Abenteuer
Mit dem Sportflugzeug übers Eismeer

Pilot Theo Beisch mag es ungewöhnlich. Seine Lieblingsroute führt von den USA über Grönland nach Europa – im Leichtflugzeug.

09.12.2016 | Stand 16.09.2023, 6:36 Uhr
Pilot mit Abenteuerdrang: Theo Beisch auf dem Flugfeld in Kangerlussuaq (Grönland) neben seinem Transportmittel: einer Cirrus SR22 −Foto: Beisch

Am schönsten ist es am frühen Morgen. „Wenn man bei 2000 Fuß aus den Wolken fällt und gerade die Sonne über der Küste Grönlands aufgeht, das ist ein Wahnsinnsanblick.“ Theo Beisch genießt diesen Augenblick aus dem Cockpit einer Cirrus SR22. Der Regensburger ist Privatpilot – und geht gerne auf Tour. Wäre Theo Beisch Skifahrer, würde er abseits der Piste auf Tiefschneehängen cruisen. Denn in die Gegenden, die er mit kleinen Leichtflugzeugen ansteuert, wagen sich die wenigsten Piloten.

Der Regensburger fliegt seit den 90er-Jahren auf der Nordatlantikroute. Von den USA geht es nach Kanada und dort weit hinauf bis zur Hudsonstraße, nicht mehr allzu weit vom Polarkreis entfernt. Dann folgt der Sprung nach Grönland über 820 Kilometer, weiter geht es quer über den Süden Grönlands nach Kulusuk. Die nächste Etappe führt über den Nordatlantik nach Island und von dort nach Wick im Norden Schottlands – alles mit einem viersitzigen, einmotorigen Leichtflugzeug. Für den Weg von Schottland nach Deutschland gibt es dann etliche Varianten.

„Im hohen Norden ist wenig los“

Theo Beisch reizt an dieser Nordatlantikroute nicht nur die grandiose Landschaft, sondern auch die Herausforderung als Pilot. „Die Faszination ist die fliegerische Freiheit. Im hohen Norden ist wenig los in der Luft.“ Voraussetzung ist eine akribische Planung, Sicherheit ist das entscheidende Stichwort bei der Umsetzung. Denn über dem Wasser oder den fast unbesiedelten Regionen Grönlands und Kanadas gibt es für den Piloten kaum Ausweichmöglichkeiten.

In den jüngeren Jahren sei die Fliegerei mit diesen kleinen Flugzeugen deutlich sicherer geworden, sagt Beisch. Die Navigation per Satellit und elektronische Karten mit genauer Umgebungsauflösung spielen dabei ebenso eine Rolle wie wesentlich genaueren Wettervorhersagen, was Wolken, Vereisung, Wind und Landewetter angeht.

Im Fall der Cirrus kommt noch eine Besonderheit hinzu. Sie verfügt über einen Notfallschirm, der Maschine samt Besatzung im Ernstfall relativ sicher nach unten bringt. Relativ, weil die Landung vom Untergrund abhängt: Weite Teile der Nordatlantikroute führen über die offene See, und das Wasser dort ist auch im Hochsommer nur etwa zehn Grad „warm“.

Zum Equipment des 56-Jährigen und eines eventuellen Passagiers gehört deshalb ein knallorangefarbener Sicherheitskombi, der weitgehend wasserdicht ist. Eine selbst aufblasende Rettungsinsel, Ortungsgeräte etc. sind ebenfalls immer an Bord. Geisch hat diese Ausrüstung selbst getestet – in einem Schwimmbecken.

Die Atlantikquerung mit einem Leichtflugzeug hat für Geisch über die Jahre hinweg nichts an Faszination eingebüßt. Der Privatpilot hat sie etwa 15-mal von West nach Ost bewältigt und fünfmal in der Gegenrichtung. Dann dauert es allerdings etwas länger. „Statt vielleicht 20 bis 40 Knoten von hinten kommt der Wind westwärts normalerweise von vorne. Das bedeutet fünf bis zehn Stunden mehr Flugzeit.“ Die West-Ost-Richtung hat auch wirtschaftliche Gründe. Theo Geisch hat diese Tour schon einige Male als Überführungspilot absolviert. Weil der Markt für Leichtflugzeuge in den USA sehr viel größer ist als in Europa und Cirrus ein US-Hersteller ist, ergebe sich immer wieder diese Gelegenheit.

Das Wetter kann viel Zeit kosten

Der Zeitaufwand für die Nordatlantikroute hängt davon ab, wie oft der Pilot einen Zwischenstopp einlegt und ob er sich zwischendurch als normaler „Bodentourist“ versucht. Außerdem kann das Wetter einen Strich durch die Rechnung machen. „Ich hatte bisher immer Glück und musste nur tageweise wegen ungünstiger Flugbedingungen pausieren. Ich kenne aber einen Piloten, der schon eine ganze Woche auf den Weiterflug warten musste.“ Beischs kürzeste Zeit für die West-Ost-Strecke liegt bei zweieinhalb Tagen.

Im „normalen“ Pilotenleben ist der 56-Jährige Mitglied und Schriftführer der Motorfluggruppe Regensburg, die den Flugplatz Oberhub bei Regenstauf betreibt.In dem Verein gibt es etwa 80 fliegende Mitglieder, allerdings nur einen weiteren Piloten, der die Grönlandroute schon selbst geflogen ist. „Den typischen Privatpiloten finden Sie auf dieser Route nicht.“

Es gebe aber auch noch extremere Leute, sagt Beisch. „Ich habe ein Ehepaar kennengelernt, das sich beim Eintritt in den Ruhestand eine Cirrus gekauft hat und damit von USA nach Europa und dann weiter bis nach Australien gereist ist. Die beiden waren, glaube ich, sechs Monate unterwegs.“