Menschen
Heimliche Stars des Friseurhandwerks

Der Name Reitter steht im DEZ für guten Schnitt. Was Opa Max 1967 begann, entwickelt der Enkel gerade zum Haar-Imperium.

19.09.2017 | Stand 16.09.2023, 6:22 Uhr
Helmut Wanner

Unter der Haube war die „Bunte“ schon damals ein Muss: Zehn Jahre lang war „Friseur Reitter“ allein im Donaueinkaufszentrum. Links schneidet die Chefin Edith Merl. Foto: Wilkin Spitta

Schönheitsrausch, Haarwerk, Hairkiller: Das Geschäft mit dem Haar hat viele trendige Namen. Im Donaueinkaufszentrum tut es seit 1967 der Familienname. Der Friseur Reitter („mit zwei t“) ist im Hauptgebäude am Weichserweg 5 seit 50 Jahren erfolgreich.

„Als er beschlossen hat, ins Donaueinkaufszentrum zu wechseln, hab ich gesagt: Um Gottes willen!“Stilla Reitter

Alte Kunden rühmen noch heute die guten Manieren des Gründers. Er war ein Friseur alter Schule. Jeden Kunden begrüßte er wie einen König – mit einer tiefen Verbeugung, bei der er in der Hüfte abknickte und den Oberkörper 45-Grad abwinkelte. Den Kindern fasste er manchmal im Vorbeigehen ans Haar und pfiff dabei verstohlen durch die Zähne. „O“, sagte er, „deine Haare pfeifen ja.“ So brachte er die jungen Kunden zum Lachen.

„Sprühgold“ und „Friseur Reitter“

Reitter gehört zu den ersten Mietern des Donaueinkaufszentrums. Er kam wie Kruschwitz, um zu bleiben. Gleich dem Lieblings-Haarspray der deutschen Frauen, „Sprühgold“, das parallel zum DEZ und zu Reitter ein Jubiläum feiert, hat der Laden nie Schlagzeilen gemacht. Die Fantasie hat diese stille Regensburger Friseur-Dynastie dennoch angeregt: Der Name der Frau des Gründers Max (1920 bis 2006) führte bei der Post nicht selten zu schillernden Kombinationen, wie man hört. Er lautet Stilla Reitter.

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Die Seniorchefin hat sich schon lange am Hohen Sand zur Ruhe gesetzt. Sie erinnert sich an die Gründerjahre. „Mein Mann war risikofreudig. Als er beschlossen hat, ins Donaueinkaufszentrum zu wechseln, hab ich gesagt: Um Gottes willen! Ich sag Ihnen, für die Zukunft eines Geschäfts im DEZ hätte damals keiner seine Hand ins Feuer gelegt.“ Max Reitter übernahm einen fertig eingerichteten Laden von Welonda. Der Auftraggeber hatte kalte Füße bekommen, die Reißleine gezogen und sich vorher aus dem Donaueinkaufszentrum abgesetzt. Die Damen wurden, wie heute auch, mit der „Bunten“ unter die Haube gebracht. Die Stühle waren in einem leichten Halbkreis angeordnet.

„Wir haben einen Sofortstart hingelegt. Das hätte ich nicht gedacht. Neben uns, wo jetzt der Pustet ist, war damals ein Konfektionsgeschäft. Die Kunden sind bis ans Ecke gestanden, bis wir aufmachten. Die ersten zehn Jahre waren wir ja alleine im DEZ,“ betont die Witwe des Gründers.

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Es war nicht die Not, die den 1920 in Duggendorf im schönen Naabtal geborenen Friseurmeister Max Reitter mit 47 Jahren über die Donau trieb. „Mein Mann hatte 1950 in der Blauen Sterngasse eröffnet und betrieb später einen eingesessenen Betrieb in der Oberen Bachgasse. Die Kunden kamen aus der Regensburger Geschäftswelt.“ Einer dieser guten Kunden war ein Faschingsprinz der Narragonia. Helmut Hackl überraschte die Reitters eines Tages, als er sie mit seinem ganzen närrischen Hofstaat von der Haustür abholten. Damals wohnte Reitter noch in der Dechbettener Straße.

Mit der Heirat in die Top-Liga

Nur der schlichte Name „Friseur Reitter“ erinnert an den Laden, der hier im Oktober 1967 erstmals eröffnete. Heute steht der Enkel am Empfang. Blaues Sakko, weißes Hemd, gepflegter Vollbart und grau melierte, nach hinten gekämmte Frisur: Matthias Merl, 38, sieht aus, als wäre er direkt aus dem Frisurenmodell-Katalog von Schwarzkopf ins Donaueinkaufszentrum gesprungen. Die lilagetönte Dame von Schwarzkopf küsst ihm die linke Schulter. Im September 2016 hat er das Geschäft von seiner Mutter Edith Merl übernommen. Mit Teilzeitkräften arbeiten heute um die 40 Menschen hier. Merl sagt, „ich habe Glück mit meinen Flüchtlingen“. Unter seinen Mitarbeitern ist der junge Bart-Experte Hmede Jumaa (20), ein gelernter Koch aus Latakia. Das antike Laodicea gilt als weltoffene syrische Küstenstadt.

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Eine Weltmeisterin an der Schere

Merl hat Sportmanagement und BWL studiert. Durch Heirat hat er das Imperium des Großvaters auf sieben Betriebe erweitert, die zwischen Ingolstadt und Regensburg liegen. Wie in Dynastien üblich, haben es die Mütter eingefädelt. „Bevor wir uns gesehen haben, da haben sich unsere Mütter gesehen. Sie haben sich bei einem Wettbewerb kennengelernt.“ Zwischen den beiden Erben hat es dann tatsächlich gefunkt.

Seine Gattin ist ein Goldstück: Edith Milchmeier-Merl aus Geisenfeld hat sich die höchste Auszeichnung im Friseur-Handwerk geholt. Sie wurde 2004, 2006 und 2008 Friseur-Weltmeisterin. Letzterer Titel, mit 25 Jahren errungen, war der größte Erfolg. Der Wettbewerb in Chicago gilt als die „Formel 1“ im Friseurhandwerk.

Die toughe Frau schilderte in der Kerschensteiner Berufsschule ihren beeindruckendenLebensweg. Nachdem sie mit 15 Jahren ihren Realschulabschluss gemacht hatte, absolvierte sie an der „Internationalen Friseurfachschule Meininghaus“ in Forchheim eine Lehre und volontierte im Wella-Studio München. Mit der Prüfungsnote 1,0 war sie die jahrgangsbeste Absolventin der Berufsschule Ingolstadt. Im Jahr darauf, 2001, wurde die damals 19-Jährige zur jüngsten Friseurmeisterin Deutschlands. Momentan genießt sie ihre Babypause. Das Paar hat zwei Kinder, Marie 5 und Leon (fünf Wochen). Die Marke „Friseur Reitter“ wird also noch weitere 50 Jahre weiterbestehen können.

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