Justiz
Fast drei Jahre Haft für Messerattacke

Ein Drogensüchtiger überfiel eine Apotheke und fälschte Rezepte. Jetzt kommt er in eine Entziehungsanstalt.

19.07.2017 | Stand 16.09.2023, 6:24 Uhr
Marion Boeselager

Will raus aus dem Sumpf: Der Angeklagte (rechts) mit seinem Verteidiger Helmut Mörtl Foto: Boeselager

Mit der Dreistigkeit eines Verzweifelten stahl ein rauschgiftsüchtiger Regensburger einem Mediziner die Arzttasche mit Rezeptblöcken direkt aus der Praxis. Er bedrohte einen Apotheker mit einem Messer und versuchte, einer Frau in einer Einkaufspassage die Handtasche zu entreißen. Jetzt wurde der völlig aus der Bahn geworfene Mann, der alle Taten sofort gestand, vor dem Landgericht verurteilt.

Die 7. Strafkammer unter Vorsitz von Richterin Dr. Bettina Mielke sprach den 28-Jährigen des versuchten Raubes, der versuchten räuberischen Erpressung, der Urkundenfälschung und des Diebstahls schuldig und verhängte gegen ihn eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Außerdem wird der Mann in eine Entziehungsanstalt eingewiesen. Er kann seine Therapie sofort antreten: Das Urteil ist rechtskräftig.

Wie unsere Zeitung berichtetebetrat der Angeklagte an einem kalten Oktobermorgen letzten Jahres mit einem Schal vermummt die Jakobsapotheke. Der Inhaber, zu der frühen Stunde noch allein im Geschäft, wunderte sich deshalb zunächst nicht über die wollene Verhüllung.

Apotheker wehrte sich beherzt

Erst als der Mann „Gib mir Bromacepam. Dann passiert nichts“ rief, sah er das Messer in seiner Hand. Doch der Apotheker reagierte gelassen: Er griff nach einen Tierabwehrspray und einem schweren Stempel und sagte: „Du kriegst nichts. Wenn du jetzt nicht gleich verschwindest, sehen wir, wie es weitergeht.“ Der Täter machte sich aus dem Staub, wurde aber kurz darauf von der inzwischen verständigten Polizei gefasst.

Einmal gab er als „Patienten“ den Namen „Florian Silbereisen“ an.

Im August hatte der 28-jährige in der Praxis seines Arztes, bei dem er sich regelmäßig Methadon holte, dessen Tasche mit Rezeptformularen entwendet. Es scherte ihn in dem Moment nicht, dass er dadurch seinen Substitutionsplatz verlor. Doch nun brauchte er noch mehr Drogen als zuvor. In der Folgezeit versuchte mit den dilettantisch gefälschten Scheinen – einmal gab er als „Patienten“ den Namen „Florian Silbereisen“ an – in Dutzenden von Apotheken Betäubungsmittel zu erlangen – meist ohne Erfolg. Einmal versuchte er, einer Frau im Castra Regina Center die Handtasche zu entreißen. Auch beging er Diebstähle von Sportschuhen und Zigaretten, um die Beute zu Geld zu machen.

Der junge Mann, der früher eine Privatschule besuchte, war nach der Scheidung seiner Eltern regelrecht abgestürzt, in Depressionen verfallen und hatte seine Schwermut in Alkohol und Drogen zu ertränken versucht. Zwei Suizidversuche scheiterten. Eine begonnene Ausbildung beendete er nicht. Er konnte nicht mehr zur Arbeit erscheinen. Zuletzt verlor er auch seine Wohnung. Die vom Gericht verhängte Unterbringung in der Therapie betrachtet er nun als Rettungsanker.

„Ich war mehr tot als lebendig“

„Ich schäme mich“, hatte der Angeklagte vor Gericht gesagt. „Ich war mehr tot als lebendig. Die Festnahme hat mir das Leben gerettet. Sonst wäre ich draufgegangen.“

Die Kammer ging bei den beiden Überfällen von minderschweren Fällen aus, da der Angeklagte seine Vorhaben jeweils sofort aufgab, als er auf Widerstand stieß. Der psychiatrische Sachverständige hatte ihm zuvor verminderte Schuldfähigkeit bescheinigt und dem „sehr motivierten“ Regensburger gute Erfolgsaussichten bei der Therapie prognostiziert.

Zulasten des Angeklagten wertete das Gericht jedoch, dass die überfallene Frau noch immer psychisch an den Folgen der Attacke leidet. Der Apotheker hat den Vorfall dagegen offenbar relativ gut verdaut. Außerdem schlugen die Vermummung und das missbrauchte Vertrauensverhältnis zu dem Arzt negativ zu Buche.

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