Verbrechen
Ist Nürnberg eine Mafia-Hochburg?

Neueste Schlagzeilen sagen: Die Mafia macht auch in Bayern riesige Profite – mit Geldwäsche und Drogenhandel.

16.01.2018 | Stand 16.09.2023, 6:13 Uhr

Die Polizei hat 136 italienische Mafiosi in Bayern gezählt. Foto: Gentsch/dpa

Pizzeria hier, Osteria dort: In Nürnberg muss niemand lange suchen, um ein italienisches Restaurant zu finden. Nun waren zuletzt Schlagzeilen zu lesen wie: „Nürnberg ist eine Mafia-Hochburg“. Hintergrund ist eine aktuelle Parlamentsanfrage der grünen Fraktionsvorsitzenden im Bayerischen Landtag, Katharina Schulze. „Besorgniserregende Fakten“ über die Mafia in Bayern habe sie herausgefunden, hat die 33-jährige Innenpolitikerin aus München in einer Pressemitteilung kürzlich geschrieben.

„Ich finde, über die Mafia in Bayern wird zu wenig geredet“, sagt Katharina Schulze gegenüber dem Tagblatt. Die Mafia mache in Bayern mit illegalen Geschäften wie dem Drogenhandel und der Geldwäsche riesige Profite. Das Schadens- und Bedrohungspotenzial der organisierten Kriminalität aus Italien sei hoch. Im Jahr 2016 habe es im Vergleich zum Jahr 2015 einen deutlichen Anstieg der Schadenssumme von rund 61 auf 171 Millionen Euro gegeben, warnt Schulze und fordert die Staatsregierung auf, das Problem stärker in den Blick zu nehmen. Der Freistaat müsse entschiedener gegen Mafia-Hochburgen vorgehen. Neben München und Augsburg sei Nürnberg ein Zentrum der italienischen Mafia.

Über diesen Befund seiner Heimatstadt hat sich Rainer Nachtigall, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft aus Nürnberg, etwas gewundert. „In Nürnberg hat man nicht das Gefühl, in einer Mafia-Hochburg zu leben.“

Laut Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden wohnen derzeit 136 Mafiosi in Bayern. Diese Zahl geht aus der Antwort auf die schriftliche Anfrage der Landtagsabgeordneten hervor. Besonders aktiv sei die kalabrische „Ndrangheta“. In Bayern würden aktuell rund 80 Personen diesem Zweig der italienischen Mafia zugeordnet. In den letzten beiden Jahren habe sich deren Zahl um etwa zehn Prozent erhöht.

„Die Zahlen zeigen, dass es Handlungsbedarf gibt bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität in Bayern“, findet Schulze und kündigt an, demnächst auch mit parlamentarischen Anfragen mehr über die albanische, türkische und russische Mafia in Bayern herausfinden zu wollen. Die bandenmäßig organisierten Bösewichte seien international immer enger vernetzt. Schulze will mit ihrem Vorstoß zur italienischen Mafia nicht ganze Bevölkerungsgruppen stigmatisieren. „Nicht jeder Pizzabäcker ist bei der Mafia“, stellt Schulze klar.

Politisch geht es ihr wohl darum, die Grünen in der Innenpolitik stärker zu positionieren. Neben der Bildungs- ist die Innenpolitik das zentrale Landesthema, mit dem man auch Wahlen gewinnen kann. „Wir wollen die CSU aber nicht rechts überholen“, versichert die grüne Abgeordnete. Panik wolle sie mit ihrer Mafia-Anfrage nicht verbreiten. „Bayern ist schließlich ein sicheres Land“, sagt Schulze.

Rainer Nachtigall von der Polizeigewerkschaft kann der Debatte um die wachsende Mafia-Gefahr und der vermeintlichen Mafia-Hochburg in seiner Heimatstadt trotzdem etwas abgewinnen. „Wir brauchen nicht nur mehr Streifenpolizisten, wir brauchen auch mehr Spezialisten beispielsweise beim Landeskriminalamt.“

Grundsätzlich unternehme der Freistaat derzeit sehr viel, um die Polizei personell zu verstärken. Allerdings würden davon verstärkt die Polizeiinspektionen profitieren. Die Spezialabteilungen hätten häufig das Nachsehen. Nachtigall erklärt sich diese Entwicklung mit Vorgaben der Politik. Die regierende Partei wolle das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger verbessern, indem mehr Polizisten in den Streifendienst entsandt werden.

Das habe den Haken, dass die Zentraleinheiten beispielsweise zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens nicht in gleichem Umfang von den zahlreichen Neueinstellungen bei der Polizei profitierten. Diese Entwicklung könne langfristig negative Folgen haben. Nachtigall: „Die Mafia macht keine Pause, nur weil wir eine Flüchtlingsproblematik haben“.

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