Porträt
Wie ein Pferdemetzger zum Ritt kam

Seit 1964 ist Josef Reithmeier aus Regenstauf beim Pfingstritt dabei – und ließ dafür sogar die Geburt seines Sohns sausen.

22.05.2015 | Stand 16.09.2023, 7:03 Uhr
Isabell Dachs
Josef Reithmeier nimmt das Ehrenband für 50-jährige Teilnahme am Pfingstritt entgegen. −Foto: kbd

Für eingefleischte Pfingstreiter aus Kötzting und dem näheren Umland ist es eine Selbstverständlichkeit, jedes Jahr mit nach Steinbühl zu reiten. Bei Teilnehmern, die von weiter her kommen, ist es eher selten, dass sie über mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte dabei sind. Einer, den bereits 1964 das Pfingstfieber gepackt und seitdem nicht mehr losgelassen hat, ist Viehhändler und Pferdemetzger Josef Reithmeier aus Regenstauf. Der christliche Hintergrund und die Tradition begeistern ihn für die Reiterwallfahrt.

Unter 200 Reiter in den 60ern

Reithmeiers Vater, wie auch bereits sein Großvater waren Vieh- und Pferdehändler. Durch die gute Bekanntschaft mit dem Vieh- und Pferdehändler Fritz Plötz aus Kötzting kam die erste Teilnahme am Pfingstritt zustande. Anfang der 60er-Jahre waren die Teilnehmerzahlen mit unter 200Reitern noch vergleichsweise gering, was unter anderem auch an dem stetig schrumpfenden Pferdebestand aufgrund der zunehmenden Motorisierung lag. Fritz Plötz bat darum die Reithmeiers, ihm am Pfingstmontag einige Pferde zu liefern, die er dann an andere Reiter verlieh.

Viele Einheimische kennen den beleibten kleinen Geschäftsmann mit dem Schnurrbart von den Kötztinger Standmärkten. Stets einen lockeren Spruch auf den Lippen, bietet er in seinem Verkaufsstand die Waren aus der hauseigenen Metzgerei an. Auch die Pferdebesitzer schätzen ihn sehr, wenn es um eine Handelschaft geht, oder wenn der geliebte Vierbeiner von seinen Leiden erlöst werden muss. Wie in seinem Beruf nötig, zeichnen ihn Pferde- und Menschenkenntnis gleichermaßen aus. „Man muss für die Bedürfnisse der Menschen ein Gefühl haben“, erklärt er. Auch während unseres Gespräches klingelt alle paar Minuten das Telefon, unsere Unterhaltung reißt dennoch nicht ab. Mit Witz und Charme überbrückt Reitmeier die Unterbrechungen und findet sofort wieder zum Thema zurück.

Während Vater und Großvater mit den Pferden nur handelten und sie zur Schlachtung dann mit der Bahn verschickten, dachte er Mitte der 70er Jahre über andere Möglichkeiten nach. Zu der Zeit war er an den Wochenenden als Turnierreiter unterwegs. In dieser Szene wollte keiner sein Pferd auf eine weite Reise schicken, wenn es seinen letzten Gang gehen sollte. „Was andere können, das kann ich schon lang“, sagte sich Reithmeier und beschloss, Schlachtpferden lange Transportwege zu ersparen und sie selbst zu schlachten.

Die Begeisterung für alles, was mit Pferden zu tun hat, wurde ihm in die Wiege gelegt, die Verbundenheit zum Pfingstritt hat sich entwickelt. „Ich habe keine Ahnung, was an Pfingsten woanders los ist, denn ich war immer in Kötzting“, erzählt er. Als sechzehnjähriger war Reithmeier sogar gezwungen, am Pfingstmontag das Auto, einen Ford 17M, nach Hause zu fahren, da sein Großvater beim Besuch in Kötzting etwas zu tief ins Glas geschaut hatte und die Fahrtüchtigkeit stark eingeschränkt war. Seine Eltern, die mit dem Pferdetransporter hinterher fuhren, leugneten, dass der von dem Jugendlichen gesteuerten 17M zu ihnen gehören würde, nachdem sie in Cham durch einen Verkehrspolizisten angehalten worden waren.

Auf die Frage, wie sich seine Liebhaberei zu Pferden mit seinem Beruf Pferdemetzger vereinbaren lässt, meint Reithmeier: „Ich bin nicht Pferdemetzger, sondern ich bin der Erlöser!“ Wenn er in einem Reitstall ein Tier zum Schlachten abholen muss, dann werde er von den Amazonen oft als der böse Metzger angeschaut. Auf seine Frage, wer denn dem Tier durch das Reiten irreparablen Schaden zugefügt habe, müssen ihm diese dann oft beschämt die Antwort schuldig bleiben. Bei jedem Pferd, den er den Bolzenschuss ansetzt denkt er sich nach eigenem Bekunden: „Jetzt ärgert dich niemand mehr!“

Wieder drei Pferde vorbereitet

Er selbst hatte sich dieses Jahr wieder drei Pferde für den Ritt vorbereitet, eines davon hat er schon wieder verkauft. „Ich habe ein für den Pfingstritt vorgesehenes Pferd einmal schon einen Tag zuvor verkauft“, erzählt er. Damals musste er sich im benachbarten Reitstall ein Pferd ausleihen, damit er in Kötzting dabei sein konnte. Es kam auch schon vor, dass er am Pfingstmontag ein Kaltblut sattelte und dann erst merkte, dass das Pferd noch keinen Reiter kannte.

Als versierter Reiter konnte er die Situation meistern und auf halbem Weg nach Steinbühl war das Tier zugeritten. Eigentlich wollte Reithmeier nach 25 Jahren aufhören. Aber die Teilnahme am Pfingstritt hat ihm immer gefallen und so sind mittlerweile schon 50 Jahre daraus geworden. Er kennt Land und Leute und kommt gerne weiter am Pfingstmontag nach Kötzting. Nun steuert er das nächste Ehrenband für 60 Jahre an.