Sicherheit
Regensburg ist Hochburg der Langfinger

Vor allem auf Smartphones, Kosmetika und Markenkleidung haben es die Ladendiebe abgesehen. Geschäftsleute sind frustriert.

10.02.2017 | Stand 16.09.2023, 6:37 Uhr
Katharina Eichinger
In Regensburg wird viel geklaut – vor allem Unterhaltungselektronik ist bei Ladendieben beliebt. −Foto: dpa

Es war ein Tag, den Caroline Jäger und ihre Mutter Waltraud Ernst nicht mehr vergessen werden. Sie sind die Inhaberinnen der Bürsten Ernst Manufaktur an der Glockengasse. Jäger war alleine im Geschäft, als zwei Männer den Laden betreten. Etwas war falsch. „Die waren untypisch für meine Kundschaft, ich hatte ein komisches Gefühl“, sagt Jäger. Trotzdem wolle sie jedem positiv gegenübertreten. Unter einem Vorwand lockten die Männer, die kein Deutsch sprachen, Jäger nach draußen zum Schaufenster.

Während sie versucht, sich mit Händen und Füßen mit den beiden zu unterhalten, muss ein Dritter in den Laden gegangen sein und sowohl die Kasse im Hauptraum als auch die Wechselkasse im Büro gelehrt haben. Der Schaden betrug mehrere tausend Euro, doch Jäger und ihre Mutter habe vor allem getroffen, dass sich Unbefugte Zutritt zu ihren privaten Räumen verschafft hat. Der Fall wurde nie aufgeklärt.

Eine zweifelhafte Ehre

So wie der Bürsten Ernst Manufaktur geht es vielen Geschäften in Regensburg. „Uns ist bekannt, dass Regensburg durchaus belastet ist, was Ladendiebstahl angeht“, sagt Albert Brück, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberpfalz.Ein Studie, die vom Vergleichsportal billiger.de herausgegeben wurde,listet Regensburg als eine der Hochburgen im Bereich der Ladendiebstähle. Die Stadt belegt in der Erhebung Platz elf der 100 größten Städte in Deutschland. Größere Städte wie Nürnberg oder Hamburg befinden sich weit hinter Regensburg.

„Uns ist bekannt, dass Regensburg durchaus belastet ist, was Ladendiebstahl angeht.“Albert Brück, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberpfalz

Besonders beliebt seien möglichst teure und gleichzeitig möglichst kleine Gegenstände – zum Beispiel Smartphones. Ladenbesitzer müssten dann abwägen zwischen Sicherheit und Personal. „Wenn ein Kunde ein Handy in der Hand halten will und testen möchte, dann brauche ich auch dementsprechend Personal.“

So hat sich die Zahl der Ladendiebstähle in Stadt und Landkreis in den vergangenen Jahren entwickelt:

Josef Kellermann, Bezirksgeschäftsführer des Handelsverbands Bayern (HBE) in Regensburg, nennt vier Produkte, die besonders oft geklaut werden: Unterhaltungselektronik, Kosmetika – vor allem Düfte –, Spirituosen und hochwertige Marken im Textilbereich.

Das Problem sei auch dem Verband bekannt, seit Jahren veranstalte der HBE Seminare mit der Kriminalpolizei. Am wichtigsten sei es, das Personal zu schulen und zu motivieren, nicht wegzusehen, doch: „Die Mitglieder sind frustriert“, sagt Kellermann. Viele Ladendiebstähle werden nicht aufgeklärt.

Regensburg zieht Profis an

Seit Jahren geistere auch die Zahl 90 Prozent als Dunkelziffer durch Expertenkreise. Damit ist gemeint, dass nur jeder zehnte Ladendiebstahl sofort auffällt. Der Rest werde erst bei der Inventur sichtbar. Belegen lässt sich diese Zahl nicht, sind sich Brück und Kellermann einig. Inventurdifferenzen können auch durch technische Probleme oder eine fehlerhafte Warenbestandserfassung zustande kommen.

Im vergangenen Jahr stand eine Studentin wegen Diebstahls in 89 Fällen in Regensburg vor Gericht.Lesen Sie mehr.

Warum ausgerechnet Regensburg einer hohen Ladendiebstahl-Belastung ausgesetzt ist, könne nicht mit Sicherheit gesagt werden, sagt Brück. „Das Problem ist vielschichtig.“ Es könne zum Beispiel daran liegen, dass Regensburg ein zentraler Einkaufspunkt in Ostbayern sei. Kellermann sieht die Lage in Grenznähe als Problem. Es gebe „Profis“, die bandenmäßig Diebstahl betreiben und außerdem viele Großmärkte, die Diebe anziehen. Brück bestätigt ein Problem mit Banden nicht. „Sie stellen keine größere Belastung für Regensburg da. Die Täter kommen hier aus allen Schichten.“

Ein Raubüberfall auf eine Regensburger Tankstelle konnte aufgeklärt werden.Lesen Sie mehr.

Je größer die Geschäfte und je höher das Kundenaufkommen, desto größer sei auch die Anonymität, sagt Brück. Ladendiebstahl komme vermehrt in größeren Geschäften vor. „Es wäre also schlüssig, dass die Belastung im städtischen Bereich höher ist als im ländlichen.“ Zum Vergleich: 2015 gab es im Stadtgebiet 1551 Ladendiebstähle, im deutlich bevölkerungsstärkeren Landkreis waren es 202.

2015 gab es im Stadtgebiet 1551 Ladendiebstähle, im deutlich bevölkerungsstärkeren Landkreis waren es 202.

Die Regensburger Geschäfte treffen entsprechende Maßnahmen: Bei Media Markt und Saturn gibt es sichtbare und unsichtbare Diebstahlsicherungen, außerdem setzen die Märkte entsprechend geschultes Sicherheitspersonal ein. „Wir beobachten grundsätzlich, auch in der Region Regensburg, eine Zunahme von Diebstählen bandenmäßig organisierter Täter“, sagt eine Sprecherin von Media-Saturn. H&M trainiert seine Mitarbeiter und setzt auf Ladendetektive. Medimax hat Kameras installiert.

Auf Ideen folgt die Ernüchterung

In Nürnberg ist Anfang des vergangenen Jahres ein Pilotprojekt gestartet,das Polizei und Händler entlasten soll. Die Händler können Ladendiebstähle elektronisch anzeigen. So könne zum Beispiel sofort eine Warnung herausgeschickt werden, wenn Banden unterwegs seien, sagt Kellermann. „Die Pilotierung ist abgeschlossen“, berichtet eine Polizeisprecherin des Präsidiums Mittelfranken. Obwohl das Projekt ursprünglich vom Handelsverband in Nürnberg angeregt worden war, haben die Einzelhändler das Angebot nicht angenommen. Die fünf Referenzgeschäfte hätten keinen einzigen Ladendiebstahl digital gemeldet.

„Die Leute müssen wissen, dass sie beobachtet werden.“Dr. Wolfgang Schörnig, Rechts- und Regionalreferent der Stadt Regensburg

Auch im Rathaus ist das Problem nicht neu. Mit dem Projekt „Sichere Altstadt“ in Zusammenarbeit mit der Polizei und der Staatsanwaltschaft wolle man nicht nur Problembereiche im Blick haben, sondern auch ein Signal senden, sagt Dr. Wolfgang Schörnig, Rechts- und Regionalreferent der Stadt Regensburg. „Die Leute müssen wissen, dass sie beobachtet werden.“ Auch ein Schnellrichtersystem soll Ladendiebe abschrecken: Wer auf frischer Tat ertappt wird, soll dem Richter möglichst rasch vorgeführt werden. „Das hat eine abschreckende Wirkung, sowas spricht sich rum“, sagt Schörnig. Trotz aller Maßnahmen hat Schörnig auch ernüchternde Worte: „Lösen werden wir das Problem nicht.“

Für 2016 erwartet die Polizei einen Rückgang der Ladendiebstähle, genaue Zahlen erscheinen im März. Woher dieser Rückgang kommt, kann Brück nicht sagen. „Die Frage nach dem Warum ist genauso vielschichtig, wie die, warum es in Regensburg eine höhere Belastung gibt.“

Weitere Meldungen aus Regensburg lesen Sie hier.