Geschichte
Club der fürstlichen Brauer trinkt fremd

Die Ehemaligen der Brauerei verfolgen den steten Verfall der Marke T&T. Sie treffen sich mittlerweile beim Kneitinger Bier.

04.02.2016 | Stand 16.09.2023, 6:48 Uhr
1986 als dieses Foto entstand, war die Welt bei Thurn und Taxis noch in Ordnung. Techn. Leiter Karl Schädler im Gespräch mit Stammtischgründer Paul Hanske. −Foto: Horst Hanske

Sie sind überm Bier ins Gespräch vertieft: der Böttcher Paul Hanske (geboren 1911) und der Braumeister Karl Schädler (1929), der 191-Meter-Mann. Paul Hanske hat seinem ehemaligen Chef vielleicht gerade erzählt, dass sie in der „Wichs“ immer das frisch gebraute Bier versteckten, wenn der „Lange“ ums Eck kam. Horst Hanske hat diese Situation als Schnappschuss festgehalten.

„Solange ich lebe wird es Thurn und Taxis geben“Gerhard Semmler

Man hätte über die Anekdoten der ehemaligen Mitarbeiter der Brauerei Thurn und Taxis Bücher schreiben können. Wenigstens gibt es Fotos wie dieses. Der Stammtisch hatte einenStar als Hausfotografen, Horst Hanske. Dessen Vater Paul hatte die Rentner-Runde 1981 ins Leben gerufen. Sie ist eine der ältesten Stammtische der Stadt. Der Brauerei-Stammtisch dürfte der einzige seiner Art sein, der nicht mit eigenem Bier anstößt. An den Mitarbeitern liegt’s nicht. Sie sind immer noch stolz auf die Marke, die sich nach und nach aus dem Stadtbild zurückzieht.

35 Jahre fürstlicher Stammtisch

Paul Hanske aus Ratibor war Betriebsratsvorsitzender der fürstlichen Brauerei. In der Fasslmacherei der Brauhaus AG hatte er nach Kriegsende als Böttcher angefangen. Sozial wie er war, nahm er die Beerdigung von Direktor Friedrich zum Anlass. Er bat für den 19. Februar 1981, 16.30 Uhr, zum zünftigen Stammtisch in die Hubertus Höhe. Den Brief unterschrieb er mit „Euer Paul Hanske, fürstlicher Rentner“. Hintergrund: Die Gaststätte war unter Metzgerwirt Springer sein zweites Wohnzimmer. Er hatte von dort nicht weit in die Immelmannstraße 1.

Der Stammtisch der ehemaligen Mitarbeiter der Brauerei Thurn und Taxis gilt heute als Unikat. OB Wolbergs behauptet das. So ein Zusammenhalt sei ihm noch nicht untergekommen. Die Brauerei wurde 1996 stillgelegt, der Stammtisch lebt.

Bierfahrer Franz Auburger sagt, er habe als Chefs fünf Doktoren gehabt. „Schlimmer wia a Krankahaus“ nennt er die ehemalige Brauerei am Galgenberg. Jetzt gibt es keine Titel mehr. Die Treffen an jedem zweiten Donnerstag um 16 Uhr sind ein Vorgeschmack auf den Himmel. Die Leitenden heißen Helmuth (Adam) und Hermann (Reichel). Sie sind mit den Bierfahrern per Du. Alle eint eine gemeinsame Geschichte. Sie reicht bis in die Zeit, als jedes Bier in Regensburg noch seinen Hausgeruch hatte. Helmut von Sperl: „Das eine hat gekellerlt, das andere hat grawelt, vom dritten bekam man Kopfweh.“

Dr. Hermann Reichel holt sich noch heute das fürstliche Helle im Abholmarkt. Thurn und Taxis gibt es ja noch. Er ist stolz auf die Marke: „Wir haben das Pils in Bayern eingeführt und das Weißbier vom Fass.“ Solange er lebe, werde es Thurn und Taxis geben, versichert Gerhard Semmler, T&T-Vertriebschef, Paulanergruppe.

Gloria von Thurn und Taxis hat das Bierkontingent 1995 an Paulaner verkauft – ohne Not, wie viele am Stammtisch sagen. „Erst eine Woche vorher hat man die neue Sudpfanne eingebaut.“ Am Anfang gab es in der Hubertus Höhe noch das Fürstliche. Dann wurde ihnen das Lokal unterm Hintern weg an Kneitinger verkauft. Der T&T-Stammtisch ist in den Dechbettner Hof gewandert .

Im Schweizer Stüberl treffen sich bis zu 27 Männer und Frauen beim Kneitinger. Bier ist immer Thema. Die Herren bringen Fachzeitungen mit. Sie können ja gerade zusehen, wie die einst mächtigste Marke des ganzen Gäus nach und nach aus dem Stadtbild verschwindet. Fürstliche Bierschilder werden abgeschraubt. Das einzige noch lebende Gründungsmitglied, Nanni Schwan, eine Tochter Paul Hanskes, hat ihren Augen nicht getraut, als sie dieser Tage die weißen Flecke an der Fassade des ehemaligen fürstlichen Brauhauses in der Marstallstraße sah. „Fürstliches Brauhaus“ wurde über Nacht übermalt. Es heißt jetzt Brauhaus im Schloss. Der Angerer Schorsch braut zwar noch das Hausbier. Aber am Eingang hängt jetzt ein Schild von Hacker Pschorr.

Damit nicht genug: In seiner Zeitung musste Karl Schädler neulich lesen, dass der Pächter des „Chaplin“ beim Ostentor Thurn und Taxis von der Getränkekarte verbannt hat.Semmler sieht das positiv: „In der Studentenstadt Regensburg müssen wir die Stärke unserer Markenvielfalt ausspielen. Der Biermarkt hat sich extrem geändert.“ Tatsache bleibt: Wiedermal ist’s ein T&T-Schild weniger. Was Schädler besonders schmerzt: Hier stirbt nicht nur sein Bier. Hier vertrocknet Regensburger Biergeschichte.

Tendenziell ein Rückgang

Karl Schädler reicht tief hinein in sie. Er hat noch unter Schricker angefangen, dem Direktor der Brauhaus AG aus der Wurstkuchl-Dynastie. In dieser Aktienbrauerei waren Braustätten wie Jesuiten, Behner, Schmid und Bolland aufgegangen, wie der Aventinus der Regensburger Brauer, Helmut von Sperl, in den Regensburger Studien 2013 dokumentiert hat. 1957 wurde das Brauhaus fürstlich. 50 Immobilien und große Flächen am Galgenberg gingen in fürstlichen Besitz über.

Die Wolfgangsfigur vom Brauereibrunnen des Jesuiten am Peterstor verstaubt im Aufgang zum fürstlichen Archiv am Emmeramsplatz. Er ist der steinerner Zeuge der Brauherrlichkeit vom Galgenberg.

Einem Menschen wie Braumeister Karl Schädler, der zwar in Kempten geboren, aber fürs Fürstliche gelebt hat und gestorben ist, tut der Niedergang weh. „Es scheint, dass der Name Thurn und Taxis nicht mehr der Zündfunke ist“, formuliert der 86-Jährige vorsichtig. Sein gleichaltriger Marketingchef Dr. Reichel bestätigt: „Wir haben zwar keine Zahlen mehr, aber tendenziell ist ein Rückgang festzustellen.“

Nanni Schwan hat die Bilder. Drei Alben hat die Schriftführerin für den Stammtisch angelegt. Die Fotos von Ausflügen und Stammtischen dokumentieren, wie die erloschene Fackel einer Brauerei in den Menschen, die für sie arbeiteten, weiterbrennen kann.Ihr Vater Paul hat besonders den Dankesbrief von Fürst Johannes für die Glückwünsche des Renterstammtisches zu seinem 60. Geburtstag in Ehren gehalten.Stolz zeigt Nanni Schwan den Briefkopf mit dem geprägten Fürstenhut. „Ich sehe darin eine Bestätigung der Verbundenheit“, schrieb der Fürst. Er ließ seinen Johannes über die ganze Breite des Din-A-4-Blattes laufen. Der Fürst hatte, solang er lebte, guten Kontakt zu seinem Bier.