Schicksal
In 92 Tagen wieder Gehen gelernt

Bundesliga-Trainer, Soldat der Delta Force – im Querschnittzentrum in Rummelsberg schöpfte Ladislav Bartes neue Hoffnung.

15.12.2017 | Stand 15.12.2017, 13:46 Uhr

Ladislav Bartes schafft es am Barren, zehn Meter zu gehen. Die Ärzte Issam Naef (links) und Dr. Matthias Ponfick (rechts) sehen aufmerksam zu. Foto: Dominik Kranzer

Nach 92 Tagen Aufenthalt geht es pünktlich zu Weihnachten für Ladislav Bartes wieder nach Hause. Hinter ihm liegt eine gesundheitliche Odyssee, die in einer Querschnittlähmung gipfelte. Der 73-Jährige hat sein Schicksal angenommen, hart trainiert und verlässt nach frischer Querschnittläsion das Krankenhaus Rummelsberg. „Für mich war es ein großes Glück, dass das spezialisierte Zentrum in Rummelsberg Anfang September eröffnet hat. Zwei Tage später bin ich hierhergekommen“, erzählt Bartes.

Sein langer Leidensweg begann mit einem orthopädischen Routine-Eingriff am Knie, welcher mehrere Revisions-Operationen nach sich zog. Es entwickelte sich eine schleichende Lähmung des linken Beines, welche intensiv neurologisch abgeklärt wurde. Mit Verdacht auf einen Schlaganfall landete der Patient schließlich in der neurologischen Rehabilitation.

Entzündung in der Wirbelsäule

In dieser entwickelte sich auch am gesunden Bein eine Lähmung. Bei einer MRT-Untersuchung der Halswirbelsäule entdeckten Mediziner eine akute Verengung des Rückenmarks und Ladislav Bartes musste notfallmäßig in einer Uniklinik operiert werden. Bei dem Eingriff merkten die Operateure, dass chronisch entzündetes Gewebe die Stelle umgibt und daher eine abgelaufene Entzündung der Wirbelsäule die Ausfallerscheinungen verursacht hat. Die Operation dauerte fünf Stunden, was blieb, ist eine hochgradige inkomplette Lähmung der rechten Hand und besonders beider Beine.

Zwei Tage nach der Eröffnung des Querschnittzentrums kam Bartes nach Rummelsberg – als erster Patient mit frischem Querschnittsyndrom. „Die Betreuung vor Ort hat sich dermaßen gut entwickelt, wie ich nicht damit gerechnet habe“, sagt Bartes heute. Von der psychologischen Unterstützung bis hin zur täglichen, dreistündigen therapeutischen Behandlung erhält Bartes eine ganzheitliche Betreuung. Im gelingt es, den Schicksalsschlag zu verarbeiten und er lernt innerhalb der drei Monate, was am Anfang undenkbar gewesen ist.

„Der Patient war zunächst mit Blasenkatheter und Windel versorgt. Ein kontinentes Leben sieht anders aus“, erklärt Dr. Matthias Ponfick, der leitende Arzt am Querschnittzentrum. An einen selbstständigen Transfer vom Bett in den Rollstuhl war am Anfang überhaupt nicht zu denken. Allerdings konnte dies innerhalb der drei Monate wieder schrittweise vollständig erreicht werden – auch wenn es teilweise sehr schwierig gewesen sei, berichtet der Mediziner. Doch Ladislav Bartes sei enorm engagiert gewesen, was maßgeblich für eine gelingende querschnittspezifische Komplexbehandlung sei, so Dr. Ponfick.

„Aber man muss sich auch eingestehen: Es hätte noch schlimmer kommen können.“Ladislav Bartes

„Das Beispiel zeigt, was mit viel Therapie möglich ist und warum es unabdingbar ist, dass Patienten mit Rückenmarkverletzung in ein spezialisiertes Querschnittzentrum eingeliefert werden.“ Auch die internationale, wissenschaftliche Literatur belege dieses Argument. Patienten, die in einem Querschnittzentrum behandelt würden, seien selbstständiger, hätten eine höhere Wahrscheinlichkeit, wieder arbeiten zu können, und auch eine höhere Lebensqualität.

Inzwischen kann Ladislav Bartes sogar wieder stehen und etwa zehn Meter gehen, auch wenn er sehr viel Unterstützung benötigt. „Hier sind uns von der Natur einfach Grenzen gesetzt, was aber nicht heißt, dass im weiteren Verlauf keine weiteren Verbesserungen auftreten“, sagt Ponfick.

Der 73-jährige Abenberger war in Rummelsberg auch für deutlich jüngere Querschnitt-Patienten ein Vorbild: „Es hat mich berührt, als ein Mitpatient, der vor 16 Jahren eine Rückenmarkverletzung erlitten hat, zu mir in Rummelsberg sagte, ich sei sein Vorbild“, erzählt Bartes, der von einem speziellen Wir-Gefühl im Querschnittzentrum spricht, das sich dort entwickelt habe.

Auch wenn es ihm sichtlich schwer fällt, hat sich Bartes mit seinem Schicksal angefreundet: „Ich habe mein ganzes Leben Sport gemacht, war Volleyball-Trainer in der Bundesliga und habe bis Mai dieses Jahres auch noch Tennis gespielt“. Er sei früher so gut in Form gewesen, dass er zwei Jahre in der Spezialeinheit Delta Force des US-Militärs diente. „Aber man muss sich auch eingestehen: Es hätte noch schlimmer kommen können“, sagt Bartes.

Persönlicher Kontakt zum Arzt

Sein behandelnder Arzt und er haben einen sehr engen Draht zueinander gefunden. So war Bartes der Einzige im Krankenhaus, der wusste, wie Ponficks zweites Kind, das Ende November zur Welt kam, heißen wird. „Das war unser gemeinsames Geheimnis und ein Beleg dafür, dass es hier sehr menschelt. Es wird sich rund um die Uhr um einen gekümmert und die Ärzte nehmen sich sehr viel Zeit.“

Zuhause in Abenberg weiß Bartes gar nicht, was ihn erwartet und mit welchen Gefühlen er das Krankenhaus verlässt. Mit der Querschnittlähmung geht ein häuslicher Umzug einher, den die Angehörigen bereits vollzogen haben, so dass er nun mit seiner Frau neue, rollstuhlgerechte Räume bewohnt. Diese wurden vorab durch Mitarbeiter der Rummelsberger OrthoTechnik, die mit dem Querschnittzentrum zusammenarbeitet, besichtigt, um daheim eine alltagsgerechte Hilfsmittelversorgung zu gewährleisten.

Bartes will wieder als Praxismanager in die Zahnarztpraxis seiner Tochter einsteigen und nebenbei intensiv trainieren. „Wer rastet, der rostet“, sagt Bartes, der auch von einer Reise ans Meer träumt. Doch der 73-Jährige war schon immer ein Kämpfer. „Sicher gab es in der Therapie Höhen und Tiefen – das ist ganz normal. Aber ich habe Herrn Bartes als hochmotivierten Menschen kennen gelernt, was sicher auch dazu beigetragen hat, dass er nun eine große Selbstständigkeit wiedererlangt hat“, glaubt Dr. Ponfick. Jetzt müsse er seinen Alltag meistern – ohne Rundum-Betreuung. „Ich bin mir sicher, dass er die Herausforderung annimmt und es ihm gelingt.“ Für Bartes und die Angehörigen ein dickes Plus: die wohnortnahe Versorgung. Insofern werden sich Arzt und Patient im nächsten Jahr zum jährlichen Check wiedersehen.

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