Geschichte
Wohnen vor 2000 Jahren: Nicht ohne Luxus

Regensburg ist ein teures Pflaster. Die alten Römer wohnten da noch billiger und lebten nicht schlecht: mit Wellness und Vino

07.02.2017 | Stand 16.09.2023, 6:38 Uhr
Heinz Klein
Der Innenraum eines rekonstruierten römischen Hauses aus dem frühen 4. Jahrhundert, wie es in der Römerstadt Carnuntum zu sehen ist −Foto: Silvia Codreanu-Windauer (mit freundlicher Genehmigung von Carnuntum)

Nun beginnt an der Kumpfmühler Straße Regensburgs neues Stadtviertel aus dem Boden zu wachsen – das Dörnberg mit modernster Architektur, hohem Wohnkomfort und Qudratmeterpreisen bis zu 5000 Euro. Wie die künftigen „Dörnberger“ wohnen, werden wir bald sehen. Doch wie wohnten eigentlich vor knapp 2000 Jahren die ganz alten „Dörnberger“ – oder genauer gesagt, die Ur-Kumpfmühler? Denn die Römer, die zwischen 66 und 70 nach Christus in der Stärke einer Kohorte (500 Mann) samt familiärem Tross an die Donau kamen, bauten ihr Kastell direkt unterhalb der Wolfgangskirche am Rande der Bischof-Wittmann-Straße.

Was nun das brandneue Dörnberg wird, nutzten die Römer als Friedhof – ein Gräberfeld, das mit der Zeit gewaltige Ausmaße annahm. Eine auf archäologische Grabungen spezialisierte Firma hat hier 2015 /2016 gegraben und rund1500 Körpergräber zum Vorschein gebracht.Als wir Dr. Silvia Codreanu-Windauer, die Referatsleiterin des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege in Regensburg, fragten, wie wohl damals die Römer so lebten, hatte sie uns eine Menge zu erzählen.

„Shoppen“ im Laubengang

Im 1. Jahrhundert n. Chr. war Regensburg noch nicht Castra Regina und noch keine Boomtown, aber einige hundert Meter vom Dörnberg entfernt immerhin die Keimzelle römischer Besiedlung. Die Bodenpreise tendierten gegen Null, man bekam Grundstücke zugewiesen, aber so einfach nach Lust und Laune bauen ging auch nicht, weiß Dr. Codreanu. Es gab ganz klare Bauvorschriften und so entstand neben dem Militärlager am Rande der heutigen Bischof-Wittmann-Straße der zivile Teil des Römerlagers. Entlang der Kumpfmühler Straße reihten sich sogenannte Streifenhäuser auf langen schmalen Parzellen nebeneinander, in denen die Familien der Soldaten wohnten. Man gönnte sich rund 200 Quadratmeter Grundfläche für die in Fachwerkbauweise errichteten und mit Kalkmörtel verputzen Häuser. Die waren mit der Giebelseite zur Hauptstraße ausgerichtet und hatten nach hinten einen Hofraum, wo das Brennholz lagerte und das Geflügel gackerte.

Wenn man in der ersten Reihe direkt an der Kumpfmühler Straße wohnte, leistete sich der Römer ein Porticus, ein vorgezogenes Dach, das auf Säulen ruhte. So konnte man von Vordach zu Vordach wie unter einem Laubengang shoppen gehen, denn an den Häuserfronten gab es kleine Läden oder die Werkstätten von Handwerkern – sozusagen die Arcaden im Miniformat und noch ganz ohne Sale-Schildchen.

Weiter oben an der Augsburger Straße war ein großes Lagerhaus eingerichtet – die Metro der Vorzeit sozusagen. Hier wurde angeliefert, was der Ferntransport herbrachte: Wein, Olivenöl, Gewürze, Geschirr – Waren sogar bis aus Gallien.

Weiter draußen lagen die Bauernhöfe, bewirtschaftet von ehemaligen Soldaten, die nach 30 Jahren Kriegsdienst pensioniert wurden, dann das Schwert gegen den Pflug tauschten und als Bauern die Lebensmittelversorgung sicherstellten. Auf den Höfen gab es Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen und Geflügel. Man aß Getreidebrei und Fladenbrot, Bohnen mit Speck, Wachteln mit Soße, Fasan und Rebhuhn, gefüllte Schweineeuter, Fische aus der Donau und sicher auch Wild, aber längst nicht jeden Tag Fleisch und ganz sicher keine Pasta, sagt Silvia Codreanu, denn die Nudeln haben die Chinesen erfunden.

Was in den Römer hineinging, musste auch wieder hinaus. Dazu gab es die öffentliche Latrine gleich hinter der Therme, dem großen Badehaus an der heutigen Asamstraße. Man saß nicht abgeschottet durch Trennwände sondern sehr präsent auf dem großen Brett mit den runden Löchern, erledigte, was zu erledigen war, ratschte mit dem Nachbarn über Klatsch oder redete über andere Geschäfte als jene, deren Resultat vom Abwasser der Therme hangabwärts davongespült wurde.

Zumindest einmal in der Woche gemütlich baden, das musste für einen Römer schon drin sein. Der Wellness-Tempel von damals hatte Badebecken mit Steinplatten oder Mosaik, warmes Wasser, das womöglich eine Steinskulptur ausspuckte, einen doppelten Boden, durch den Warmluft zog und in einem Röhrensystem die Wände erwärmt. Zur Therme gehörten auch ein großzügiger Vorbau mit Bar und Umkleideräume, in denen vielleicht ein Sklave zu Diensten stand.

Sogar die „Eckkneipe“ gab es

Sich solchen Luxus zu Hause zu leisten, war nur hochgestellten Persönlichkeiten möglich, erzählt die Archäologin Dr. Codreanu. Doch immerhin hatte auch der „kleine“ Römer im Erdkeller seine Amphoren mit Wein, den man gerne würzte und mit Honig versüßte wie Glühwein. In Kumpfmühl fanden die Regensburger Archäologen sogar ein mannshohes Riesenfass. Die Reste einstiger baulicher Tätigkeit lassen darauf schließen, dass es in Kumpfmühl drei aus Stein erbaute Häuser gab, darunter ein auffallend geräumiges Bauwerk, das wohl eine Herberge gewesen sein muss. Auch die Reste einer Taverne hat man gefunden. Da muss Silvia Codreanu lachen. Es war tatsächlich ein an einer Straßenecke gelegenes Eckhaus – gerade so, wie die gemütliche Eckkneipe von heute und von nebenan.

So ließ es sich wohl auch in der Provinz am Rande des römischen Reiches ganz passabel leben, bis es gewaltigen Zoff mit den Markomannen gab. Das Lager wurde verwüstet und die Kohorte aufgerieben. Die Römer rüsteten auf und kamen 179 n. Chr. wieder – diesmal mit einer Legion und 6000 Mann.

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