Menschen
Kochbuch zur Erinnerung an den Vater

Der Regensburger Designer Florian Topernpong (35) setzte seinem 2007 verstorbenen Vater Chailerd zu dessem 60. Geburtstag ein kulinarisches Denkmal.

04.12.2013 | Stand 16.09.2023, 7:17 Uhr
Helmut Wanner

In der Bagel-Bar: Florian Topernpong und seine Partnerin Gisela Goppel; sie schufen das persönlichste Kochbuch der Welt.Foto: florianhammerich.com

Florian Toperngpong ist noch heute überrascht, wie viele Menschen seinen Vater Chailerd gekannt hatten. Der Gründer vom Baanthai in der Dechbettnerstraße am Dörnbergpark ist sogar den Regensburgern, die nicht im Baanthai zu seinen Stammgästen zählten, unauslöschlich im Gedächtnis – durch seine druckvolle Art, mit der er in den 70-er Jahren als Kellner im „Zap“ am Augustinerplatz die Bestellungen aufnahm. Keiner blieb ohne Getränk, auch wenn es nur ein Eskimo-Flip war (Selters mit Eiswürfel).

Anekdoten über seinen Vater erfährt der 35-jährige Vater eines Sohnes bei seinen Kochkursen in der Markthalle am Dachauplatz immer wieder gerne. Es sind die Kochkurse zum Thai-Kochbuch. Chailerds Sohn hat es geschrieben und seine Schwiegertochter in spe, Gisi Goppel, die schon fürs Zeit-Magazin gearbeitet hat, illustrierte es wunderbar. Bis April 2014 sind die Kurse ausgebucht.

Das Kochbuch bleibt ein Einzelstück

Florian Toperngpong leitet sie mit seiner Mutter Maria. Die Bauerstochter aus Kirchendemenreuth, einem Dorf aus dem „Haberland“ bei Pressath, hatte den berühmtesten Thai der Stadt im Zap kennengelernt. Damals war sie noch Schwesternschülerin. Sie hat ihm Schinkennudeln gekocht. Nudeln und Schinken, ganz ohne Koriander und ohne Süßsauer. Er heiratete sie trotzdem.

Maria hält sich zurück. Ihr großgewachsener. hagerer Sohn führt Regie. Er ist Autodidakt. Der einzige nicht berufliche Koch im Studio der Markthalle ist bei seinem Publikum unumstrittener Chef im Ring. Denn das ist nicht nur ein Kochkurs, sondern auch ein bisschen mehr. So eine Art Beschwörungsritual der Geister des Baanthai.

Da stehen wildfremde Menschen wie in einer Familie zusammen und schnippeln Zitronengras, rollen Frühlingsröllchen und rühren das Curry. Sie kochen Familienrezepte, Menus aus dem Baanthai und Klassiker wie die Cocossuppe mit Hühnerbrust und Galgant. Und diese zusammengeschnipselte und gewürfelte Truppe aus Männern und Frauen verstehen sich auf Anhieb und blind.

Genauso wird es auch sein, wenn Florian Topernpongs Onkel und Tanten in Bangkok zusammen kommen, wenn er im Winter wieder auf Besuch sein wird. Miteinander werden sie schnippeln, ratschen, kochen und hernach miteinander essen. Und sich an Chailerd Topernpong erinnern, den Gastwirt und Entertainer. Er starb 2007. In diesem Jahr wäre er 60 Jahre alt geworden.

Im letzten Winter 2012/2013 hat Florian Toperngpong das Manuskript in der Hauptstadt Thailands fertiggestellt. Zwei Monate blieben sie in diesem schönen Land, das manche das schönste der Erde nennen. Gisi Goppel und Florian Toperngpong haben alle Liebe in dieses Kochbuch gesteckt – und so sieht es aus und liest sich auch so. Der 2008 auf dem Prenzlauerberg gegründete Verlag Jacoby&Stuart hat dem Designer-Paar angeboten, weitere asiatische Kochbücher zu machen. Das Ziel des jungen Verlags ist es, nur erstklassige Kinder- und Jugendbücher, innovative Kochbücher, spannende Romane, anspruchsvolle Graphic Novels und kluge Sachbücher zu verlegen.

Doch Toperngpong hat abgelehnt. „Zu China und Vietnam habe ich keinen Bezug“, sagt der Sohn des Baanthai-Gründers. Das Thai-Kochbuch bleibt wahrscheinlich ein Einzelstück. Der Kommunikations- und Grafikdesigner hat damit seinem Vater ein Denkmal gesetzt, eines das über die Sinne die Erinnerung wachruft. Viele haben dazu beigetragen. Seine Freundin Gisela stammt aus der Reinhausener Politiker-Dynastie, die einmal den bayerischen Landesvater stellte. Von 1962 bis 1978 war Alfons Goppel Ministerpräsident von Bayern. Aus dieser bedeutenden weißblauen Familie kommt die Anregung zum roten Kochbuch. Die Schwester Christine Goppel ist Kinderbuch-IIlustratorin. Sie gestaltet und schreibt Bücher für Kinder und Erwachsene (Pseudonym: Lilli L’Arronge). Die in Berlin lebende Künstlerin stellte die Kontakte zum Verlag her.

„Abschied vom Baanthai – den Titel hatte ich schon immer im Hinterkopf. Und ich hatte auch schon die verschiedenen Lesungen vorbereitet und gehalten. Eine Serie über Monate war das nach dem Tod meines Vaters. Es gab Geschichten über das Baanthai und im Anschluss ein Menu“, erinnert sich der Kreative beim Gespräch in seinem Büro im Hotel des Artistes in der Oberen Bachgasse.

Stück seiner thailändischen Heimat

Gerade durch den Anhang, der „Blick hinter die Kulissen des Baanthai“ betitelt ist, dürfte das Thai-Kochbuch das persönlichste Kochbuch sein, das in Regensburg je geschrieben wurde. „Ich bin quasi im Baanthai aufgewachsen und hab mich an der Kochschürze festgehalten“, sagt Chailerds Sohn. „Wenn ich im Bett lag, und meine Eltern unten arbeiteten, hörte ich durch die dicken Decken des alten Hauses dumpf das Kauderwelsch aus hundert Gesprächen, und das Klappern und rhythmische Schlagen der Pfannen und Beile aus der Küche.“ Gekocht hat die Familie immer unten. „Erst als das Baanthai schloss, pulten wir die Schutzfolie vom Gasherd“, schreibt Toperngpong.

1997 hat Florian Toperngpong am Albrecht-Altdorfer-Gymnasium Abitur gemacht und ein Designstudium in Würzburg begonnen. Schon zuvor hatte er für seinen Vater die Speisekarten gestaltet und die aufwendigen Silvester-Karten. Sein Vater hätte gerne gehabt, dass er das Baanthai übernehme, aber der introvertierte Künstler wusste, dass er nicht zu einem Wirt taugt. Doch: „Auch wenn ich nicht die Entertainerqualitäten meines Vaters geerbt habe, so habe ich den Spaß zum Kochen und Essen mit auf den Weg bekommen.“ Wie sein Vater bewahrt er sich so ein Stück seiner thailändischen Heimat.