Wirtschaft
Mühlbacher bringt Glamour in die Provinz

Udo Jürgens, Franz Beckenbauer, Uschi Glas: Nicht wenige Promis kennen Regensburg, weil hier ihr persönlicher Juwelier sitzt.

13.10.2016 | Stand 16.09.2023, 6:43 Uhr
Helmut Wanner
Heino guckt ihnen über die Schulter. Zwei von vier Generationen Mühlbacher (von links): Markus, Dagmar, Peter und Andreas Mühlbacher. −Foto: Fleischmann

Markus Mühlbacher legte 1905 in der Ludwigstraße den Grundstein. Hier schlägt die Unruh noch heute. Das Geschäft mit Zeitmessern und Preziosen überdauerte zwei Weltkriege und sie trotzt der modernen Herausforderung – der Verödung der Innenstädte durch die Filialisten und König Amazon.

Wie eine gute Uhr mit Handaufzug hat sich das Unternehmen vererbt vom Großvater Markus auf den Vater Maximilian und vom Vater auf den Sohn Peter und in der vierten Generation – auf Markus und Andreas Mühlbacher. Jetzt feiern die Urenkel, seit 11. Oktober, ein außergewöhnliches Fest: 111 Jahre Hofjuwelier Mühlbacher.

Die Urenkel am Puls der Zeit

Im Licht der Kristalllüster rieselt das Element Wasser beständig wie die Zeit über das Steinrelief mit dem Namen Mühlbacher. Im Verkaufsraum herrscht exklusive Stille. Keine Uhr tickt. Nur ab und zu beglückt das reizende Klack-Klack edler Absätze schwarzer Stiefel das Nussbaum-Parkett. Für Markus Mühlbacher steht die 111 für Triple exzellent, also höchste Qualität. So bezeichnet man Diamanten mit ausgezeichneter Polierung, Symmetrie und Schliff. Mit ihrem eigenen Hochglanz-Magazin „timeless“, mit 30 000 Auflage gedruckt in Wien, machen sie das Datum exklusiv publik. „111 Jahre“ steht in Gold auf dem Titel. Im Hintergrund blinkt der Triple-Exzellent-Diamant. Die vierte Generation baut nicht ab, sie baut auf. Die Urenkel bleiben am Puls der Zeit. Das Stammhaus wurde um das Vierfache erweitert und zu einem exklusiven Juwelier samt modernen Werkstätten ausgebaut. Es soll lange so weiter gehen. Durch das Treppenhaus zieht sich ein gläserner Uhrturm. Er ist erst bis in den ersten Stock gefüllt mit alten, verbrauchten Uhren.

Zeit ist hier sehr wertvoll

Markus Mühlbacher, stolzer Träger des Namens des Firmengründers, kommt gerade vom Jour Fix der Rotarier. Er scheint angeregt durch einen philosophischen Impulsvortrag eines Mitglieds. Unterm Ärmel seines Eisenerz-Sakkos von Loden Frey lugt die grüne Rolex hervor. Was für ihn Zeit sei? „Zeit? Das ist für mich etwas ungeheures Wertvolles“, sagt Markus Mühlbacher. Er meint da nicht etwa den Preis seines Chronometers. „Wir gönnen uns eine Stunde Mittag. Das tut der Familie gut und den Mitarbeitern.“ Gut zwei Dutzend Menschen arbeiten für den Namen Mühlbacher. Drei Meister sind im Betrieb. Der bildet auch aus. Die letzte Absolventin, Lea, war Kammersiegerin. Sie kommt exakt eine Sekunde, nachdem ihr Name gefallen ist, zur Spiegeltür herein.

Das Timing ist Zufall, wirkt aber doch wie eine Bestätigung, dass die Welt des deutschen Handwerks noch in Ordnung ist. Von der global herrschenden 24/7-Service-Mentalität hält Markus Mühlbacher nichts. Er zitiert einen typisch Regensburgerischen Spruch seines Opas: „Auf oa Minutn is no koana zschpät kumma.“

Der familiäre Regensburger Dialekt setzt in dieser Welt des Glanzes einen warmen Akzent. Dagmar Mühlbacher, die Oma, kommt mit Enkel Manuel ins Geschäft. Sie waren nach der Schule gemeinsam essen. Auch dieser spürbare Familiengeist ist es, der zahlungskräftige Kunden aus den Metropolen ausgerechnet nach Regensburg zu den Mühlbachers treibt. An einer Wand sind sie aufgereiht die Prominenten. Von Udo Jürgens bis Franz Beckenbauer, von „Muschi“ Stoiber bis Iris Berben. Jeder ist Kunde, jeder ist König, jeder bekommt den gleichen Rahmen.

„Ein zufriedener Kunde bringt neue Kunden. Aber es dauert unheimlich lang, bis du einen Kunden gewinnst. Ihn zu verlieren geht schnell.“Dagmar Mühlbacher

Die Menschen, die sich Luxus leisten mögen und können. wollen die großen Momente eines Familienlebens wie runder Geburtstag, Taufe und Hochzeit nicht mit Angestellten eines Filialisten teilen. 80 Prozent sind Stammkunden. Sie setzen Vertrauen in das inhabergeführte Geschäft.

Der Name Mühlbacher ist einer der wenigen großen Namen, die in Regensburg überlebt haben. Die Gründerväter konnten bis in die frühen 60er Jahre noch ihr Geld mit einem Stamm großer Regensburger Geschäftsleute verdienen. Daggi Mühlbacher, die Seniorchefin, erinnert an die Namen, mit denen es ihre Schwiegerleute Max und Elli zu tun hatten: „Schöttl, Emslander, Schmaus, Rothdauscher, Schildt, Hartl … was waren das für Leute. Und wer is’n no da?“

Sie übernahm mit ihrem Mann Peter in den 60er Jahren die Verantwortung. „Unser Verdienst war es, die großen Weltmarken nach Regensburg geholt zu haben wie Cartier und Bulgari.“ Damals war Regensburg noch provinziell. Der Aufbau war hart und hat Jahrzehnte gedauert. „Ein zufriedener Kunde bringt neue Kunden. Aber es dauert unheimlich lang, bis du einen Kunden gewinnst. Ihn zu verlieren geht schnell.“ So schnell wieein Raub.

„Wahnsinn, wie sich Deutschland verändert hat. Früher war die Welt schon heiler.“ Der Seniorchefin steckt der brutale Überfall vom vergangenen Jahr noch in den Knochen. Die Täter wurden gefasst und verurteilt. Nach dem Einbau einer aufwendigen Besucher-Schleuse fühlt sich der Kunde durch Blicke von Laufbesuchern unbelästigt – und sicher obendrein.