Medizin
Regensburg soll eine Druckkammer haben

Die BMW Charity will die Finanzierung des Überdruckgeräts ermöglichen. Das kann das Leben von Rauchgasopfern retten.

21.04.2015 | Stand 16.09.2023, 7:07 Uhr
Heinz Klein
In der Druckkammer im Gewerbepark konnten Patienten während der Behandlung betreut werden. Die neue Kammer im Krankenhaus St. Josef wird „die kleine Lösung“ sein. Hier bleibt der Arzt außen vor. −Foto: MZ-Archiv

Regensburg hatte als bedeutsamer Standort für Spitzenmedizin bereits einmal eine Druckkammer. Dr. Urs Braumandl betrieb das medizinische Großgerät 16 Jahre lang im Gewerbepark. Doch im Dezember letzten Jahres musste der Hyperbar-Mediziner nach langem Ringen um Unterstützung für einen kostendeckenden Betrieb seine Druckkammer für immer schließen. Ein serbisches Unternehmen kaufte die stählerne Röhre, in die Dr. Braumandl vor 16 Jahren rund 1,4 Millionen Mark investiert hatte.

„Wir haben in den letzten drei Jahren sicherlich zehn Menschen das Leben oder zumindest ihre Gliedmaßen gerettet“, sagte damals ein tief enttäuschter Intensivmediziner Dr. Michael Pawlik, der zusammen mit Braumandl Notfall-Patienten in der Kammer behandelt hatte. Beide Ärzte hatten bei Ministerien und Krankenkassen monatelang für den Erhalt der Druckkammer gekämpft – vergeblich.

Lebensrettend bei CO-Vergiftung

Nun wird der Kauf einer Druckkammer ein Projekt sein, das mit Hilfe der BMW-Charity, des Caritas-Verbands und eines weiteren Partners realisiert werden soll. Wenn alles gut geht, könnte die Druckkammer zum 1. Juli im Caritas-Krankenhaus St. Josef in Betrieb gehen, freut sich Dr. Pawlik, Direktor der Klinik für Intensiv- und Notfallmedizin in St. Josef, der als Hyperbar- und Tauchmediziner gemeinsam mit Braumandl gearbeitet hatte.

Die stählerne Röhre im Gewerbepark mutete an wie das Innere eines U-Boots. Hier konnten etliche Patienten gleichzeitig behandelt werden. Die neue Druckkammer in St. Josef wird dagegen die kleine Lösung sein, informierten Dr. Pawlik und Klinikgeschäftsführer Dr. Joachim Ramming. Das rund 250 000 Euro teure Spitzengerät wird eine Einmann-Druckkammer sein, in der nur eine Person Platz findet. Der Arzt kann den Patienten durch die gläserne Ummantelung beobachten, hat aber während der Behandlung keinen direkt Zugriff. Wichtig ist allerdings: Die kleine Kammer wird in 24-Stunden-Bereitschaft betrieben und ist an eine leistungsfähige Intensivstation angebunden, die auch chirurgisch auf universitärem Niveau arbeite, betonte Dr. Ramming.

Lebensrettend kann eine Überdruckkammer vor allem für Rauchgasopfer und Patienten mit einer Kohlenmonoxidvergiftung sein. Klassiker bei solchen Vergiftungsfällen sind in Bädern installierte Gasthermen, wie es sie millionenfach gibt. Bei unvollständigen Verbrennungsprozessen strömt das geruchlose Gas aus, ohne dass die Opfer etwas merken. Rund 4000 solcher Vergiftungsfälle mit 500 Todesopfern gibt es jährlich in Deutschland.

Zweites Anwendungsgebiet von Druckkammern ist die Behandlung lebensbedrohlicher Infektionen. Wo keine Antibiotika mehr ansprechen, da leistet purer Sauerstoff immer noch ganze Arbeit. In einer Druckkammer kommt 20-mal mehr Sauerstoff ins Blut. Jedes Mikrogefäß bekommt einen Mantel aus Sauerstoff, das überleben die Bakterien nicht, der Patient aber umso besser.

„Es bleibt ein Draufzahlgeschäft“

Leben retten kann eine Druckkammer auch bei Tauchunfällen. Die sind zwar selten, aber meistens dramatisch. Erst am Wochenende verunglückte bei Schwandorf ein 49-jähriger Taucher im Murner See. Ein zweiter Taucher barg den Bewusstlosen aus 35 Metern Tiefe. In Ermangelung einer Druckkammer in Regensburg musste der Verunglückte bis Murnau geflogen werden. Das kostete Zeit – die Flugzeit beträgt knapp eine Stunde – und Geld. Die Flugkosten dürften in diesem Fall bei knapp 10 000 Euro liegen, rechnet Dr. Pawlik vor.

Mit 100 bis 150 Druckkammer-Patienten rechnet Dr. Ramming pro Jahr. Und weil auch bei einer kleinen Kammer Hyperbarmedizin eine teure Angelegenheit bleibt, macht sich der Klinik-Geschäftsführer keine Illusionen: „Das wird ein Draufzahlgeschäft bleiben“, sagt Dr. Ramming. Ihm geht es aber auch darum, ein Zeichen für die Region zu setzen und Regensburg als Standort für Spitzenmedizin auch auf diesem Feld im Rennen zu halten.

Für Dr. Pawlik ist die Druckkammer eine Herzensangelegenheit. „Wer trägt eigentlich die medizinische Verantwortung für den Abbau der Kammer?“, hatte der Notfallmediziner immer wieder gefragt. Denn mit dem Wegfall der Regensburger Druckkammer ist im mittleren Bayern eine große Versorgungslücke entstanden. Halle, Wiesbaden und Murnau waren die verbleibenden nächstliegenden Druckkammer-Standorte. „Wir sind ein Pilot-Projekt und dann die einzigen in Bayern, die Tag und Nacht verfügbar sind“, freut sich Prof. Dr. Nerlich, Chef der Unfallchirurgie am Uniklinikum und Leiter des Rettungszentrums Regensburg, der das Projekt heute bei der Pressekonferenz der BMW Charity vorstellen wird. Im Krankenhaus St. Josef werde die Druckkammer bestens angesiedelt sein.