Kinder
24-Stunden-Kita: Die Stadt sagt nein

Die Kommune hat den Bedarf ermittelt. Ergebnis: Das Interesse der Eltern ist zu gering. Mama Nicole Olbrich hält dagegen.

26.10.2016 | Stand 16.09.2023, 6:38 Uhr
Nicole Olbrich mit Tochter Emily. Die 38-Jährige hat das Thema 24-Stunden-Kita in Regensburg angestoßen. −Foto: Archivfoto: Lex

In vielen deutschen Großstädten diskutieren Eltern und Politik über die 24-Stunden-Kita. Vor mehr als einem Jahr hat die junge Mutter Nicole Olbrich diese flexible Betreuung für Kinder bis zu sechs Jahren auch für Regensburg gefordert. Das Hauptargument der 38-Jährigen: Da die Kindertageseinrichtungen spätestens um 18.30 Uhr schließen, seien Alleinerziehende und schichtarbeitende Mütter oft gezwungen, den Job aufzugeben.

Mama Nicole Olbrich sieht Bedarf

Die Stadt untersuchte den Bedarf.Heute wird das Ergebnis im Jugendhilfeausschuss vorgestellt. Laut Beschlussvorschlag ist das Elterninteresse an einer 24-Stunden-Kita oder einer ähnlichen, zeitlich flexibilisierten Einrichtung gering. Neun Kinder werden in „Randzeiten“ betreut, sieben davon nach 17 Uhr sowie zwei nach 17 Uhr und am Wochenende. Diese Nachfrage reicht nach Meinung von Dr. Eleonore Hartl-Grötsch, Leiterin des Amts für Tagesbetreuung von Kindern, nicht aus, um eine 24-Stunden-Kita einzuführen. Gelder, die dafür eingesetzt werden müssten, seien bei der allgemeinen Verbesserung der Kinderbetreuung besser angelegt.

Mama Nicole Olbrich bedauert, dass es wohl so schnell nichts wird mit der 24-Stunden-Kita. „Aus meiner Sicht ist der Bedarf da“, sagt die 38-Jährige. Als unsere Zeitung zum ersten Mal über Olbrichs Vorstoß berichtete, hätten sich zehn interessierte Eltern bei ihr gemeldet: Zum Beispiel Mütter, die im Krankenhaus und Väter, die im BMW-Werk Schichtdienst leisten. Für sich selbst und ihre Tochter Emily (viereinhalb) hat die Alleinerziehende eine Lösung gefunden. Von 8 bis 16 Uhr kann ihre Tochter im Kindergarten bleiben. Wenn Olbrich, die sich als freie Trägerin in der Jugendhilfe selbstständig gemacht hat, länger arbeiten muss, springen ihr Lebensgefährte und die Oma ein. Die Sozialpädagogin weiß: „Das ist ein langer Tag für so ein Kind, aber mir bleibt ja nichts anderes übrig, ich muss arbeiten.“

Nicole Olbrich ist sehr zufrieden mit dem katholischen Kindergarten im Stadtosten, in dem sich Emily wohlfühlt. Eins aber würde sich die junge Mutter wünschen: Dass sie an Tagen, an denen sie erst mittags arbeiten muss, ihre Tochter nach 8.30 Uhr bringen kann. Doch das lehnt der Kindergarten ab. „Ich würde mir mehr Flexibilität wünschen“, betont Olbrich. „In einer 24-Stunden-Kita könnte ich Emily auch später bringen oder holen. Ich müsste nicht immer organisieren.“ In einer flexibilisierten Kindertageseinrichtung kann der Nachwuchs maximal zehn Stunden verbringen, aber eben auch spätabends und am Wochenende.

Die Stadt pocht bei ihrer Ablehnung der 24-Stunden-Kita auf die Befragungsergebnisse. Demnach äußerten sich Eltern, die ihren Nachwuchs in städtischen Kitas untergebracht haben, sehr zufrieden über die Öffnungszeiten. Bei den Krippen sind es mehr als 91 Prozent, bei den Kindergärten fast 86 Prozent. Nur 20 von 636 Eltern, die den Fragebogen ausfüllten, wünschten sich etwas längere Öffnungszeiten.

Die Befragung, die die Stadt jährlich in den 47 Krippen und 65 Kindergärten aller Träger durchführt, hat jedoch zwei Schönheitsfehler: In den Beschlussvorlagen für die heutige Sitzung sind nur die Ergebnisse aus den städtischen Einrichtungen eingeflossen – dabei handelt es sich um drei Krippen und 17 Kindergärten. Ob die Eltern mit den kirchlichen und freien Trägern genauso zufrieden sind?

Dr. Hartl-Grötsch bestätigt auf MZ-Anfrage: „Es ist richtig, dass hier nur die städtischen Daten aus der Elternbefragung mit in die Auswertung eingeflossen sind.“ Die Antwort auf die Frage, warum das so gehandhabt wurde, bleibt sie schuldig.

Außerdem wurden die Eltern zu den Betreuungseinrichtungen ihrer Kinder befragt, nicht aber explizit, ob sie eine 24-Stunden-Kita für nötig halten.

Tagesmütter als Ergänzung

Eltern, die Schicht, am Wochenende oder in den Abendstunden arbeiten, schlägt Amtsleiterin Dr. Eleonore Hartl-Grötsch eine andere Lösung als die hochflexible Kita vor: Sie könnten als Ergänzung die städtische Tagespflege nutzen, also eine Tagesmutter. Das Amt für Tagesbetreuung bemühe sich, einen Platz zu finden, der von der Lage und der zeitlichen Inanspruchnahme her optimal zum Kind passe.

Nicole Olbrich winkt ab. „Bei Tagesmüttern bin ich skeptisch. Das ist eine Privatperson, die ich zunächst nicht kenne.“ Dass die Tagesmütter von der Stadt unter die Lupe genommen werden, reicht ihr nicht. Eine Kita dagegen sei eine öffentliche Einrichtung mit Fachpersonal. „Da habe ich ein besseres Gefühl“, erklärt sie. Die Freien Wähler hatten die Bedarfserhebung beantragt. FW-Stadträtin Kerstin Radler gibt sich zufrieden mit der Auskunft der Stadt, will die 24-Stunden-Kita jedoch „im Auge behalten“.

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