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Koch-Rebell sucht Platz für seine Tafel

Christoph Hauser hat eine Küche in ein Inlokal verwandelt. Jetzt hört er auf. Der 42-Jährige über Umzug, Tattoos, WhatsApp.

02.03.2017 | Stand 16.09.2023, 6:32 Uhr
Christoph Hauser muss samt seiner langen Tafel umziehen. Zuvor legt er eine kreative Pause ein. −Foto: altrofoto.de

Zwei junge Mitarbeiter bringen Christoph Hausers Küche am Obermünsterplatz auf Hochglanz. Sie wischen, spülen die Gewürzgläser und lauschen amüsiert dem Gespräch. Hauser stützt sich auf den langen Küchentisch, an dem sich fast jeden Mittag Gäste für ein Überraschungsmenü einfinden, und erzählt. Der 42-Jährige mit Hipster-Bart sprüht vor Ideen. Zurzeit sucht er neue Räume für sein Küchenlokal, das er Ende Mai schließen muss, weil das Gebäude saniert wird. Hauser liebäugelt mit dem Stadtosten. Das Welterbe ist zu teuer.

Was sind das für Schriftzüge auf Ihren Armen?

Der linke Arm wird gerade voll. „From far away across the world it smells like good food to eat“ heißt der Schriftzug. Er stammt aus dem Kinderbuch „Wo die wilden Kerle wohnen“ von Maurice Sendak. Hauptfigur Max kommt nach langer Abwesenheit heim und die Suppe ist noch warm. Am rechten Arm trage ich einen Spruch von Gandhi: „First day they ignore you, then they laugh at you, then they fight you, then you win.“ Für mich bedeutet das so viel wie: Glück lässt sich nicht erzwingen, aber es mag hartnäckige Menschen. Zu meinem „Küchentisch“ haben viele anfangs gesagt: „Das geht nicht, die Leute wollen bestellen.“ Meine Antwort lautet: „Eine nachhaltige Küche ohne Reste ist nur ohne Speisekarte möglich.“

Sie tischen allen dasselbe auf und feiern damit große Erfolge.

Wenn Gastronomie irgendetwas sein kann, dann ist es Gastfreundschaft. Deshalb der lange Tisch und Platten, und jeder nimmt sich das, was ihm schmeckt. Wir bewirten in der Woche 80 Leute. Seit November 2015 waren es etwa 20 000.

Von „Hausers Küchentisch“ profitieren Ihre Nachbarn, weil oft etwas übrig bleibt.

Ja, dann kochen wir am Unteren Wöhrd zusammen. Bescheid gebe ich über unsere WhatsApp-Gruppe. Wir helfen uns immer aus nach dem Motto: Hast du ein Packerl Zucker? Kann ich dein Auto haben? Wisst ihr, wo meine Tochter ist?

Anwohnern am Unteren Wöhrd gehen die Touristenscharen auf die Nerven.

Die sind eher auf der anderen Donauseite. Aber Regensburg muss schon aufpassen, dass es nicht zur Disneyworld wird.

Wer isst an „Hausers Küchentisch“, wer nutzt Ihre Küche für Veranstaltungen?

Von der Versicherungsagentur, die ihre Vertreter hier schult, über den Kinderkochkurs bis zum Soulkitchen, bei dem eine Liveband unterhält und wir Fingerfood servieren.

Auf Ihrem Weg in die Selbstständigkeit haben Sie jahrelang wenig verdient. Wer hat die Familie finanziert?

Ich habe ganz klein angefangen und bei beiden Kindern Erziehungszeit genommen. Weil meine Frau einen sicheren Job als Bildungsreferentin bei der Kirche hat, konnte ich mir aussuchen, was ich mache – ein Luxus. Als Koch habe ich von Anfang an beides gemacht, Catering und Kurse.

Kennen Sie Tricks, um Kindern eine gesunde Ernährung nahezubringen?

Gestern habe ich erst mit zwölf Kindern Fingernudeln gerollt, Schokobrownies mit Holunderblütenmus gebacken und Zitronenlimonade hergestellt. Es ist wichtig, dass sie sehen, es ist viel Zucker in der Limo drin. Dann können sie selbst entscheiden, ob sie das wollen. „Das ist gesund“, sage ich nie. Ich gehe unverkrampft mit dem Essen um. Wenn man einen Apfel oder eine Karotte schön herschnitzt, essen sie sie dreimal so gern. Wenn es Gemüse sein soll und in Smoothie-form leichter geht – warum nicht? Aber: Selber machen! Selbst Gemachtes besitzt Wert. Die Kinder sind stolz

darauf. Sie kippen es nicht runter, sondern schmecken dem nach.

Sie halten viel von Slow Food, beziehen Ihre Produkte von regionalen Gemüsebauern und Metzgern, nicht nur in der Fastenzeit. Ein Fasten-Tipp für unsere Leser?

Strichcode-Fasten ist total spannend. Das heißt, so konsumieren, dass ich keine Lebensmittel mit Strichcode kaufe, also nicht im Supermarkt, sondern am Markt und beim Bauern. Slow-Food-Verfechtern wird immer vorgeworfen, sie seien elitär, die Toskanafraktion, die Besserverdienenden. Aber das stimmt nicht. Selbst eine Kartoffelsuppe zu kochen, ist immer günstiger, als hochverarbeitete Produkte zu kaufen. Zum Argument, eine Bergbauernbutter für vier Euro könne sich keiner leisten, sage ich: Doch, ich brauche nämlich keine zwei Scheiben Käse mehr obendrauf, weil ein gutes Brot und eine gute Butter ausreichen.

Worauf sollten Verbraucher achten?

Ein wichtiges Kriterium für mich: Durch wie viele Hände ist das Lebensmittel gegangen? Das ist kein Hipster-Thema. Alle haben Sehnsucht nach „einfach, gut, transparent“. Es geht um den respektvollen Umgang mit sich selbst und dem Umfeld, um den Wert von Lebensmitteln. Essen ist eine politische Handlung, der Konsum macht etwas mit der Welt.

Die Zahl der Vegetarier und Veganer wächst. Wie halten Sie es mit Fleisch?

Fleisch ist ein Luxusprodukt und ich esse es nur zu besonderen Anlässen, am Feiertag und wenn Gäste kommen. Der afghanische Ziegenhirte schlachtet sein Tier nur für die Hochzeit seiner Tochter. Die Basis zum Sattwerden sollten Kohlenhydrate und Gemüse sein. Jeder Tag kann Veggie-Day sein.

Wie sollen es Berufstätige schaffen, abends noch im Hofladen einzukaufen?

Berufstätige sind keine schlechteren Menschen, weil sie es nicht schaffen, am Mittwochabend noch eine Gemüsebrühe anzusetzen. Wir wollen Convenience-Produkte für Endkunden herstellen, also vorbearbeitete Lebensmittel, damit der Kunde nicht alles selbst machen muss. Wenn wir Semmelknödel gekocht haben, wecken wir die ein. Wir testen das noch.

OB Wolbergs ist aus der U-Haft entlassen worden. Wie sehen Sie die Affäre?

Das ist eine menschliche und eine politische Tragödie. Ich kenne ihn seit der Schulzeit und war viele Jahre in der SPD aktiv. Ich habe für Wolli Wahlkampf gemacht. Mein Kochschulbus war mit seinen Wahlplakaten zugeklebt. Dazu stehe ich.Wolbergs hat bis zum Beginn der Ermittlungendie Stimmung in der Stadt verändert. Es ist viel passiert, im sozialen Bereich und bei der Aufnahme der Flüchtlinge. Der Skandal ist so eine Christian-Wulff-Nummer. Wir brauchen eine vollständige Aufklärung. Moralisch bewerten kann ich das erst, wenn Fakten auf dem Tisch liegen. Aber für eine Rückkehr ins Amt sehe ich keine Vertrauensbasis. Für mich als SPDler war aber schon die Grenze des Erträglichen erreicht, als die Bundes-SPD für das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP gestimmt und Bundeskanzlerin Merkels Wende in der Flüchtlingspolitik unterstützt hat. Ich kann mich nicht für ein anderes Ernährungssystem einsetzen und zugleich für eine Partei, die mit TTIP Politik für Großkonzerne fördert. Und es darf nicht sein, dass weiterhin Flüchtlinge im Meer ertrinken.

„Reden über Gott und die Welt“: In ihrer Serie spricht MZ-Autorin Marion Koller mit Menschen aus allen Gesellschaftsbereichen über aktuelle oder persönliche Themen.Hier lesen Sie weitere Interviews.

Wohin verreisen Sie mit der Familie? In Genussregionen wie das Piemont?

Ich fahre gerne nach Großbritannien. Dort kenne ich eine Slow-Food-Kollegin. Fish and Chips kann toll sein. Aber wir nehmen sowieso eine Ferienwohnung mit Kühlschrank und zwei Herdplatten. Das brauche ich.

Sie absolvieren eine Coaching-Ausbildung.

Ja, weil klassisches Catering mit Beratung zu tun hat. Ich will mich professionalisieren, besser werden. Ich plane eine Koch-Akademie, keinen Gießkannenkochkurs für alle, trotz unterschiedlichen Niveaus.

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