Menschen
Mit der Dult verheiratet: Die Glöckls

Ein Prosit: Der Festwirt wird 80 wie das Zelt auf der Herbstdult. Mit beiden kam die Gemütlichkeit an den Protzenweiher.

15.08.2016 | Stand 16.09.2023, 6:42 Uhr
53 Jahre mit ihm und der Dult verheiratet: Inge Glöckl. Ihr Alfred ist so alt wie das erste Volkfestzelt, das sein Großvater auf der Stadtamhofer Dult aufgestellt hat. −Foto: altrofoto.de

Er war dabei. Im Bauch seiner Mutter war Alfred Franz Xaver Glöckl Zeuge der Premiere des ersten Festzeltes auf einer Regensburger Dult. Der Donaukies knirschte am Protzenweiher unter den Füßen seiner Mutter. Die Donau gurgelte noch in ihrem alten, schnellen Bett. Die Kapelle Gangerl Schwarzfischer spielte seine pränatale Musik. Das Leben war sorgenfrei und alles war noch genau definiert: Die Dult gehörte zu Stadtamhof und gleich beim Nittenauer Hof begann Steinweg. Die alte Glöcklin ist auf dem Schwarzweiß-Foto von der Herbstdult 1936 links zu sehen. Die weiße Mütze sitzt keck über dem ondulierten Haar. Vier Monate später, am 5. Januar 1937, hat sie Alfred Franz Xaver III. auf die Welt gebracht.

Seit 1963 auf jeder Dult

Jetzt ist er der alte Glöckl. Sein Lebensfaden ist mit der Dult verwoben wie bei keinem anderen Menschen der Stadt. Im Eck mit dem Saukopf beim Glöckl im DEZ packt er die Bilder auf den Tisch. Der 79-Jährige dürfte der einzige Mensch auf der Welt sein, der die Leute auf dem Foto noch zuordnen kann. „Der mit dem Hut, neben dem Bombradon, is da Gangerl.“ Er meint den Klarinettisten Wofgang „Gangerl“ Schwarzfischer, Chef der legendären Oktoberfest-Kapelle aus Elsendorf. Die hat auch auf jeder Dult gespielt. „Die Krüge hoch!“ 1962 ist er gestorben. Ein Jahr später, es war an einem Valentinstag, hat Fred seine Inge, geborene Reiss, geheiratet. Die hat sich damals auch mit der Dult liiert. Denn, so Inge Glöckl: „53 Jahre sind wird verheiratet und 53 Jahre bin ich draußen.“

Die Frau aus der Bukowina, 1943 auf der Flucht geboren, ist noch heute das Gesicht des Glöcklzelts, während sich der Fred aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat. Die beiden passen zusammen wie der Deckel zum Krug, scheinen aber gänzlich verschiedene Tempi zu leben. Alfred Glöckl, das Schlitzohr, mag die Sitzweil, seine Frau die Polka. Kaum hat ihr Mann den Satz begonnen, hat sie ihn schon vollendet. Nur bei der Zahl der Gockerl, die so pro Dult am Grill drehten, bleiben beide eine Antwort schuldig. „Da müsst ich nachschaun.“

Für die Historie ist Alfred Glöckl da. Bis in die 30er-Jahre hinein, sagt er, war die Herbstdult ein Jahrmarkt. Der Senior erinnert sich, dass zum Erntedank-Umzug „d’ Leut vom Land“ reingeströmt sind. Das Volksfest kam so richtig erst mit den Glöckls. „Unser Zelt war hier das erste Bierzelt überhaupt“, sagt Glöckl. Das 1500-Mann-Zelt hat dem Großvater gehört. Im Krieg hat er es versteckt und so über die schlimme Zeit gerettet, bis es erstmals im Stadtpark wieder zum Einsatz kam. „Das kann man sich heute gar nicht vorstellen: Der Glöckl im Stadtpark!“ Glöckl strahlt über beide Ohren. Mit 12 Jahren konnte der Fred grad mal über den Tresen schauen, als er das erste Mal einschenken durfte. Es war draußen beim Glöckl in Prüfening. Das Bier habe ihm zunächst gar nicht geschmeckt, es war ihm viel zu bitter. „Aber dafür hernach umso mehr“, sagt Inge. „Bi staad“, kontert Alfred. Und fährt fort: „Ich hab als Kind das Kracherl mehr mögen.“

In alten Anzeigen warb der Glöckl von Prüfening noch mit Biergarten und Strandbad. Das lag tatsächlich zwischen zwei Brücken, der in Sinzing und der in Mariaort. Bischofshof hat seinem Vater extra eine schöne Metzgerei in den Garten gebaut. So konnte der Großvater den Spross wieder ans Festland binden. Zwischen den Kriegen war der Matzger auf den Weltmeeren unterwegs gewesen, im Linienverkehr Hamburg und New York.

Der Bierpreis, das Essen, die Tracht und die Treue – alles hat sich verändert auf der Dult – nur nicht das Prosit auf die Gemütlichkeit: Mit 1 Mark 90 hat er begonnen, jetzt sind es 8,80 Euro. Bis Bernhard Schmid Chefkoch wurde, gab es nur Schweinswürstl, Haxen und Hendl vom Grill. Tracht war nach dem Krieg verpönt. Aber die Dult war die Dult. Inge Glöckl erinnert sich an Stammgäste, die kamen jeden Tag um sechs. „So was“, sagt sie, „gibt es heute nicht mehr“. Sie hat die Namen alle im Kopf: „Der Myrtha, der Artmann Rudi, der Opitz, der Wiedenmann Christoph, der Alfons Seiler und Franz Stadler.“ Der ADAC-Präsident marschierte mit seinem Regenschirm ein, als hätte er ein Gewehr auf der Schulter.

Christa Bech, die Erstbedienung

Jahrzehnte bauten die Glöckls aufs selbe Stammpersonal. Wie Schankkellner Ludwig Gscheiter die Holzfassl reinrollte und nach dem Anstich sofort zum Laufen brachte, davon schwärmt Alfred Glöckl noch heute. Die Fischer Beppi und die Bech Christa aus Bernhardswald schleppten die Krüge. Christa Bech lebt noch. Sie erinnert sich gerne an die Zeit. „Der Fred war noch im Kinderwagl drin“, sagt sie. „Da hab ich angefangen und 2011, mit 70, war Schluss.“

Wen haben Inge und Glöckl nicht alles im Zelt gehabt: Herbert Hisel („Jou werkli“) undBally Prell, die Schönheitskönigin von Schneizlreuth. „Unvergleichlich“ sei ihre Tenorstimme gewesen.Mit Jürgen Drews, am letzten Tag der Dult, wollen sie jetzt die alten Zeiten beschwören.Die Zeiten, als auf Stammgäste noch täglich zu zählen war, als die Amis am Montag das Zelt füllten. Die Glöckls haben sich immer erfolgreich angepasst. Als sie gingen, war auf einmal ein Loch. Dann kamen die Topsis. Und was sein wird, wenn Glöckl das 100. feiert, das weiß man noch nicht. Das ist die Sache von Alfred Franz Xaver Glöckl und dessen Sohn Alfred Josef. Der 19-jährige FOS-Schüler hat schon angekündigt, er will weitermachen.

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