Handwerk
Enkelin des Brandlbräus holt Kammersieg

Heinz und Olga Brandl hätten sich riesig gefreut: Eine ihrer Nachkommen ist ein Shooting-Star des Konditoren-Handwerks.

19.10.2017 | Stand 16.09.2023, 6:29 Uhr
Helmut Wanner

Das Studium an der OTH hatte sie 2014 aufgegeben: Nun ist Patrizia Brandl unter den besten Konditorinnen Bayerns. Foto: Philip Artmann

Der Konditormeister Johannes Pernsteiner aus der Von-der-Tann-Straße 40 verschenkt seit Jahr und Tag für jeden Einser eine Eiskugel. Das ist bekannt. Aber konnte er sich denken, dass eines dieser Mädchen, die sich da ihre süße Belohnung abholen, einmal Ruhm und Ehre in seiner Backstube zaubern würde?

Patrizia Brandl, Enkelin des Brauers aus der Ostengasse, war so ein Nachbarsmädchen aus der Sedanstraße. Die Familien waren untereinander gut bekannt. Die Brandls und die Pernsteiners galten in Sachen Nahrung, Genuss und Gaststätten als die herausragenden Handwerker-Familien im Schatten des Turms der Cäcilienkirche. Patrizia Brandl bekam ihre Kommuniontorte vom Pernsteiner. Jedes Jahr zu Muttertag holte sie mit ihrer kleinen Schwester ein großes Petit-Four-Herz aus der Konditorei. Natürlich sahnte sie bei jeder Zeugnisvergabe ab. „Ich hatte in allen Fächern Einser. Außer in Deutsch (2) und Mathe.“

Der Duft von Schoko-Aromen

„Ich bin in meinem Leben noch nicht so oft fotografiert worden wie in diesen Tagen“, sagt die zierliche 23-Jährige. Mit ihrer Umsetzung der Wettbewerbs-Idee „Hochzeit modern“ schrammte sie in Kitzingen hauchdünn an einem zweiten Platz vorbei. Sie hat Schwäne aus Zucker geformt, Pralinen hergestellt, süße Fours und eine zweistöckige Hochzeitstorte.

Kleine Frau, große Leistung

Inzwischen ist in ihrem Leben Handwerker-Alltag eingekehrt. Sie füllt gerade Karmelitentrüffel ab, jene Köstlichkeit aus weißer Schokolade, Butter, Sahne und 8 Prozent Regensburger Karmelitergeist, die über den Manufactum-Katalog bundesweit vertrieben wird. Fürs Interview legt sie die Spritztüte beiseite. Wenn sie einem ihre kleine Hand reicht, spürt man am festen Händedruck, welche Energie in dieser Person steckt.

Shooting-Star des Handwerks

Und nun steigt die Enkelin in den Ring. Patrizia Brandl erzählt zwischen Ofen und Rührmaschine ihre Geschichte. Wie aus der Studentin eine Konditorin wurde, das hört sich aus ihrem Mund an wie ein Erweckungserlebnis, so nach dem Motto: Ich war blind und nun kann ich sehen. Sehen, was ich kann, was ich wirklich will. In jüngster Zeit gibt es ja einige Beispiele dieser Art, wie Menschen aus dem grauen Mittelmaß eines Studentenalltags ausstiegen und auf dem goldenen Boden des Handwerks landeten. Der angehende Jurist Jürgen Huber vom Minoritenweg, der Architekt Jonas Mumm vom Georgenplatz sind, wie berichtet, dem Material Leder erlegen. Alle Aussteiger erwiesen sich als Shooting-Stars des Handwerks.

Patrizia Brandl studierte an der OTH im zweiten Semester Sozialarbeit, als sie kurz nach Semesterbeginn die Reißleine zog und bei Johannes Pernsteiner in der Tür stand. Der schaute sich die zierliche Person an, blickte in den Lebenslauf (Studienabbrecher) und war am Anfang recht skeptisch. Er bot ihr bis Jahresende ein bezahltes Praktikum an. Nun sagt er: „So eine gute Auszubildende hab ich noch nie gehabt.“

Tuning für Baumkuchen-Maschine

Die Berufswahl kam bei Patrizia Brandl nicht von ungefähr: „Ich hab ewig daheim gebacken, für Freunde Geburtstagstorten, Plätzchen. Und da bin ich im Internet auf den Begriff Bake Design gestoßen. Das Kreative hat mich sofort angemacht. Und da habe ich mir gedacht: Machst was, was deiner Leidenschaft entspricht, wirst Konditorin. Und weil ich im Ostenviertel aufgewachsen bin, habe ich mich beim Pernsteiner vorgestellt.“

Ihr Vater Hermann Brandl, Jurist und Geschäftsführer der bayerischen Metall- und Elektroarbeitgeber, sei auch skeptisch gewesen, bis ihm die Tochter was zum Probieren mitbrachte. „Jetzt ist er total stolz und erzählt es jedem.“ Hermann Brandl hat es sogar eingefädelt, dass der Roadster-Bauer Johann Stangl von der Stangl&Kulzer-Group, Roding, kostenlos Pernsteiner defekte Baumkuchenmaschine abholte, reparierte und vorvorige Woche wieder anlieferte. Jetzt hofft Papa Brandl darauf, dass Pernsteiner die Baumkuchen-Maschine anwirft.