Natur
Junges Paar zieht es hoch in die Alpen

Carol Freisleben und Felix Meier aus Pielenhofen pachten die Sudetendeutsche Hütte. Sie haben sich einen Traum erfüllt.

14.04.2017 | Stand 16.09.2023, 6:37 Uhr

Die Sudetendeutsche Hütte spiegelt sich im benachbarten Schmelzwasser-See. Im Sommer trocknet der See vollkommen aus. Foto: Werner Friedel

Es ist ein Traum: Einmal Herr über eine Hütte hoch in den Bergen sein, weit ab von der Hektik des Alltags, ganz nah dran an überwältigender Natur. Für Carol Freisleben und Felix Meier geht dieser Traum bald in Erfüllung. Das junge Paar aus Pielenhofen steigt Anfang Juni hinauf zur 2650 Meter hoch gelegenen Sudetendeutschen Hütte in Osttirol, nicht weit vom Großglockner. Bis September bewirtschaften die beiden die Schutzhütte, die Unterschlupf für bis zu 55 Bergsteiger bietet.

Vor kurzem waren sie schon mal oben auf der derzeit noch verlassenen Hütte. „Die Lage ist gigantisch“, schwärmt die 33-Jährige von der fünfstündigen Tour zu ihrem künftigen Domizil. Von der Terrasse der Hütte hatte sie den Großvenediger im Blick, von einer Scharte knapp 200 Meter weiter oben präsentiert sich der Großglockner in seiner ganzen Pracht. „Das ist ein Traum“, erinnert sich Freisleben an diesen Augenblick, der sie darin bestärkte, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Das Laufen aufgegeben

Dass in der Wohnung in Pielenhofen zwei sportliche Menschen leben, die viel in den Bergen unterwegs sind, wird schon an der Haustür klar. Dort steht eine ganze Kollektion von Bergstiefeln – neben zwei Paar Laufschuhen. Davon hat Carol Freisleben in ihrem Leben jede Menge getragen. Bis vor zehn Jahren bestritt sie Rennen, auch eine Reihe von Halbmarathons. Dann machten die Knie nicht mehr mit. Sie verlegte sich aufs Klettern. Schwierigkeitsgrade zwischen 6+ und 7- schafft sie in der Halle. In der freien Natur siegt dagegen meist der Respekt vor dem Fels. Dort liebt sie eher das, was für sie seit frühester Kindheit einen festen Platz in der Familie hat: Bergtouren in den Alpen, vor allem in Berchtesgaden.

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Dort steht das Ingolstädter Haus mitten im Steinernen Meer. Diese Berghütte hatte Carol Freisleben in ihrer Kindheit viele Male besucht und hierher zog es sie vor drei Jahren, als sich die gelernte Bürokauffrau und Pferdewirtin für einen Bruch in ihrem Leben entschied: „Ich hatte die Schnauze voll von Bürostühlen und vom Ställe ausmisten.“ Sie heuerte im Ingolstädter Haus an, weil sie eine Saison auf einer Berghütte arbeiten wollte. Dort oben einen Job zu finden, ist gar nicht so schwer. Wer ist schon dafür zu begeistern, vier Monate lang an sechs Tagen in der Woche auf einer Berghütte zu arbeiten? „Da kannst du nicht schnell mal runtersteigen und woanders hinfahren“, weiß die Pielenhofenerin.

Das schreckt sie jedoch nicht ab – ganz im Gegenteil. Denn als sie im folgenden Winter wieder auf dem Bürostuhl saß, sehnte sie sich schnell zurück in die Berge. Der neue Job im Büro und als Kletterbetreuerin im Kletterzentrum des Regensburger Alpenvereins machte es möglich: Carol Freisleben nahm sich im Sommer unbezahlten Urlaub und fand Arbeit auf der Freiburger Hütte im Gebiet Lech-Zürs. Dort lernte sie den zehn Jahre jüngeren Felix Meier kennen. Der Zimmerer aus Sulzbach-Rosenberg wollte dort einmal etwas anderes ausprobieren – raus aus dem Alltag. Die beiden wurden ein Paar und fassten einen Entschluss: Eine eigene Hütte muss her.

Das erwies sich allerdings als gar nicht so einfach. Doch nach eineinhalb Jahren, vielen Bewerbungen, einer zweimonatigen Trekkingtour im Himalaya sowie einer weiteren Saison in der Erfurter Hütte ist es seit Februar klar: Zumindest in den nächsten drei Sommern bewirtschaften Carol Freisleben und Felix Meier die Sudetendeutsche Hütte, die der DAV-Sektion Schwaben gehört. Die siebthöchste Hütte in den österreichischen Alpen gehört zu den kleineren Unterkünften für Bergsteiger. Zu erreichen ist sie nur zu Fuß – nach vier bis fünf Stunden Gehzeit, je nachdem, welche Route man wählt.

Abgeschiedenheit „entschleunigt“

Die Abgeschiedenheit hat das Paar ganz bewusst gewählt. „Das entschleunigt“, weiß Carol Freisleben. Einen Fernseher gibt es nicht, Radioempfang nur zeitweise. Die einzigen Verbindungen zur Außenwelt sind ein Festnetztelefon und das Internet über Satellit. Dort hinauf zieht es fast nur Bergsteiger. „Die sind ein ganz eigener Schlag von Leuten – das passt“, sagt die Hüttenwirtin in spe.

Das Video von Carol Freisleben zeigt Eindrücke von der Sudetendeutschen Hütte

Allerdings erfordert der Standort beinahe generalstabsmäßige Vorarbeiten und ein Kapital von rund 30 000 Euro, bevor die Hütte am 17. Juni offiziell ihre Pforten öffnet. Denn alles, was die beiden für vier Monate Hüttenbetrieb brauchen, muss mithilfe eines Hubschraubers hinaufgebracht werden. Carol Freisleben rechnet mit zehn Tonnen Material, die in großen Säcken verpackt an einem Seil hängend hinauftransportiert werden. Rund 20 Mal wird der Helikopter dafür hin- und herfliegen müssen.

Fehlen sollte aber nichts. Denn dann müssen die Hüttenwirte hinunter ins Tal, einkaufen, die Waren erst mit der Materialseilbahn eines anderen Almwirts, dann mit einem Traktor und schließlich mit der eigenen kleinen Seilbahn hinaufschaffen. „Das dauert locker zwölf Stunden“, ist Freisleben sicher.