Wer darf in den Turm: Akten oder der Wirt vom Sauseneck?

10.10.2007 | Stand 10.10.2007, 18:20 Uhr

„Ja was soll man denn da bloß tun?“, sagt der Wirt vom Sauseneck und lächelt ratlos in die Kamera. Er sitzt in seiner winzigen Küche in dem 700 Jahre alten Anatomieturm und würde sich gerne ratlos am Kopf kratzen, was aber nicht geht, weil er einen Hut auf hat. Eigentlich trägt Dieter Fritz in seiner eigenen Kuchl keinen Hut, aber heute hat sich der Sauseneck-Wirt ein bisserl schick gemacht fürs Fernsehen.

Der BR filmt ihn in seiner Kuchl sitzend, weil er da eigentlich gar nicht mehr sitzen dürfte. Dieter Fritz soll nämlich raus aus dem winzigen Turm, damit Akten des Landesamts für Denkmalschutz hinein können. Denn der Anatomieturm gehört zur Königlichen Villa, in der sich seit zwei Jahren das Landesamt für Denkmalschutz eingerichtet hat. Und weil die Denkmalschützer keinen Platz mehr für ihre Akten haben, ließen sie dem Sauseneck-Wirt über das neue Immobilienunternehmen Freistaat Bayern die Kündigung schicken.

Doch der 77-Jährige ist nicht gegangen. Er verteidigte seinen geliebten Turm, den er seit 36 Jahren gemietet hat, sogar gegen den Freistaat Bayern. Daraufhin ließ ihm der im April die Räumungsklage zustellen.

„I hab’ koa’ Protektion net, i hab’ koan Titel, i bin koa Beamter, bloß a einfacher Zivilist – und die andern sitzen am länger’n Hebel“, sagt Dieter Fritz ins Abendschau-Mikrofon. Trotzdem will er seinen Turm, für den er 75 Euro Miete im Monat zahlt, verteidigen und hat sich einen Anwalt genommen. Der findet die Argumentation des Freistaats, der Eigenbedarf angemeldet hat, ein wenig seltsam. „Die werden hier doch keine Dienstwohnung einrichten wollen“, wundert sich Dr. Gero Kollmer. Der Turm aus dem 14. Jahrhundert, einst „theatrum anatonicum“ der Regensburger Ärzte und später Pulverturm der Stadt, ist eiskalt, verfügt nur über ein Plumpsklo und bietet auf vier Ebenen insgesamt 47,4 Quadratmeter Nutzfläche.

Vor Gericht argumentierte das Unternehmen Immobilien Freistaat Bayern, Dieter Fritz wohne gar nicht im Turm. Nicht immer, aber oft, hält Fritz dagegen, der im Erdgeschoss und im Dachgeschoss seine ausufernde Sammlung von Kruzifixen, Madonnenbildern, Kerzenständern, Heiligenfiguren und allem, was irgendwie alt ist, untergebracht hat. In den zwei Geschossen dazwischen hat der Sauseneck-Wirt eine Küche eingerichtet und eine Bettstatt aufgestellt.

Dieter Fritz findet es „unmenschlich“, das man ihn aus seinem Turm hinausklagen will. „Der Turm, das ist sein Leben“, sagt seine Freundin Helga Fitter und befürchtet für den Fall, dass ihr Jörg da raus müsste, Schlimmes: „Dann könnts ihn bald begraben.“ In München sieht man den Fall anders. Weil Dieter Fritz ja gar nicht richtig in dem Turm wohne, würde er nach der Räumung auch gar nicht auf der Straße stehen, sagte Helmut Gropper, der Geschäftsführer des Immobilien-Unternehmens, der BR-Redakteurin Christine Schlech. Hoppe will also hart bleiben. Fritz auch. Somit hat der Richter das letzte Wort.

Das Bayerische Fernsehen macht den Kampf um den Anatomieturm zum Thema in der heutigen Abendschau, die zwischen 17.35 und 18.45 Uhr im Dritten Programm ausgestrahlt wird.