mich einfach auf den Griff von meinem Wagen und schaue mich gar nicht so genau um, dann kann auch nicht viel Gruseliges passieren. Ich habe mich mal wieder geirrt.

Zerreisprobe in der letzten Kurve

Franz Zinnecker ist mit seiner Familie immer von Ende März bis Ende Oktober unterwegs, also mehr als die Hälfte des Jahres. Während dieser Zeit leben sie mit ihrem 8-jährigen Sohn im Wohnwagen, ansonsten haben sie ihr Haus in Neumarkt St. Veit. Selbst beim eigenen Kind hört die Liebe zur Skurrilität übrigens nicht auf: Er ist am Freitag, den 13. geboren und heißt Mike – benannt nach Michael Myers. „Er findet‘s cool.“ Der Apfel fällt eben nicht weit vom Stamm – später will Michael auch mal die Geisterbahn seines Vaters übernehmen. Doch davon ist Zinnecker nicht begeistert: „Der soll lieber einen guten Beruf lernen, weil das in Zukunft auch nicht einfacher wird.“

Ich habe nach der ersten Kurve die Taktik geändert und mich nun doch dazu durchgerungen, mich ein wenig umzusehen. Ich fahre vorbei an Puppen, von denen mir Franz Zinnecker vorhin noch erzählt hat, dass er manche davon selbst macht. Für eine Sekunde abgelenkt, lasse ich einen lauten Schrei los, als mir eine der Gestalten plötzlich entgegen fällt. Hoffentlich hat man mich nicht bis nach draußen gehört. Gerade von einem Schock erholt, springt neben mir in der letzten Kurve eine dunkle Gestalt hervor und wirft eine Kettensäge an. Wie ich im Nachhinein erfahre: eine echte Kettensäge. Nur ohne Kette. Was sie aber auch nicht leiser macht. Die restliche Fahrt beäuge ich noch die Figuren und hoffe, dass ich es überstanden habe.

Als mein Waggon endlich wieder durch den schwarzen Vorhang fährt und ich mit immer noch eingezogenem Kopf im Freien bin, sehe ich an den Blicken meiner Kollegen, dass man meinen Schrei sehr wohl bis nach draußen gehört hat. Franz Zinnecker fragt mich „Und, hast du meine Kürbisköpfe gesehen?“. Ich musste kurz überlegen, aber ja, ich glaube sie gesehen zu haben. Zinnecker nickt wohlwollend und ich bin froh, dass ich es hinter mir habe. Vielleicht ist hiermit ja mein Geisterbahn-Trauma endgültig aufgearbeitet.

Hier lesen Sie ein Interview mit dem Erschrecker in der Geisterhöhle, Bernhard Nöhren:

Herr Nöhren, was ist das Besondere an Ihrem Job?

Jeder reagiert anders, wenn ich ihn erschrecke. Es gibt Frauen, die erschrecken gar nicht, Kinder, die laut loslachen und Männer die schreien wie die Kinder. Das macht mir schon Spaß und ist immer wieder was anderes.

Was machen Sie genau, um die Leute zu erschrecken?

Ich stehe in einer dunklen Ecke und springe vor, wenn ein Wagen kommt. Dazu habe ich eine Kettensäge, die ich anmache. Das ist laut, es ist aber natürlich keine Kette drin. Wir haben die Devise, dass wir niemanden anfassen.

Wie lange machen Sie das schon?

Eigentlich erst seit ein paar Tagen. Aber ich hab es vor 20 Jahren schon einmal gemacht, da bin ich mehr oder weniger per Zufall reingerutscht. Es funktioniert alles gut, ich mag‘s, wenn man viel unterwegs ist. Und das ist man bei dem Job definitiv. Als nächstes geht es nach Gunsenhausen.

Was sind die Schattenseiten des Berufs?

Ich bin froh, wenn es nicht so heiß ist. Würde draußen die Sonne scheinen und es wäre warm, kann es in der Geisterbahn schon mal bis zu 60 Grad kriegen, da wo ich stehe. Das ist mit Maske und Pulli dann schon anstrengend.

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