Menschen
Der grüne Goppel unter all den Schwarzen

Sein Clan hat den Ministerpräsident gestellt, einen Bischof und Staatsminister. Da muss man als Mann schauen, wo man bleibt.

30.07.2016 | Stand 16.09.2023, 6:44 Uhr
Helmut Wanner
Am liebsten mit Hut: Christoph Goppel (68) in seinem Garten. Im Spiel mit seinem jüngsten Enkel Vincent erkennt er sich wieder. −Foto: Wanner

Wenn man das Gartentürl am Haus von Christoph Goppel in der Karthauser Straße öffnet, steht man, obwohl mitten im pulsierenden Kumpfmühl, dennoch in der Anderwelt. Es ist, als ob aus einem grauen, starren Familien-Gruppenbild rote Lippen herausknallten.

Hinter diesem Holzzaun ist alles wild, ursprünglich, irgendwie verwandelt. Alles darf leben in diesem Haus am ehemaligen Prinzengarten. Und alles ist irgendwie beseelt, personalisiert. Die Gitarre im Erker, die Djemben, die Tonplastiken, die Fotos … selbst die per Hand abgebeizten Türstöcke schreien drei große Buchstaben: „ICH“.

„Ich bin ein komplizierter Mensch“

„Ich habe mir lange überlegt, wie ich anfangen soll“, beginnt Christoph Goppel. Am Esstisch, mit Blick in den großen wildromantischen Garten, macht er in seinem ersten Statement klar. „Ich bin ein komplizierter Mensch.“ Dabei könnte man meinen, dieser Mann hat alles, was er braucht: Er ist ein echter Goppel.

Das ist sein Problem, das ist aber auch die Lösung: Über das Wohl und Wehe, ein Mitglied des Reinhausener Goppel-Clans zu sein, kann Christoph Goppel viel erzählen. Und deswegen („wer schreibt, der bleibt“) wurde er zum Genealogen der Familie. Onkel Alfons war bayerischer Ministerpräsident, Cousin Thomas war bayerischer Staatsminister. Es hagelt in dieser Familie Bischöfe, Staatssekretäre, Ministerialdirigenten, Professoren und Gymnasiallehrer. Manche Goppels könnten sich bei ihrem nächsten Treffen fließend in Latein oder Alt-Griechisch unterhalten. Aber gib den Nachkommen des Bäckermeister Ludwig Goppel einen Hammer in die Hand... Über diesem Gedanken empfindet er diebische Freude.

Der lange Weg ans Licht

Familie gibt Geborgenheit und Kraft. Aber im Goppel-Eichenwald musste Christoph, dieser einzigartige Baum, erst seinen Weg zum Licht finden. Die Bedingungen dafür waren doppelt schwer. Nicht einmal seinen Vornamen hat er im Clan exklusiv. Der andere Christoph ist promoviert, sitzt im Ministerium und schaut zu allem Überfluss auch noch aus wie die Wiedergeburt des übermächtigen Onkel Alfons. Damit nicht genug: Christoph Goppel wurde als Zwillingskind des Gymnasiallehrers Dr. Richard Goppel, eines Bruders des Ministerpräsidenten, geboren. Er war der stillere der Zwei. Seine Zwillingsschwester ist heute Professorin für Französisch und Englische Literatur.

Aber in seinem Leben wirkte auch der Kairos, der günstige Zeitpunkt: Christoph Goppel ist am 26. April 1948 geboren – im Zeichen des Stiers und genau zur richtigen Zeit, um sich abzugrenzen. 1968 hat er voll mitbekommen, er war da 20 Jahre alt, als man gegen den Muff seit 1000 Jahren unter den Talaren protestierte. Heute ist er 68 Jahre alt. Er ist also ein echter 68er. Aber nicht so, wie man denkt: Revoluzzer wurde er nicht. Christoph Goppel wählte die grüne, die praktische Schiene. Er war einer der ersten Studenten des Faches Biologie an der Uni Regensburg und der erste Naturwissenschaftler der Familie. Als Grüner unter all den Schwarzen stand er plötzlich konkurrenzlos da. Und er hatte sich zum Ziel gesetzt, als Chemie- und Biologielehrer dort erfolgreich zu sein, wo sein Vater Professor für die alten Sprachen war, am Albrecht-Altdorfer-Gymnasium.

Er hat auf neuen Felder seine ganz eigenen Siege erfochten, und merkte bei Sitzungen des Naturschutzbeirats der Stadt doch immer wieder in sich das innere Feuer der Goppels, die Kraft der politischen Gene, die er in sich trägt.

Der ehrenamtliche Leiter des Umweltzentrums kennt jeden der 20 000 Bäume der Stadt. Von einem zum anderen ist er geradelt, hat die Werte in Formblätter eingetragen, zum Wohl der Allgemeinheit. „Zwischen 1976 und 1997 habe ich die epiphytischen Flechten kartiert, als Indikatoren für Luftreinheit. Aber mein größter Triumph, das sag ich offen, war die Verhinderung des Kalkabbaus in Keilberg und Brandlberg. Beide Steinbrüche wurden unter Naturschutz gestellt“.

In Familien gibt es immer den einen, der sich für die Geschichte der Ahnen interessiert. Bei den Goppels ist es „Christoph, der Grüne“. Er hatte schon immer auf Familienfesten fotografiert. Vor 20 Jahren begann er die väterlichen Quellen zu erforschen. Vor zehn Jahren hat er angefangen, die Chronik zu schreiben. Nun liegt sie im Druck vor: „Die Goppels – Tue recht und scheue niemand.“ „Das war das Lebensmotto der Großmutter“.

Bäcker Ludwig Goppel (1876 bis 1953) war ein Schwabe, mit den für die Goppels charakteristischen großen Ohren. Er kam 1900 aus Fremdingen im Donau-Ries, wo angeblich „die härtesten Schädel wachsen mit dem geschicktesten Fleiß“. Der Vater von neun Kindern ernährte die Familie als Bäckermeister, Fabrikarbeiter, Vertreter für Schnupftabak und Kalksteinverkäufer. Er war Mitglied der Bayerischen Volkspartei, Mitbegründer der TG Walhalla. In der Baugenossenschaft setzte er sich für den Bau der Arbersiedlung ein. Dort, in der Alten Waldmünchner Straße, fanden die Goppels 1922 ihre endgültige Heimat. Aber „Roahausen“ war nicht die beste Adresse. Ein Motiv für den Ehrgeiz der Goppelkinder wird gewesen sein, dass die Stoderer ein eingefleischtes Vorurteil gegenüber dem Dorf hatten. „Von da“, hieß es, „kann ja nichts Gescheites herkommen.“ Sie haben das Gegenteil bewiesen.

„Wo das Herz brennt, da bin ich“

Christoph Goppel muss sich heute nichts mehr beweisen. „Wo das Herz brennt, da bin ich.“ Zum Beispiel in den Kursen für Kinder. Da bietet er als Leiter des Umweltzentrums die Essenz seines Lebens an. Und wenn er mit seinem jüngsten Enkelsohn VincentGoppel-Toperngbong, einem Goppel mit einem Viertelanteil Thailänder, durch den Dörnbergpark geht, lässt er sich ein in die Begegnung mit der Natur. „Die Vogelstimmen, die sind für mich die Stimme der Seele.“ Diese Entschleunigung erfahre er über die Begegnung mit dem Kind, seinem Alter Ego. „Das tut gerade Männern gut, die aus einer Familie stammen, wo Erfolg und das Äußere so wichtig waren.“