Menschen
Ex-Kommissar klagt: „Keiner hat Respekt“

Der ehemalige Regensburger Chef-Fahnder Edi Ipfelkofer über sein Leben als Polizist und die Verrohung der Gesellschaft

17.01.2018 | Stand 16.09.2023, 6:13 Uhr
Helmut Wanner

„Nacht der Gewalt gegen die Polizei“: Kriminalhauptkommissar Eduard Ipfelkofer mit der Seite 1 des Lokalteils der Mittelbayerischen ZeitungFoto: Wanner

„Menschen, die ihre Arbeit tun“

Das Dorf Teuerting bei Abensberg, in dem er geboren ist, nennen die Einheimischen „Tating“. Ipfelkofer stammt aus dem Anwesen direkt am Friedhof. Am Kriegerdenkmal kann er den Namen seines Vaters und seines Großvaters lesen. Edi ist Kriegswaise. Er braut einen starken Kaffee, überfliegt die Geschichte über seine Kollegen und sagt: „Für mich hat das alles schon damals angefangen. Anfang der 80er-Jahre in Wackersdorf.“

Edi Ipfelkofer arbeitete als Chef der Aufklärung. Er war mit am längsten dort, kommt auf sechs Einsatzjahre im Taxöldener Forst. „1983 haben sie mich erstmals hingeschickt. Wir haben Transformatorenhäuschen observiert. Ich sagte zu meinem damaligen Chef: Außer Hasen und Füchsen siehst nix dahinten. Da ist er mit der Wahrheit rausgerückt.“

Ipfelkofer war jeden Tag draußen. „Was da Geld versenkt wurde. Unvorstellbar.“ 30 Jahre nach dem „WAAhnsinn“ wolle auch bei der Polizei keiner mehr etwas hören von der WAA, wo Tausende seiner Kollegen ihr Leben riskiert haben.

Einer von seinen Leuten, Johann Hirschinger, hat es am 23. September 1986 verloren. Dieses Datum ist in seine Erinnerung eingebrannt, weil er sich „indirekt schuldig“ fühlt. „Ich habe den Befehl gegeben.“ Drei Mitglieder des Schwarzen Blocks aus Coburg hatten am 7. September gegen 17 Uhr den tieffliegenden Aufklärungshubschrauber mit Steinen beworfen. Ipfelkofer hatte sie identifiziert und gab den Befehl: „Hans, die holst du dir.“ Doch „die Störer“ hatten sich im Unterholz verkrochen. Die Lage war gespannt, die Beamten befanden sich mitten im Geschehen und zogen sich zurück. Beim Steigflug passierte das Unglück. Der Hubschrauber wurde am Bahndamm von einem Triebwagen erfasst. 10 Zentimeter an Höhe hatten gefehlt. Der Hubschrauber stürzte ab und verbrannte. „Das werde ich nie vergessen. Der Landrat und 150 Demonstranten standen am Bahndamm und schauten zu, wie wir die Opfer bargen.“ Fünf waren im Hubschrauber. Dem Pilot und dem Co-Pilot passierte nichts. Heinrich Urlinger war schwer verletzt. Ein Kollege stand unter Schock. Hans Hirschinger wurde nach Murnau geflogen. Er starb Tage später. Ipfelkofer: „Zehn Minuten vorher war Hirschinger zugestiegen und ich war ausgestiegen.“ Der Kollege hatte Ipfelkofers Platz eingenommen.

Dieses tödliche Szenario hatte Ipfelkofers Mutter im Kopf, als sie ihrem Buben verbot, zur Polizei zu gehen. Mit Uniformen war die Kriegerwitwe durch. Doch Edi Ipfelkofer wollte unbedingt zur Polizei. Schon in der Schule hatte er den Wunsch. Nach der Schule hat er seine Stelle bei der BayWa gekündigt und sich am 4. März 1959 heimlich in den Zug gesetzt. Er war der 13. von 25 Bewerbern, die bei der zweitägigen Einstellungsprüfung in der RT-Halle genommen wurden. 250 waren angetreten. Als Edi Ipfelkofer nach Hause kam, stand seine Mutter schon in der Tür des Bauernhauses: „Wo kommst‘ n du jetzt her…?“ Eine Woche war Stummfilm.

Einmal Polizist, immer Polizist. Edi Ipfelkofer sagt: „Ich würde wieder zur Polizei und wieder Fahnder. Die Fahndung ist ein Knochenjob. Du bist Tag und Nacht unterwegs. Du hast zwar neue Autos, kannst Prominente schützen, aber du weißt nie, wann du ausrückst, wann du heimkommst und ob du überhaupt wieder heimkommst.“

„Wo das hinführt, weiß Gott“

Die Jahre haben in Deutschland viel verändert. „Damals bist du als Polizist anders angeschaut worden“, sinniert Ipfelkofer. „Mit Wehmut denkt er an die frühen Jahre, als alles war wie bei der Vorabendserie „Funkstreife Isar 12“. Dort zeigten ja selbst die Verbrecher Herz und Reue. Kürzlich hat Ipfelkofer einen alten Kunden im Bus getroffen. Die Kundschaft hat ihn freundschaftlich begrüßt: „Ja, Edi, was machst denn du im Bus?“

Von diesem gegenseitigen Respekt sei man nun gänzlich abgekommen. Ipfelkofer macht die Verrohung der Gesellschaft fassungslos. „Wo das hinführt, weiß der liebe Gott.“

Weitere Nachrichten aus Regensburg lesen Sie hier.

Aktuelles aus der Region und der Welt gibt es über WhatsApp direkt auf das Smartphone:www.mittelbayerische.de/whatsapp