Themenwoche
Schatz, jetzt bin ich die „Legende“!

Martina Brandl und Johannes Wachter aus Kirchdorf erzählen von ihrer Fußball-Liebe. Und wie’s ist, wenn die Frau aufsteigt.

30.06.2016 | Stand 16.09.2023, 6:52 Uhr
Martina Brandl und Johannes Wachter. In ihrer Beziehung spielt der Fußball eine wichtige Rolle. −Foto: Pieknik

Stellen wir uns vor, Sie stehen am bisherigen Höhepunkt ihrer fußballerischen Karriere. Es gibt einen Busausflug. Die Meisterschale fährt ganz vorne mit. Der Bus wird von einem Polizisten angehalten. Begründung: Er wollte doch mal sehen, wer da Meister geworden ist. Es sitzen Männer und Frauen im Bus. Die Frauen lüften das Geheimnis. Reaktion des österreichischen Beamten: „Damenfußball, das ist wie Pferderennen nur mit Eseln.“ Bam, das haut rein! Im Jahr 2016.

Erlebt haben diese Episode kürzlich die Spielerinnen des SC Kirchdorf bei einer Fahrt in die Alpenrepublik. „Wir waren so perplex, da haben wir erstmal gar nichts gekontert“, sagt Spielführerin Martina Brandl. Mit im Bus saß auch ihr Freund Johannes Wachter. Und wie fand er’s? „Das war saulustig.“ Alles andere wäre ja gelogen, sagt der 23-Jährige und lässt ein breites Grinsen über seine Lippen gleiten. Wer erwarte so einen Kommentar auch von einem Polizisten?

Der Uniformierte im Nachbarland brachte die Voreingenommenheit vieler (Männer) vielleicht auf einen verbalen Höhepunkt. Doch auch sonst kennt Martina Brandl Vorurteile über das „Gehaue“ bei den Frauen oder Kommentare, dass man „nur“ Frauenfußball spiele, zur Genüge. Zum Glück erfahren sie und ihre Teamkolleginnen zuhause in Kirchdorf großen Rückhalt, sagt die 20-Jährige. Mittlerweile jedenfalls. Anfangs seien sie auch dort nicht ernst genommen worden. Sollten sie veralbert worden seien, „dann nur hintenrum“.

Die abgelaufene Saison endete jedenfalls anders als es sich die, die Frauenfußball gerne kleinreden, vorstellen: Sie feierte mit der Meisterschale in der Hand den Aufstieg in die Bezirksliga. Er hätte am letzten Spieltag in Thaldorf vor Wut über den geplatzten Traum von der Aufstiegs-Relegation zur Kreisliga fast in den Rasen gebissen. Da halfen alle Anfeuerungsrufe vom „Inferno Kirchdorf“ nichts. Die Gesänge „Werdet zur Legende“ wollten sich an dem Tag einfach nicht bewahrheiten. Die „Legende“ stand am Spielfeldrand, die „Spielerfrauen“ des KSC.

So wie Martina Brandl tragen viele Freundinnen der Kicker der Ersten selbst Trikot und Fußballschuhe. Für sie und Johannes ist das nichts besonderes. Denn zehn weitere Paare sind unter den aktiven Kickern und Kickerinnen.

Dass sie Fußball spielen wollte, wusste Martina Brandl schon früh. Und sie hat sogar schon mal einen Ball im Tor ihres Liebsten versenkt. „Echt?“, zweifelt der kurz. Ja, seine Freundin kann sich gut erinnern, wie sie – vor vielen Jahren – auf einem seiner Kindergeburtstage erstmals ihr spielerisches Geschick aufblitzen ließ.

Ob sie seit der D- oder E-Jugend in Kirchdorf Fußball spielt, darüber ist sie sich mit ihrem ersten Trainer Alfred Fraunholz uneins. In jedem Fall kann sich der „Vater der Kirchdorfer Frauenfußballs“ noch gut erinnern, wie sich der heutige Libero der Kirchdorfer Frauenmannschaft hinter einer Birke am Rand des Fußballplatzes versteckte und Bruder Peter vorschickte und ihn fragen ließ, ob sie nicht bei den Jungs mitspielen dürfte. Klar, durfte sie.

„Frauenfußball? Das ist wie Pferderennen nur mit Eseln.“Gefragt nach den dämlichsten Sprüchen zu ihrem Sport muss Martina Brandl nicht lange überlegen. Diesen Kommentar hörte sie erst vor kurzem. Ein österreichischer Polizist ließ ihn vom Stapel.

Irgendwann hatte sie die Wahl zwischen Flöte und Fußball, sagt Martina. Nach einem halbherzigen kurzen Intermezzo in der Musik fiel die Entscheidung für den Mannschaftssport. Und die hat sie bis heute nicht bereut.

Seit 2011 spielt Fußball nicht nur in ihrem Leben eine wichtige Rolle, sondern auch in ihrer Beziehung. Die Personalsachbearbeiterin und der Elektrotechniker spielen beide für den KSC. Durch Training und Spiele ist ihre Woche vorgetaktet. Eigentlich bleiben während der Saison nur Montag und Donnerstag, da hat keiner von ihnen Training, Spiel oder Spielersitzung.

Vor jedem Spiel ist Martina so nervös wie beim allerersten Mal. Auch noch nach neun Jahren. „Das liegt bei Euch wohl in der Familie“, wirft Johannes ein. Martinas Bruder Peter ist der Keeper in seinem Team. Der sei auch immer aufgeregt vor jedem Spiel. Martina lässt den Neck-Versuch im Abseits liegen und ergänzt, dass beim ersten Ballkontakt ihr Kribbeln schnell verflogen ist. Doch der Reiz sei jedes Mal aufs Neue wieder da. Sie freut sich auf jedes Spiel. Nach ein paar Pässen entscheidet sich, ob es gut oder schlecht läuft, sagt Martina. Meistens steht ihr Freund dann am Spielfeldrand und schaut zu. Auswärts so oft es geht. So wie umgekehrt Martina seine Spiele guckt.

Und plärrt er ordentlich rein? „Nein, wenn dann nameln wir den Schiri oder die Gegenspielerinnen an“, sagt Johannes. Anfangs habe er auch Tipps reingerufen, „aber das will sie nicht hören. Und wenn ich es trotzdem tu, gibt’s zuhause geschimpft.“ Ab und zu hält er sich dran.

Insgesamt gibt’s von ihrem Freund mehr „Anregungen für Verbesserungen, als dass ich gelobt werde“, sagt die 20-Jährige. „Wieso? Nicht geschimpft, ist doch gelobt genug“, feixt Johannes zurück.

Nein, im Ernst. Der Spielstil der Kirchdorfer Frauen werde immer besser, sagt Johannes. „Man merkt mehr Spielfluss. Es ist nicht mehr nur Bolzerei so wie im ersten Jahr Großfeld vor fünf Jahren. Wir spielen taktischer. Hermann (Kistenpfennig, der Trainer der Damenmannschaft, Anm. d.Red.) hat uns viel beigebracht“, sagt Martina.

Klar, sind da Unterschiede. Sie spielen nicht so schnell wie die Männer. Und sie lassen sich nicht „einfach mal so hinfallen“, sie spielen weiter. Sie sind nicht so sehr auf Standardsituationen wie Freistöße aus, sondern „auf ein gutes Spiel“.

Martina ist „durch und durch Abwehrspielerin“, sagt ihr Mentor Alfred Fraunholz „und voll dabei“. Sie hält die Mannschaft zusammen. Emotionaler und lauter ist sie, wenn sie selbst spielt, sagt die Kirchdorferin. „Beim Zuschauen schreie ich nicht so viel wie auf dem Platz. Obwohl ich natürlich auch mit den Jungs mitfiebere, aber selbst zu spielen, das ist nochmal etwas anderes.“

Sich selbst beschreibt sie so: „Im echten Leben bin ich sehr ruhig, eher zurückhaltend und ich organisiere gern.“ Johannes bringt es so auf den Punkt: „Du bist nicht der Lautsprecher im Team, aber du hast die Zügel in der Hand.“

Auf dem Platz bringe seine Freundin Ruhe rein und sie „weiß, wann sie draufgehen muss“. Johannes punkte durch taktisch sehr gute Spielzüge, gibt Martina zurück und schickt ihrerseits eine Verbesserung hinterher. „Mitspielen – auch nach der Ballgabe.“ „Mach’ ich doch“, entgegnet Johannes. Und ein wenig leiser meint er: „Wenn’s nach vorne geht“.

„Wir lassen uns nicht einfach mal so hinfallen. Wir sind nicht so sehr auf Standardsituationen aus, sondern auf ein gutes Spiel.“Martina Brandl zum Unterschied von Frauen-und Männerfussball

In ihrer Fußball-Beziehung ist Johannes, der mit dem krasseren Siegeswillen. Dass er den Ball am letzten Spieltag der abgelaufenen Saison mehrfach gegen Pfosten und Latte brachte, aber nicht ins Tor geht ihm immer noch nicht ein. Zwei Stunden später konnte er sich trotzdem über den 3. Platz in der Abschlusstabelle freuen und diesen mit seinen Jungs feiern. „Auf dem Platz bin ich eine Katastrophe, weil ich immer gewinnen will“, sagt Johannes. Ja, er „namelt“ immer und ist sehr emotional, bestätigt die Freundin. Ein Umstand, der sich auch an Johannes’ „Kartensammlung“ ablesen lässt. In der Saison 2014/15 war er Spitzenreiter im Team. In 25 Spielen häuften sich zehn gelbe Karten an, sieben wegen Meckerns. „Aber ich bin ja Stürmer, kein Abwehrspieler und für Offensive zuständig“, sagt er und seine Freundin raunt der Reporterin zu: „Wenn er immer so wäre, wäre das nicht beziehungsfördernd.“

Ist er aber nicht. Was sie auf dem Rasen auch unterscheidet: Johannes geht auch verletzt auf den Platz. Mit Schmerztablette spielen? Für Martina Brandl ein No-Go. „Da würde ich nicht mitspielen, die Mannschaft müsste da auch mal zurückstecken.“

Ihr Team ist Martinas Motor. „Ich mag die Gemeinschaft, dass es ein Teamsport ist, man gewinnt und verliert zusammen und man hat Spaß mit den anderen.“ Die besten Freunde sind in der Mannschaft. „Ich kann mir nicht vorstellen, woanders zu spielen“, sagt Martina. Johannes nickt.

Nur als Kapitän mit der Mannschaft Meister geworden zu sein, war ein „noch geileres Gefühl“. Den ersten Eindruck der Frauen, dass sich die Herren nicht so für sie freuen konnten“, haben die Kirchdorfer Herren inzwischen bei der offiziellen Meisterfeier revidiert.

Für die nächste Saison wünscht sich die Spielführerin nur eins: „Dass wir in der Bezirksliga nicht wahnsinnig abgeschossen werden.“

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