Menschen
Chinese mit Cello und Lederhose

„Sheni“ ist ein vielseitiger Musiker. Er war Solist des Landesjugendorchesters. Jetzt begleitete der 20-Jährige einen bayerischen Chor nach China.

26.10.2013 | Stand 16.09.2023, 7:21 Uhr
Helmut Wanner

Musik macht ihm sichtlich Spaß: „Ein hammergeiles Ding“ nennt Stefan Shen („Sheni“) sein Meister-Cello aus der Werkstatt des Würzburger Instrumentenbauers Philipp Keller (1868 bis 1948). Foto: danielweckert.de

Stefan Shen ist Chinese, stammt von chinesischen Eltern ab, aber wenn man ihn in China neben andere Chinesen stellt, sticht er richtig raus. Da merkt man, was es ausmacht, in einer anderen Kultur aufgewachsen zu sein: In Deutschland, das in einer Umfrage von BBC erst kürzlich als beliebtestes Land der Welt bezeichnet wurde. Wie kein anderes Volk haben die Deutschen gelernt, versöhnt zu leben.

Stefan Shen, kurz Sheni, war jetzt wieder in Shanghai und hat mit deutschen Freunden vom evangelischen Singkreis Bad Abbach und der Katholischen Hochschule für Kirchenmusik, wie er sagt, „schamlos rumgesungen“ – im Bus, auf der Straße und am Bund, der Strandpromenade der größten Metropole in Fernost. „Have a nice day“ sang der Tenor vor der atemberaubenden Kulisse der Wolkenkratzer, „Wenn ich ein Vöglein wär“, „Siyahamba“ und alles, was sonst noch vierstimmig ging. Als Zugabe ließ er mit den Chormitgliedern den Schneeberg-Jodler raus, ohne erst um eine offizielle Genehmigung zu bitten. „Die Reise war sensationell“, sagt er. Aber dann hat er sich doch gefreut, als er im Flieger saß und zwar „volle Kanne“: Weil Bayern für ihn ein Stück vom Himmel ist und nix drüber geht über seine Menschen, die er als viel offener und lockerer erlebt als seine Landsleute.

Solist im Landesjugendorchester

Regensburg steht in seinem Pass als Geburtsort. Hier ist er 1993 geboren und „da is a dahoam“. Er fühlt sich weniger als Deutscher, denn als Bayer, spricht Dialekt und in seinem Kleiderschrank hängt selbstverständlich die Lederhose. Stefan Shen ist positiv, unkompliziert und dankbar. „Ich weiß, wie es in anderen Teilen Deutschlands aussieht. Nichts ist selbstverständlich. Ich danke dieser Stadt, die mir so viele Möglichkeiten geboten hat.“

Seine Musikerkollegen nennen ihn Sheni, mit der Betonung auf der ersten Silbe. Man könnte sie aber auch auf die letzte Silbe setzen. Sheni, Landessieger im Wettbewerb Jugend musiziert und lange Zeit Solist im Landesjugendorchester, ist ein Genie auf dem Cello. Kaum hatte er sich mit 7 hingesetzt, räumte er schon den ersten Preis ab. Seine Mutter Hong (52), eine studierte Geigerin, habe sich bei ihm nicht lange mit musikalischer Früherziehung aufgehalten und ihn gleich zu Martin Weikert gegeben, „ein fantastischer Musiklehrer für Kinder“.

Cello ist die Seele des Orchesters

Seit einiger Zeit spielt Sheni ein edles Stück aus der Meisterwerkstatt des Würzburger Instrumentenbauers Philipp Keller (1868 bis 1948). Lange hatte er das Idealinstrument gesucht. Bei Goldfuß hat er es angespielt und hat sofort gespürt, das ist es! „Das geb ich nicht mehr her“, sagt er mit einem bayerisch-chinesischen Lächeln.

Das Cello ist für ihn die Seele des Orchesters. Wenn die Cellogruppe eine Solostelle hat, können im Publikum Gefühle strömen. Shen wollte Berufsmusiker werden wie seine Mutter. Aber dann hat er sich beim Fußballspielen den, für einen Cellisten, wichtigen kleinen Finger der linken Hand gebrochen. Das war für ihn ein Signal. „So was kann immer mal wieder passieren“, sagt Shen.

Vater öffnet für MR Türen in China

Das Café Prock ist sein Empfangsraum. Dort begrüßt die Chefin den 20-Jährigen respektvoll als Herrn Shen. Der Student der Mathematik und Musik für das Lehramt an Gymnasien (5. Semester) wohnt in den oberen Stockwerken. Stefan Shen will ins Lehrfach, weil er Spaß hat, mit Menschen zu arbeiten. Als Schüler hat er in der SMV Verantwortung übernommen. Aus Anlass der Katastrophe auf Haiti organisierte der damals 16-Jährige ein Benefizkonzert des Gymnasiums Neutraubling.

Der chinesische Katholik, von seinen Eltern auf den Namen Stefan getauft, hatte in Bayern nie ein Problem mit Rassismus. Im Gegenteil sei man ihm, dem „kleinen Shen“, von Kindesbeinen an lieb begegnet. Davon zeugt sein Spitzname. Chinesisch hat er von seinen Eltern so beiläufig gelernt, aber Schriftzeichen kann er nicht lesen. Seine erste Flugreise zur Oma war mit sechs Jahren. Er war mächtig aufgeregt, seine Verwandtschaft kennenzulernen. Als der Flieger dann in Tschungking, am Zusammenfluss des Jangtse und des Jialing, nahe des Drei-Schluchten-Damms landete, holte sie wirklich die gesamte Familie (Omis, Tanten, Onkel, Cousins) vom Flughafen ab. „Das werde ich nie vergessen.“

Tschungking gilt mit 29 Millionen Einwohner als die größte Stadt der Welt. Als Stefan noch Schüler am Gymnasium Neutraubling war, verbrachte er die Sommerferien dort.

Für Regensburg in China

Sein Vater Dr. Dazhong Shen (53), promovierter Elektrotechniker, war so mutig, im Ausland zu studieren und auszuwandern. Er ist heute beim Weltmarktführer MR Reinhausen zuständig für die technische Beratung und Projektbetreuung für Kunden in China. Und so heißen die Kinder nicht Chang und Li, sondern Stefan und Anne-Sophie wie Frau Mutter, die Stargeigerin. Schülerinnen und Schüler in Regensburg können sich schon jetzt auf einen einfühlsamen Mathe-Unterricht freuen. Und Schulorchester können auf Impulse hoffen. Auch der Globalisierung tut das gut. So kann sie auch einmal ihre schöne Seite zeigen.