Fortschritt
Arzt will Bernhardswald „behandeln“

Otto Pfranger versucht, die Bürgerbeteiligung zu stärken. Mit der Agenda 2.0 soll der Ort in eine innovative Zukunft starten.

29.09.2016 | Stand 16.09.2023, 6:46 Uhr
Ralf Strasser
Einer der Brennpunkte in Bernhardswald ist derzeit die Verlegung des Wertstoffhofs. −Foto: Fotos: Strasser

Otto Pfranger ist Allgemeinarzt in Bernhardswald, einer, der sich in seiner Praxis um Kranke kümmert, bei kleinen und größeren Wehwehchen. Doch jetzt hat er einen neuen Patienten. Und der ist seiner Meinung nach „reif für eine Behandlung“: Die Gemeinde Bernhardswald. Die Diagnose: Fehlende Gemeindeentwicklung. Das Rezept: Agenda Bernhardswald 2.0. Die behandelnden Ärzte: Die Bürger selber.

„Ich bekomme tagtäglich Stimmungen und Meinungen von Bernhardswaldern mit und vieles läuft auf eine Unzufriedenheit hin“, sagt Pfranger. „Zu wenig Entwicklung, Erneuerung und kaum Projekte für einen Boom, wie in den Nachbargemeinden.“ Dass man gegen „Verdrossenheit“, wie sich Pfranger ausdrückt, etwas tun kann, hat er in Pettendorf gesehen. Dort hatte sich Reinhold Demleitner vor 20 Jahren wohl dieselben Gedanken gemacht. Wie kann man als Bürger einer Gemeinde nicht nur lamentieren, sondern aktiv selbst etwas für eine positive Entwicklung tun?

Die Antwort war dort die Agenda 21. Zwar in erster Linie aus einem Umwelt- und Ökologieaspekt heraus, aber längst hat sich die damalige Leitidee zur nachhaltigen Entwicklung zu einer innovativen Zusammenarbeit mit der Gemeinde entwickelt.

Ideen mit der Gemeinde umsetzen

„Das könnte auch hier in Bernhardswald gelingen“, betont Pfranger. Sein Konzept: Ideen mit den Bürgern in Arbeitskreisen entwickeln und versuchen, diese mit der Gemeinde umzusetzen. Bürgermeister Werner Fischer ist da aufgeschlossen, sieht aber Pfrangers Initiative mit einer guten Portion Skepsis. „Das haben wir schon vor 16 Jahren versucht“, erinnert sich Fischer. Damals wollte man Vereine mit Workshops und Aktionen in die Ortsentwicklung involvieren, „sogar ein eigenes Logo haben wir damals erstellt“. Der Erfolg dieses Versuchs war jedoch überschaubar. „Es hat sich niemand bereiterklärt mitzuwirken.“ Dass seitdem nichts passiert sei, weist Fischer jedoch von sich. „Wir haben einiges auf die Füße gestellt, das zwar nicht unter dem Begriff ‚Agenda‘ lief, aber es gibt genügend Beispiele, wie Gestaltung gelingen kann.“ Auf der „Erfolgsliste“ sieht Fischer etwa die Kinderbetreuung, den Spielhof der Schule, den Abenteuerspielplatz oder den Spielplatz in Lambertsneukirchen. Punkte, die Pfranger nicht weit genug gehen. „Eigentlich sehe ich die Gemeinde in der Bringschuld, aber bei der Entwicklung im Vergleich zu Wenzenbach oder Wald hinkt unsere Gemeinde sehr hinterher.“ Sein Ziel: „Bernhardswald soll auch in zehn und 20 Jahren noch bewohnbar bleiben. Dazu kommen der Schuldenabbau und Projekte mit nachhaltiger Wertschöpfung.“

Noch ist Pfranger ein „Einzelkämpfer“, doch das soll sich ändern. Unter dem Motto: „Fit für die Zukunft – Agenda Bernhardswald 2.0“ lädt er jeden, der sich einbringen will, am 28. Oktober um 19.30 Uhr in die Gaststätte „Zur Hüttn“ ein. „Dort will ich das Projekt näher erklären, ebenfalls wird Reinold Demleitner von seinen Erfahrungen in Pettendorf erzählen.“ Auf seiner To-Do-Liste hat Pfranger natürlich selber seine Vorstellung, etwa die Initiierung von Freizeit- und Sportmöglichkeiten in der Gemeinde oder die Förderung des Fremdenverkehrs.

Auf unterschiedlichen Pfaden

Das hat auch die Gemeinde im Fokus, allerdings scheinen die Wege dorthin auf unterschiedlichen Pfaden zu verlaufen. Setzt Pfranger auf eine Bürgerplattform, kooperiert das Rathaus mit zehn weiteren Gemeinden, die unter dem Logo ARGE Vorwald bereits zusammenarbeiten. „Eine Gemeinschaft, gegründet mit dem Ziel, neue und kreative Wege zu finden, um den Vorwald touristisch und wirtschaftlich auf Augenhöhe zu bringen“, erläutert Lisa Auburger, die in der Gemeindeverwaltung das Projekt der Gemeinden begleitet. „Wir haben uns jetzt an der Integrierten Ländlichen Entwicklung, der ARGE, beteiligt, das insgesamt sieben Handlungsfelder, darunter die Ortsentwicklung, umfasst.“ Der Unterschied: „Wir gehen die Sache regional an, nutzen Synergien und das Wissen und die Erfahrung der Fachstellen.“ „Leider ist dies ein Weg, der nur sehr geringe Übereinstimmung mit meiner geplanten Agenda hat“, bedauert Pfranger. „Mir ist die Mitbestimmung der Bürgerschaft wichtig, und meiner Meinung nach fehlt diese bei dem ILE-Projekt.“ Dass er bei der Vorstellung seiner Idee bei den Bürgermeistern und dem Gemeinderat auf wenig Gegenliebe gestoßen ist, frustriert den Allgemeinarzt. Zwar habe man seitens des Gemeinderats signalisiert, sein Vorhaben zu unterstützen, „doch allein mir fehlt der Glaube“.