Rettung
Mehr Einsätze, aber weniger Bewerber

Die Integrierten Leitstelle (ILS) in Nürnberg kämpft mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen.

17.11.2017 | Stand 16.09.2023, 6:21 Uhr

Blick über die Schultern der Disponenten in der ILS Nürnberg. Fotos: Pelke_

Kein Tag ohne Blaulicht: In Großstädten wie Nürnberg gehört das Martinshorn zum ständigen Begleiter des Alltags. Koordiniert werden die Einsätze des Rettungsdienstes und der Feuerwehr in der Frankenmetropole von einem modernen Bürogebäude mit Blick auf den Main-Donau-Kanal. Reibungslos läuft der Betrieb in der Integrierten Leitstelle allerdings nicht. Die Disponenten-Branche hat Nachwuchsprobleme. Geeignete Fachkräfte sind offensichtlich schwer in geeigneter Zahl zu finden.

Marc Gistrichovsky schaut konzentriert auf fünf Bildschirme, die vor ihm auf dem Schreibtisch stehen. Mit flinken Augen scannt der 43-jährige Leiter der Integrierten Leitstelle Nürnberg um kurz vor 15 Uhr die Einsatzlage. „Aktuell sind 15 Rettungswagen im Stadtgebiet Nürnberg unterwegs“, sagt Marc Gistrichovsky und erklärt, dass diese Zahl für einen normalen Wochentag nichts ungewöhnliches sei.

Alarmierungen nahmen zu

In den letzten Jahren würden die Alarmierungen aus vielen Gründen zunehmen. „Die Leute werden älter. Menschen, die nicht mobil sind, landen immer häufiger bei uns. Außerdem stellen wir einen Rückgang der ambulanten Versorgung in der Fläche fest. Das führt bundesweit zu mehr Rettungseinsätzen“, sagt Gistrichovsky und fügt hinzu, dass auch leider immer mehr Menschen mit medizinischen Lappalien in der Leitstelle anriefen.

Der Chef der Nürnberger Leitstelle verweist zusätzlich auf das große Gebiet, dass seine Mitarbeiter betreuen müssen. „Wir koordinieren die Notrufe für die Städte Erlangen, Nürnberg, Fürth sowie die Landkreise Erlangen-Höchstadt, Fürth und Nürnberger Land. Damit sind wir eine der größten Leitstellen in Deutschland“, sagt Gistrichovsky. Im Jahr 2010 hätten die mittelfränkischen Kreise über den Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung die Stadt Nürnberg durch ihre Berufsfeuerwehr mit dem Betrieb der Integrierten Leitstelle beauftragt. In einem abgedunkelten Raum in dem Bürogebäude am Nürnberger Hafen hocken seine Mitarbeiter auch an diesem Tag konzentriert vor den Bildschirmen. Die Arbeit der Disponenten werde immer komplexer, sagt Gistrichovsky und erzählt von einem aktuellen Fall. „Neulich konnten wir einer Ehefrau erklären, wie sie ihrem Mann helfen kann, damit der einen Herzstillstand ohne neurologischen Schaden bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes überlebt. Mit dieser Telefonreanimation haben wir derzeit große Erfolge.“ Das sei nur ein Beispiel für die gestiegenen Anforderungen. Gistrichovsky ist sich sicher, dass die Aufgaben und Möglichkeiten der Leitstellen durch die Digitalisierung steigen werden.

Eigentlich könnte in der Leitstelle alles wie am Schnürchen laufen. Wenn nicht die Sorgen um den fehlenden Nachwuchs wären. Über 30 Mitarbeiter könnte allein Gistrichovsky in seiner Leitstelle in Nürnberg bis 2018 einstellen. Dummerweise mangele es an geeigneten Kandidaten. Überstunden haben deshalb auch schon die Mitarbeiter der Nürnberger Leitstelle geschoben.

Zuvor habe er Feuerwehr, Stadtverwaltung und den Zweckverband von der notwendigen Ausweitung der Mitarbeiter-Mannschaft von rund 65 auf 90 Teammitglieder überzeugen müssen, die das Ergebnis eines externen Personalgutachtens sind. Schwierig sei das letztendlich nicht gewesen. Schließlich geht es um die Daseinsvorsorge der Bürger.

Außerdem bekommen der Leitstellenbetreiber den Löwenanteil der Ausgaben erstattet. „Wir werden je nach Arbeitsbelastung gemischt finanziert. Langfristig, so ist sich Gistrichovsky dennoch sicher, müsse sich aber im Hinblick auf die zunehmenden Anforderungen durch die Überalterung und Digitalisierung der Gesellschaft bei den Leitstellen in puncto Nachwuchs etwas tun.

Ausbildung für Disponenten

„Wir wünschen uns, dass eine Ausbildung für Disponent in modernen Leitstellen geschaffen wird.“ Mit einem Ausbildungsberuf könnte man den Nachwuchs direkt an der Schule abholen. „Heute kommen die Mitarbeiter nach einer eineinhalbjährigen Zusatzausbildung von Feuerwehr oder Rettungsdienst zu den Leitstellen.“ Im Klartext heiße das, dass die Leitstellen bei den Kollegen der Feuerwehr und des Rettungsdienstes um Quereinsteiger werben müssten. „Das Berufsbild ändert sich in den nächsten Jahren gewaltig. Wir brauchen hier immer speziellere Fähigkeiten.“