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Lieserl Pustets letzter Gruß aus Tirol

Elisabeth Mader nahm Säbens Alt-Äbtissin Marcellina die „Lebensbeichte“ ab: Eine Hommage an eine große Regensburgerin.

20.01.2018 | Stand 16.09.2023, 6:12 Uhr
Helmut Wanner

Wahrscheinlich das schönste Kloster Südtirols: Elisabeth Pustet als Mater Marcellina mit dem Stab der Äbtissin des Klosters Säben Foto: Privatarchiv Elisabeth Pustet

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35 Jahre später hatte die schöne Tochter des Verlegers Friedrich Pustet den Namen in Marcellina getauscht und saß bebenden Herzens in der Bibliothek des Klosters vom Heiligen Kreuz in Säben. Die Türe flog auf, die Schwestern eilten hinein und riefen: „Schwester Marcellina: Du bist unsere neue Mutter!“ Die 40 Nonnen hatten sie zur 10. Äbtissin von Säben gewählt.

„Ich fühlte mich mit dem Schleier wie ein Taucher, 15 Meter unterhalb des Meeresspiegels.“M. Marcellina

Das Heftchen mit schwarzem Einband und großen Buchstaben in deutscher Schrift bietet erstmals Einblick ins zarte Keimen der Berufung der Regensburgerin aus bester Familie. Wie kommt es auf den Schreibtisch von Dr. Elisabeth (Lia) Mader in Nittendorf? „Marcellina hat es mir gegeben.“

Südtirol liebt das Kloster Säben

„Immer schon bin ich von dieser großen Regensburgerin fasziniert gewesen“, schickt Mader voraus. Die beiden Elisabeths sind „ein bisschen verwandt über die Großvaterseite“. Sie wandte sich mit ihrem Interview-Anliegen an die jetzige Äbtissin des Klosters. Mater Ancilla ist eine ehemalige Novizin von M. Marcellina. Als sie M. Marcellina die E-Mail vorgelesen hatte, sagte die Alt-Äbtissin auf Regensburgerisch. „Lassen S‘ es nur kemma.“ Und wie es das Schicksal in solchen Angelegenheiten so fügt, war das erste Treffen exakt an dem Tag, an dem Elisabeth Pustet 1954 in Kloster Herstelle eingekleidet wurde: ein 24. April. Lia Mader fand eine hellwache Dame mit schönem Gesicht im Pflegebett. Das Fenster in der Zelle der Ehrenbürgerin von Klausen bot eine atemberaubende Aussicht auf den Schlern. „Von Tag zu Tag habe ich mich besser einhören können.“ M. Marcellina empfing sie täglich außer sonntags. Sie saß aufgerichtet im Bett. Auch Lia Mader hat der tägliche steile Anstieg zum Kloster gut getan. 45 Minuten hinauf, 45 Minuten hinunter. Um 15 Uhr war Interviewtermin.

Zwei Semester studierte sie Germanistik in Innsbruck. Dann arbeitet sie bei Dogmatik-Prof. Dr. Georg Engelhardt an der Theologischen Hochschule in Regensburg als Sekretärin. „Ein wenig hatte sie Angst, er könne sich in sie verlieben.“

„Ich fühlte mich wie ein Taucher“

Lebensentscheidend für die Verlegerstochter war ein Buch, das eine Benediktinerin von Herstelle, Aemiliana Loehr, geschrieben hatte: „Das Herrenjahr“, Pustet, 1951. Es half ihr durch eine tiefe Glaubenskrise. Relativ spät, mit 31 Jahren, nahm sie bei den Benediktinerinnen von Herstelle den Schleier. Ihre Gefühle beschreibt sie gegenüber Elisabeth Mader so: „Ich fühlte mich mit dem Schleier wie ein Taucher, 15 Meter unterhalb des Meeresspiegels.“

Den Kindheitstraum hatte sie nicht aufgegeben. Nach 15 Jahren bat sie die Ordensleitung, sie für ein Jahr nach Säben zu versetzen. Sie hatte an den Stäben des Kloster gerüttelt, nun war sie drinnen. „Sie baute den Konventgesang auf. Sie muss eine Engelsstimme gehabt haben“, sagt Mader. Zur Zeit der Rückreise stand die Wahl der Äbtissin an... – Elisabeth Mader wird wohl die letzte Autorin gewesen sein, die Zugang zu M. Marcellina hatte. Die bald 95-Jährige hat sich schon den Hymnus fürs Sterbebild ausgesucht: „Nimm mich auf, Herr, nach deinem Wort, und ich werde leben.“