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Die Lehrer müssen viel wegstecken

Jeder fünfte Pädagoge wurde schon Opfer von Gewalt. Der Ton in den Schulen wird rauer, sagen Regensburger Schulleiter.

18.11.2016 | Stand 16.09.2023, 6:41 Uhr
Schimpfen, drohen, prügeln: Schüler teilen nicht nur untereinander aus. Sie attackieren auch Lehrer. −Foto: imago

Lehrer sehen sich zunehmend als Opfer von Schülergewalt. Ein Amokalarm an der Albert-Schweitzer-Realschule entpuppte sich am Donnerstag glücklicherweise als Fehlmeldung. Erst im Oktober hatte ein 17-Jähriger an der Otto-Schwerdt-Mittelschule Lehrer mit einer Waffe bedroht. Solche Zwischenfälle sind natürlich die schlimmsten Ausformungen der Gewalt gegen Pädagogen. Erstmals wurde in dieser Woche nun eine Forsa-Studie veröffentlicht, die nicht nur Bedrohungslagen sondern alle Formen der Gewalt gegen Lehrer betrachtet. Die Regensburger Schulleiter können das Ergebnis nur bedingt nachvollziehen.

Schimpfen, drohen, prügeln: Jeder fünfte bayerische Lehrer wurde laut der Studie, an der 2000 Lehrer teilnahmen,schon einmal Opfer körperlicher oder psychischer Gewalt. Vier Prozent der Lehrer gaben an, dass sie auf ihrer Arbeit schon körperlich angegriffen wurden. Hochgerechnet seien damit rund 3800 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen im Freistaat bereits Opfer von tätlicher Gewalt geworden,teilte der Bayerische Lehrerverband BLLV mit.

„Der Ton ist sicher etwas rauer geworden“Elisabeta Bauer, stellvertretende Schulleiterin des Goethe-Gymnasiums

„Der Ton ist sicher etwas rauer geworden“, sagt Elisabeta Bauer, stellvertretende Schulleiterin des Goethe-Gymnasiums. Eine fundierte Aussage zu dem Thema sei aber schwierig. „Meiner Einschätzung nach ist das Problem an den Gymnasien noch nicht so eklatant.“ Die Konflikte mit den Eltern hätten aber in den vergangenen Jahren zugenommen, weil viele Probleme auf die Lehrer projiziert würden. „Die Lehrer melden sicher nicht alles bei der Schulleitung. Sie werden meist erst vorstellig, wenn es zu einem offenen Streit kommt. Aussagen, die bei einem Elternabend oder in der Sprechstunde fallen, versuchen viele auch einfach wegzustecken.“

Durch Burgweinting wachgerüttelt

DerPolizeieinsatz an der Otto-Schwerdt-Schuleist Rita Schmid, Schulleiterin der Gerhardinger-Grundschule, noch deutlich präsent. „Ich denke, dass wir in diesem Bereich schon sehr sensibel sind. Der Fall in Burgweinting hat uns aber noch einmal wachgerüttelt – uns klargemacht, dass so etwas auch bei uns passiert.“ Sie habe daraufhin alle Lehrkräfte noch einmal angewiesen, besonders genau darauf zu achten, Türen wirklich zu schließen. Um nicht Ängste bei den Schülern zu schüren, müsse man das Thema natürlich mit Fingerspitzengefühl angehen. Im Januar sei eine Sicherheitskonferenz der Regensburger Schulleiter mit der Polizei angesetzt. „Hier sollen die Wege abgesprochen werden, über die wir Informationen weitergeben. Heute können wir Schüler vor allem über Facebook und Twitter schnell erreichen.“

Die Zahlen aus der Studie hält Schmid nicht für aus der Luft gegriffen. „Als Grundschule sind wir davon aber so gut wie nicht betroffen“, sagt sie. Trotzdem gibt es immer wieder Situationen, die ihr zu denken geben: Ein Kind formt aus Daumen und Zeigefinger eine Pistole, zielt auf eine Lehrerin und sagt „peng“. Die Mutter steht direkt daneben, sagt aber nichts. Als die Lehrkraft die Mutter darauf anspricht, sagte diese: „Das war ja nur Spaß“. „Für mich hört da aber der Spaß auf“, sagt Schulleiterin Schmid.

Die Forsa-Ergebnisse seien schwer zu verifizieren, sagt Rainer Lacler. Der Rektor hat zumindest für die Willi-Ulfig-Mittelschule keinen aktuellen Fall im Kopf. In seiner gesamten Dienstzeit habe es sicher schon Einzelfälle gegeben. Die lägen aber schon weit zurück. Sicher gebe es auch eine Dunkelziffer. „Das Thema ist noch immer schambesetzt: In diesem Punkt klingt die Studie für mich plausibel.“ Laclers Ziel als Schulleiter sei es, eine so vertrauensvolle Atmosphäre im Haus zu haben, dass betroffene Lehrkräfte mit der Schulleitung alles besprechen. Zwischen Lehrkräften und Eltern gebe es „immer wieder einmal Konstellationen, bei denen es etwas emotionaler wird – das gab es vor 25 Jahren aber schon genauso.“

Alle Regensburger Schulen finden Sie auf Mittelbayerische Maps:

Die Willi-Ulfig-Schule liegt – genau wie die Grundschule der Vielfalt und Toleranz und das Jakob-Muth-Förderzentrum – direkt neben der Albert-Schweitzer-Realschule im Schulzentrum an der Isarstraße. Alle Schulen hätten am Donnerstag vorbildlich reagiert, sagt Schulamtsdirektor Heribert Stautner. Die Sicherheitskonzepte und auch die Informationswege hätten ausgezeichnet funktioniert, der gesamte Ablauf habe gezeigt, wie rasch und gut vorbereitet die Einsatzkräfte vor Ort sind. „Dies sollte für die Eltern und die Schulen zur Beruhigung beitragen. Natürlich sind Schule und Elternschaft sensibilisiert.“

In Fall der Albert-Schweitzer-Schule laufen die Überprüfungen der Polizei noch, sagt Albert Brück, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberpfalz. Wie funktioniert der Notfallplan? Wann wird er ausgelöst? Wer wird alarmiert? Bei diesen Fragen bittet Polizeisprecher Brück um Verständnis. „Diese Verbindung ist sehr wichtig – schulintern und auch gegenüber der Polizei. Wir können dazu aber keine Auskunft geben.“ Schließlich gehe es um Details eines Sicherheitssystems. Auchim Fall der Albert-Schweitzer-Realschulemüsse die Polizei noch genau abwägen, welche Informationen sie an die Öffentlichkeit gibt.

Beleidigungen nehmen zu

Für Regensburg kann Stautner die Studie weder entkräften noch bestätigen. Seiner Wahrnehmung nach gebe es aber eine Zunahme von verbalen Entgleisungen und Grenzüberschreitungen – sowohl von Schülern als auch von Erziehungsberechtigten, die bis zur Androhung von Gewalt gegenüber Lehrkräften reichen. „Die Schulen setzen dabei sehr konsequent und professionell auf Deeskalierung und Gespräch, was in der Regel auch gelingt.“ In schwerwiegenden Einzelfällen müsse gegebenenfalls ein Hausverbot ausgesprochen werden. „Grundsätzlich muss deutlich werden: Lehrkräfte haben ein Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit und Respekt“, sagt Stautner.

Den Polizeieinsatz in Burgweinting können Sie in unserem NewsBlog noch einmal nachlesen.

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