Immobilien
Auf Stelzen gegen die Wohnungsnot

In München entstehen Apartments über einem Freibad-Parkplatz. Ein Experte sagt: So etwas braucht auch Regensburg.

28.03.2016 | Stand 16.09.2023, 6:51 Uhr
Dieses Gebäude am Unteren Wöhrd steht zum Teil auf Stelzen – weil im Hochwassergebiet. Die Stadt München lässt nun ein Stelzenhaus über einem Freibad-Parkplatz bauen –als Modellprojekt. −Foto: Lex

In München soll es bald ein Wohnhaus auf Stelzen über einem Freibad-Parkplatz geben. Und das ist keine Vision, sondern ein Plan: Die Münchner Stadtspitze lässt die städtische Wohnungsbaugesellschaft im Rahmen des Programms „Wohnen für alle“ für Menschen mit kleinem Einkommen das Modellprojekt umsetzen. Auch in Regensburg ist Wohnraum für Gering- und Normalverdiener knapp – und ein Stelzenhaus noch eine Vision. Allerdings eine, der Experten und Verantwortliche aufgeschlossen gegenüberstehen. Andreas Eckl, Vorsitzender des Architekturkreises, prophezeit sogar für Regensburg: „Die Idee wird kommen.“ „Und sie soll auch kommen“, ergänzt er.

Eckls Argument dafür lautet: „Wir sind in einer Phase mit den Immobilienpreisen, in der man darüber nachdenken muss, wie man parallel zum normalen Markt kostengünstigen Wohnraum schafft.“ Die Planungsreferentin der Stadt, Christine Schimpfermann, zeigt sich offen für das Konzept: „Ich könnte mir gut vorstellen, dass man so etwas entwickelt.“

Holz und Beton, aufgeständert

Das hat die Münchner Wohnungsbaugesellschaft Gewofag vor: Über dem Parkplatz des Dantebads nördlich der Innenstadt will sie bis Ende des Jahres ein Haus mit gut 110 Einzimmer-Apartments bauen lassen – auf Stelzen, und womöglich aus Holz und Betonfertigteilen, das steht noch nicht fest.

Bei Fachleuten macht das Projekt von sich reden. Baureferentin Christine Schimpfermann kennt es – und ist angetan. „Das kann durchaus mal eine ganz gute und pfiffige Idee sein.“

Eine Vorreiterrolle könne die Stadtverwaltung bei Sondervorhaben wie diesem allerdings nicht spielen – weil sie nur einen kleinen Beitrag zur Schaffung von Wohnraum leisten könnten, dafür aber einigermaßen aufwendig seien. „Es ist nicht unlösbar, aber man muss sich wirklich damit beschäftigen“, so schätzt die studierte Architektin Schimpfermann die Umsetzbarkeit eines solchen Stelzenhauses ein. Die erste Hürde: „Die allermeisten Stellplätze gehören Dritten.“ Viele große Parkplätze seien in Gewerbegebieten, wo Wohnbau nicht ohne Weiteres erlaubt ist. Die zweite: „Solche Anlagen erfordern auch wieder Stellplätze. “

„Im Augenblick setzen wir unsere personellen Kapazitäten hauptsächlich für die Schaffung von Baurecht ein“, erklärt Schimpfermann diePrioritäten der Verwaltung. Für Einzelunternehmungen wie ein Stelzenhaus über einem Parkplatz gelte: „Eigentlich bräuchte ich einen Partner.

Den würde Schimpfermann unter Regensburger Planern wohl schnell finden. Architekt Andreas Eckl und sein Kollege Bernd Rohloff, Landschaftsarchitekt und Stadtplaner, schwärmen im Gespräch über das Modellprojekt von mutigen Wohnbauprojekten im Norden Europas. Das Bild eines Hauses über einer Markthalle in Rotterdam wirft Eckl an die Wand seines Architekturbüros am Unteren Wöhrd – der Anbau seines Arbeitsplatzes steht wegen der Hochwassergefahr auch auf Stelzen.

Politik muss Impulse setzen

Rohloff erzählt auch von Kopenhagen: „Wir verlangen neue Konzepte von den Investoren“, das sei die Politik der Stadt. Auch Eckl ist sich sicher: „Der Markt wird von sich aus so etwas wohl nicht hervorbringen. Warum sollte er auch?“ Für Unternehmen sind auch Standardprojekte einträglich – und berechenbarer.

Tatsächlich steht etwa Joachim Becker, Chef der Regensburger Stadtbau, dem Münchner Ansatz eher skeptisch gegenüber. „Man muss sehen, dass eine derart bauliche Lösung sehr aufwendig ist und nur bei sehr teuren Grundstücken in Frage kommt.“ Das Baurecht mache eine schnelle Realisierung oft unmöglich: Angenommen, jemand würde über dem Westbad-Parkplatz bauen wollen – er würde laut Becker vier Jahre Vorlauf brauchen, weil es für dieses Gebiet keinen Bebauungsplan gibt. Auch der Lärmschutz sei anspruchsvoll.

Eckl und Rohloff glauben: Solange Investoren locker Käufer für Standardwohnungen finden, bauen sie eben solche. Für Innovationen gelte: „Das ist eher die Politik, die sich darum kümmern muss“, sagt Eckl.

Oberbürgermeister Joachim Wolbergs äußert sich spontan aufgeschlossen zu der Münchner Stelzen-Idee. „Ich hab schon mal darüber nachgedacht, ob wir bei den Parkplätzen an der Uni so etwas machen für Studenten“, sagt er, räumt aber ein: „Ich hatte das jetzt nicht mehr auf dem Schirm.“ Er wolle nun die Verwaltung prüfen lassen, ob es in Regensburg Flächen gibt, die sich für ein aufgeständertes Haus eignen würden.

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