Streit
Riesenärger im Hochhaus

Die Stadt will in der Altmühlstraße den Brandschutz teuer nachrüsten. Hunderte Bewohner fürchten hohe Geldforderungen.

16.12.2017 | Stand 16.09.2023, 6:16 Uhr

Wird der achte Stock der fünf Hochhäuser im Stadtnorden bei einem Feuer zur Todesfalle? Die Bewohner können sich das nicht vorstellen. Schließlich sei 50 Jahre lang alles gut gegangen. Foto: Lex

Christiane Bauer ist verzweifelt. Die 55-Jährige und ihr Mann haben die Vier-Zimmer-Wohnung in der Altmühlstraße 12 endlich abbezahlt. Nun will das Bauordnungsamt den Brandschutz in dem Hochhaus und den vier Schwestergebäuden nachrüsten. „Ich war nie im Urlaub. Jetzt dürfen wir wieder zahlen“, klagt die Mutter von vier Kindern. „Dabei haben wir gekauft, um im Alter versorgt zu sein.“ Kosten bis zu 20 000 Euro könnten auf jede der 216 Parteien zukommen, mehrere hundert Regensburger sind betroffen.

Hintergrund ist das verheerende Feuer im 23-stöckigenLondoner Grenfell Towervom Juni 2017, bei dem 79 Menschen starben. Ein Unglück wie dieses will die Stadt Regensburg verhindern.

Da die Drehleiter der Berufsfeuerwehr die obersten Etagen der achtstöckigen Hochhäuser nicht erreicht, sieht das Bauordnungsamt ein Sicherheitsrisiko. Der zweite Fluchtweg fehlt. Die Fachleute befürchten, dass Bewohner der obersten Etage bei einem Feuer verbrennen oder im Rauch ersticken. Die Stadt hat vor, die Anfahrtsrampen für die Feuerwehr um rund eineinhalb Meter zu erhöhen, damit mit der Drehleiter auch die achten Stockwerke evakuiert werden können.

„Alle Vorschläge sind teuer“

Kurt Rudner, Vorstandsmitglied der Baugenossenschaft der Wohnungseigentümer eG, die die Hochhäuser Altmühlstraße 8 und 10 verwaltet, sieht das Vorhaben der Stadt kritisch. „Die Häuser sind 50 Jahre alt und jetzt kommt man und sagt, das geht so nicht.“ Pro Wohnung werde das bis zu 20 000 Euro kosten“, bestätigt Rudner. Allein für die Hochhäuser 8 und 10 wurde eine Gesamtsumme von rund 1,2 Millionen Euro veranschlagt. Außerdem seien hohe Anfahrtsrampen vor den Gebäuden ausgesprochen hässlich. Diskutiert wurden auch die Installation einer Fluchttreppe oder der Einbau einer Sprinkleranlage. „Alle Vorschläge sind teuer“, sagt Vorstandsmitglied Rudner.

Nach Meinung der Stadt gebe es nur eine Alternative zum Umbau: Die Schließung des obersten Geschosses, sagen Bewohner der Mittelbayerischen. Termine beim Bauordnungsamt haben nicht gefruchtet. Die starren Fronten sind geblieben. Christiane Bauer sagt: „Die Stadt lässt uns keine Wahl, sie setzt uns das Messer auf die Brust.“ Sogar ein Fahrzeug mit leistungsstärkerer Drehleiter haben die Hochhausbewohner der Berufsfeuerwehr angeboten. Das wäre billiger gekommen als die Brandschutzumbauten, wurde jedoch aus rechtlichen Gründen abgelehnt.

Christiane Bauers Nachbar Helmut Martan, Verwaltungsbeirat im Haus Nummer 12, sagt, das Bauordnungsamt berufe sich auf die rechtlichen Vorschriften. Er versteht jedoch genau wie Kurt Rudner nicht, warum der Brandschutz 50 Jahre lang ausreichte – „und jetzt ist vieles ist plötzlich nicht mehr tragbar“. Die Wohnungseigentümer von Nummer 12 warten erst einmal ab, weil in ihrem Fall die Untersuchung durch einen Ingenieur noch nicht abgeschlossen ist.

Kein Verkauf von Wohnungen

Die Eigentümer von 8 und 10 dagegen haben den Fachanwalt Dr. Thomas Troidl beauftragt. Ihr Ziel: Sie möchten eine finanziell leichter zu stemmende Lösung erreichen. Der Jurist stellt fest: „Sicherheit geht natürlich vor.“ Das zeige der Grenfell Tower, bei dem die Dämmung entzündlich war. In der Altmühlstraße geht es jedoch um die Sicherung der Rettungswege. Die Londoner Katastrophe sensibilisiert. „Aber unser Brandschutz ist ganz anders als der in England.“

Der städtische Pressesprecher Rolf Thym bestätigt die Brandschutzprobleme in den fünf Hochhäusern, auf Details geht er nicht ein. Die Stadt habe mehrere Termine mit der Hausverwaltung, dem Brandschutzgutachter, der Feuerwehr und Eigentümervertretern anberaumt. „Es gibt ein Brandschutzkonzept, das die Probleme beheben würde, aber natürlich Geld kostet.“ Eine Summe könne noch nicht genannt werden. Die Stadt bleibe mit der Hausverwaltung in Kontakt.

Die Bewohner ärgern sich und haben Angst vor hohen Rechnungen. Besonders aber leidet eine junge Familie unter der Situation. Sie hat gebaut und möchte deshalb die Wohnung in der Altmühlstraße verkaufen. Doch solange das Brandschutzproblem ungeklärt bleibt, gilt ein Verkaufsstopp.

In der Klemme sitzen auch Rentner, die zwar ihre vier Wände finanziert, aber kein Geld auf die hohe Kante gelegt haben. Mit den Altersbezügen können sie schwerlich 20 000 Euro abstottern. „Ich habe eine Stinkwut“, sagt eine Dame aus Haus 8.