Interview
„Bremsen liegt mir halt einfach nicht“

Der frühere Hobby-Rennfahrer und heutige Geschäftsführer des Formel-1-Zulieferers Krontec, Josef Jobst, über Mut zum Risiko

05.11.2016 | Stand 16.09.2023, 6:37 Uhr
Kerstin Hafner

Josef Jobst ist Geschäftsführer des Formel-1-Zulieferers Krontec. Foto: Hafner

Josef Jobst hat Benzin im Blut. Schnelle Autos und Motorräder waren schon immer die Leidenschaft des Regensburgers, der in Obertraubling einen Zulieferbetrieb für diverse Rennserien von Formel 1 bis MotoGP leitet. Der sympathische 48-Jährige kann sich wunderbar selbst auf die Schippe nehmen.

Herr Jobst, viele Einheimische wissen vermutlich gar nicht, dass ein lokales Unternehmen im Landkreis Regensburg für die Formel 1 und andere Rennserien produziert. Was stellt Krontec genau her, für welche Rennserien und mit wievielen Teams arbeiten Sie?

Wir kümmern uns um die hydraulischen und pneumatischen Systeme an Rennfahrzeugen. Das ist von Rennserie zu Rennserie unterschiedlich, umfasst aber im Wesentlichen spezielle Rohr- und Schlauchleitungs- sowie Schnellbetankungssysteme und Wagenhebeanlagen. Zu unseren Kunden gehören zehn von elf Teams der Formel 1 – aktuell haben wir von einem der Top-Teams die Auszeichnung „Zulieferer des Jahres 2016“ erhalten, was uns natürlich sehr stolz macht – sowie nahezu alle Fahrzeughersteller mit eigenen Motorsportabteilungen. Die Rennserien gehen von LeMans Prototypen über Tourenwagen und DTM bis zur Rallye. In der Moto GP betreuen wir hauptsächlich Neueinsteiger wie Aprilia und KTM.

Kennt man als Lieferant die echten Größen der Formel 1?

Leider nicht. Viele meinen, dass wir jedes Wochenende mit Schampus rumspritzen und für jedes Rennen Karten besorgen können. Dem ist nicht so. Wir sind ziemlich weit vom Glamour dieses mondänen Zirkus entfernt, weil wir mit unserer Arbeit immer schon viele Schritte voraus sind. Wir arbeiten mit den jeweiligen Konstruktionsabteilungen an der Auslegung der Systeme. Da haben wir schon Kontakt zu den jeweiligen Abteilungsleitern, aber nicht in das Top-Management oder zu den Fahrern.

Fliegen Sie um die halbe Welt? Rentiert sich Miles&More bei Ihnen?

Miles&More habe ich schon, das liegt aber mehr an den Distanzen als an der Häufigkeit. Den Hauptumsatz erzielen wir zwar in Europa, aber wir arbeiten natürlich weltweit, zum Beispiel in Australien, Japan und den USA. Trotzdem bin ich heute deutlich weniger unterwegs als zu Zeiten des Firmenaufbaus.

Krontec hat einmal den vier Söhnen von Herrmann Kronseder (Krones AG) gehört. Sie sind als Praktikant eingestiegen und haben die Firma später übernommen. Aber mit Gunther Kronseder teilen Sie auch die Leidenschaft für schnelle Autos und Motorräder.

Stimmt, mit Gunther verbindet mich eine lange Freundschaft. Er und ein weiterer Freund haben mir damals auch so viel Geld für die Übernahme von Krontec geliehen, dass die Bank keine Bedenken mehr wegen des Kredits hatte. Ich habe mich gleich im ersten Jahr mit schwarzen Zahlen revanchiert. Wir haben in der Anfangszeit wirklich Klinken putzen müssen bei den Rennställen. Da muss man als Neuling erst mal einen Fuß in die Tür kriegen. Das waren verdammt lange Arbeitstage. Aber wir haben uns gut entwickelt. Heuer verzeichnen wir 30 Prozent Zuwachs, werden zusammen mit unserer Tochter in England rund 18 Millionen Umsatz machen. Wir kommen kaum hinterher, unsere Belegschaft aufzustocken. Gunther ist stolz darauf, wie „sein Baby“ gewachsen ist. Und das freut mich.

Sie sind zusammen auch Rennen gefahren , ganz offensichtlich erfolgreich, wie Ihre Pokalsammlung beweist ...

Bei Krones gab es früher das KRT Rallye Team. Erst habe ich Gunther nur chauffiert, bin selber mit einer Citroen AX Hutschachtel Rennen gefahren und durfte mir Equipment leihen. Ab 1996/97 sind wir dann zusammen auf Porsche Langstreckenrennen und Tourenwagen gefahren. Hockenheim, Spa, Monza ... europaweit.

Hört sich nach wilden Zeiten an.

Naja, die wirklich wilden Dinger sind mir beim Rallyefahren passiert – ohne den Gunther.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel 2011 bei der East African Safari Rallye, 4200 Kilometer in sieben Tagen durch Kenia und Tansania auf Höchstgeschwindigkeit. Wir waren mit einem unterbodenverstärkten, höhergelegten Porsche im Hinterland unterwegs, da haben wir eine Gefahrenstelle falsch eingeschätzt, die im Roadbook markiert war und sind mit 160 km/h in ein ein Meter tiefes Loch gerauscht. Das Fahrwerk ist komplett gebrochen und leider auch ein Brustwirbel meines Beifahrers. Das Verrückte war, dass ziemlich bald ein Dorfvorsteher im Anzug auftauchte und uns auf Englisch Hilfe anbot. Er hat mich in seine Werkstatt mitgenommen und mir seine Schraubensammlung gezeigt. Ich habe mich artig bedankt und ihm gesagt, dass der Wagen damit leider nicht zu retten ist, woraufhin er jemanden organisiert hat, der uns fünf Stunden lang im Schritttempo zurück in die nächste Stadt geschleppt hat. Mein Beifahrer hat die Sache zum Glück auch gut überstanden.

Steigt er noch bei Ihnen ins Auto?

Äh – nein.(grinst)Er hat mir gesagt: Jo, Du bist ein netter Kerl, aber wenn Du einen Helm aufhast, setzt Dein Kopf aus. Und da hat er wohl Recht. Mein Ehrgeiz stand der Vernunft immer ein bisschen im Weg. Ich hätte früher vom Gas gehen sollen, aber bremsen liegt mir halt einfach nicht. Da sind andere schlauer als ich.

Wer denn?

Norman Kronseder, der mehrmals die Paris-Dakar gefahren ist, hat mich zu einem Motorradrennen durch die Türkei mitgenommen und mich gewarnt, dass 4000 Kilometer auf einer Maschine eine ganz andere Nummer sind als mit einem Auto. Ich solle vernünftig fahren und mir meine Kräfte einteilen. Ich war körperlich gut trainiert, habe aber sowohl meine Kraft als auch mein Talent heillos überschätzt. Schon nach fünf Kilometern bin ich geradeaus in einen Wald gebrettert und habe gleich mein gesamtes Tape verbraucht, um alle notwendigen Teile wieder an die KTM zu kleben(lacht). Im Verlauf der Rallye hat es mich so oft zerlegt, dass meine Blutergüsse schon nicht mehr blau, sondern schwarz waren. Letztlich bin ich aber doch ins Ziel gekommen.

Da können wir ja froh sein, dass Sie Ihre wilde Zeit überlebt haben – leicht lädiert, wie ich an den Krücken neben Ihrem Schreibtisch sehe.

Ach, das war nur eine Knie-OP. Eine alte Verletzung, ein Mitbringsel aus der Türkei.

Haben Sie sich auch mal verirrt?

Verirrt? Ich? Ständig. Auf Sardinien musste ich tatsächlich mal einen Notruf absetzen(lacht). Zum Glück haben meine Kinder beim Wandern in den Alpen immer Ihre GPS-gestützten Handys dabei. Früher mussten meine Frau Sabine und ich ihnen die Wanderei immer mit Geocaching schmackhaft machen, heute jagen sie natürlich Pokemon. Im Winter fahren wir gern Ski und im Sommer zum Baden auf ferne Inseln oder Mountainbike. Das Dumme daran ist nur, dass ich nach jeder kalorienzehrenden Bergfahrt immer eine gute Hütte weiß, in der ich mehr esse, als ich verbrannt habe. Für Hütten habe ich einen untrüglichen Spürsinn.

Sie haben drei Kinder im Alter von 9, 11 und 13 Jahren, Marlene, Levi und Luis. Dürfen die auch so wilde Sachen treiben wie der Papa?

Ja. Wir sind keine „Helikopter-Eltern“, die dauernd um ihren Nachwuchs herumschwirren und ihn vor allem beschützen wollen. Kürzlich waren wir mit allen Kindern beim Gleitschirmfliegen und in einem Kletterpark mit einer 90-Meter-Flying Fox. Unsere Kids sind da vollkommen unerschrocken. Luis und Marlene reiten auch Springturniere, wir haben mittlerweile fünf eigene Pferde.

...aber auch zwei Maserati und ein paar andere schnelle Flitzer in der Garage stehen. Lässt Sie der Speed nicht los?

Nein, sicher nicht. Diese Passion ist in meinem Beruf auch notwendig. Aber offengestanden habe ich kaum Zeit, die Autos zu fahren, weil wir zum Beispiel letztes Jahr 34 Wochenenden auf Reitturnieren unterwegs waren. Luis ist im Bayernkader und heuer Bayerischer Vizemeister geworden. Und auch Marlene geht schon Turniere. Uns macht es Spaß, die Kinder dabei zu begleiten.

Offenbar haben die Kinder den Ehrgeiz des Vaters geerbt. Was würden Sie sagen, waren, beziehungsweise sind, Ihre größten Erfolge?

Privat: Meine drei Kinder! Beruflich: Die Bewältigung des Krisenjahres 2009 mit einem positiven Gesamtergebnis trotz 35 Prozent Umsatzeinbruchs durch den plötzlichen Rückzug zweier Formel-1-Teams. Motorsportlich: die Teilnahme an der FIA-GT-Weltmeisterschaft 2000 auf Lamborghini.