Kriminalität
Die unheimlichen Grapscher im Bus

Drei Übergriffe in einer Woche – und alle in Buslinien von der Universität. Die Polizei rät Opfern zur sofortigen Reaktion.

16.01.2017 | Stand 16.09.2023, 6:26 Uhr
Norbert Lösch

Das Gedränge in vollen Bussen – hier an der Haltestelle Universität – nutzen potenzielle Straftäter manchmal aus, um junge Frauen sexuell zu belästigen oder zu begrapschen. Archivfoto: Lex

Sie zeigten die Taten mitunter erst relativ spät bei der Polizei an, aber dadurch weiß man immerhin: Drei junge Frauen sind in der vergangenen Woche Opfer sexuell motivierter Übergriffe geworden. Alle Taten spielten sich in Linienbussen der Regensburger Verkehrsbetriebe ab, die allesamt von der Haltestelle Universität gestartet waren.Steigt dort also beinahe regelmäßig ein Mann zu, der es auf Körperkontakt mit weiblichen Fahrgästen abgesehen hat? Die Polizei will das nicht ausschließen und geht von einem Täter aus (die MZ berichtete).

Polizeisprecher Albert Brück sagte am Montag gegenüber unserer Zeitung, dass es sehr schwierig sei, nach Tätern zu fahnden, wenn solche Übergriffe erst spät gemeldet werden. Er appelliert an betroffene Frauen, sofort zu reagieren. Dafür gebe es mehrere Möglichkeiten: „Entweder sofort an den Busfahrer wenden, per Handy die 110 anrufen oder auch andere Fahrgäste ansprechen und um Hilfe bitten.“

Andere Mitfahrer um Hilfe bitten

Der Bereich um die Universität sei bislang nicht als Schwerpunkt für solche Delikte aufgefallen, sagte Brück. Allerdings nutzen Täter nach den Erfahrungen der Polizei gerade das Gedränge an Haltestellen oder in vollen Bussen, um Frauen zu begrapschen. „Da wird dann auch gerne ein Versehen im Getümmel vorgetäuscht, obwohl es sich um absichtliche Berührungen handelt.“

Männer mit solchen Absichten werden verharmlosend auch als „Touchy“ bezeichnet. Spüren Frauen unvermittelt Hände an ihrem Körper oder auch nur vielsagende Blicke, sollten sie postwendend reagieren. Psychologen und Verhaltens-Coaches raten, in solchen Situationen cool zu bleiben.

Souveräne Konter sitzen

Das ist nicht ganz einfach: Die Schwierigkeit sei weniger, die richtige Antwort zu finden oder die richtige Reaktion zu zeigen, sondern eher die innere Hürde der Frau, sagen Fachleute. Klare Stopp-Signale und eine Zurechtweisung möglichst vor Zeugen – „Hören Sie damit auf, ich möchte das nicht!“ – würden aber schnell Wirkung zeigen. Völlig verunsichern lassen sich Grapscher – zum Beispiel im Bus – mit souveränen Kontern wie „Willst du hier sitzen, dann bist du näher bei deiner Hand?“. Von handgreiflichen Reaktionen wird dagegen abgeraten.

Vorfälle wie die aktuellen Übergriffe gegen junge Frauen sind quasi „Alltagssexismus“. Solche Taten sind nur dann strafbar, wenn sie eine „Erheblichkeitsschwelle“ überschreiten. „Einen eigenen Straftatbestand der ,einfachen’ sexuellen Belästigung kennt das Gesetz bislang nicht“, sagt der Münchner Sexualstrafverteidiger Dr. Alexander Stevens. Eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr werde gegen ermittelte Täter erst dann verhängt, wenn sie sich körperlicher Gewalt und Drohungen bedienen, um an ihre sexuellen Ziele zu gelangen.

Lesen Sie hier ein Interview mit Martin Gottschalk, dem Pressesprecher der Regensburger Verkehrsbetriebe.

Welches Verhalten empfehlen die Verkehrsbetriebe weiblichen Fahrgästen in solchen Situationen?

Gottschalk: Unsere Busfahrer sollten in solchen Fällen immer der erste Ansprechpartner sein. Diese können jederzeit die Polizei verständigen. Insofern empfehlen wir unbedingt, den Busfahrer zu verständigen beziehungsweise auf die Situation aufmerksam zu machen.

Werden Busfahrer für solche Fälle sensibilisiert? Sind sie uneingeschränkt Ansprechpartner?

Unsere Busfahrer sind grundsätzlich geschult, in Situationen, in denen das Wohl der Fahrgäste gefährdet wird, entsprechend zu reagieren. Dementsprechend sind sie auch uneingeschränkter Ansprechpartner.

Welche Möglichkeiten gibt es beim Umgang mit auffälligen, aggressiven oder andere belästigenden „Fahrgästen“?

Wir raten unseren Fahrgästen zu einem defensiven Verhalten im Sinne des Eingreifens. Der erste Weg sollte der zum Busfahrer sein. Hat der Busfahrer Kenntnis, kann er jederzeit entsprechend reagieren und gegebenenfalls auch unverzüglich die Polizei verständigen.

Sind Busfahrer auch berechtigt und vom Gesetz her legitimiert, potenzielle Straftäter festzuhalten, indem sie die Türen sperren und die Polizei rufen?

Das Versperren der Türen ist aus unserer Sicht nicht ratsam. Zumal dadurch eine Gefährdung anderer Fahrgäste nicht auszuschließen ist. Rein rechtlich ist nach §127 der Strafprozessordnung zwar unter gewissen Voraussetzungen jedermann berechtigt, eine Person ohne rechtliche Anordnung festzunehmen. Ungeklärt ist hierbei aber, was mit den übrigen Fahrgästen ist.

Melden sich Opfer von Belästigungen auch bei den Verkehrsbetrieben, etwa zur Warnung?

Leider haben wir von den vorliegenden Fällen auch erst aus den Berichten der Polizei/Medien erfahren. Wie beschrieben wäre es in jedem Falle immer sinnvoll, sofort den Busfahrer zu verständigen, um hier entsprechende Maßnahmen, wie eben die unverzügliche Verständigung der Polizei, einzuleiten.

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