Aufruf
Maria Langs Gespür fürs Gschnür

Mieder, Röcke, Fotografien oder Accessoires – die Kuratorin am Historischen Museum in Regensburg sucht nach regionalem Gwand.

28.07.2015 | Stand 16.09.2023, 7:04 Uhr
Kuratorin Maria Lang freut sich über das Dirndl-Geschnür von Ilona Steib, der Frau des Regensburger Stadtmalers. Die trug es auf der Fürstenhochzeit 1980. Es wird in der Ausstellung zu sehen sein. −Foto: Fotos: Haala

Maria Lang, Kuratorin der Ausstellung „B | trachten“ am Historischen Museum, Dachauplatz, lässt die Glieder einer Kette durch ihre Finger gleiten. Die historischen Geldmünzen mit einer Prägung aus dem Jahr 1791 sowie die hohlen Nüsse, Eicheln und Weintrauben aus Silber, die an dem Gschnür baumeln, klirren dabei laut. Lang ist begeistert: Der Schatz, den sie gerade gehoben hat, stammt aus dem Jahr 1895 und ist dafür bestimmt, ein Dirndlmieder zu zieren. Um die Haken am Brustteil des Gewandes gelegt, ist das Gschnür der ganze Stolz der Trägerin.

Das Accessoire ist genau das, was Lang und ihre Kollegin Katrin Werner derzeit suchen. Sie sammeln regionale Gewänder und Fotografien, die aus der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammen. Die brauchen sie für die Ausstellung „B | trachten“, die vom 1. April bis 10. Juli 2016 im Historischen Museum zu sehen sein wird. An dieser Ausstellung können sich auch die Regensburger mit den Preziosen aus ihrem Privatbesitz beteiligen.

Das Telefon steht nicht still

Seit einem entsprechenden Aufruf in der MZ vor zwei Wochen steht das Telefon von Lang und Weber nicht mehr still. 50 Regensburger zeigten ihnen während Besichtigungsterminen Fotografien und Gewänder, die zum Teil seit Generationen in deren Familienbesitz sind und in Schränken, Kisten und Speichern ein wenig beachtetes Dasein fristen. Manche Trachtenbesitzer hatten so viel potenzielles Material für die Ausstellung auf Lager, dass Lang und Weber Auswärtstermine vereinbarten, um die vielen Gewänder an Ort und Stelle zu sichten.

Lang berichtet beispielsweise von einem kleinen Täschchen, Spenzerjacken und einem Rock, die sie bei den Regensburgern fand. Eine Freude war ihr auch die Kollektion eines Regensburger Postkartensammlers, der sich genau auf die Motive fixiert hat, die für die Ausstellung so dringend gesucht werden. Eine besondere Preziose ist auch eine Riegelhaube, die aus der ehrwürdigen Regensburger Manufaktur von Lene Stadler stammt – das ist noch am Etikett zu erkennen. Wer etwas auf sich hielt, holte sich den Kopfschmuck aus dem Haus der Stickerin. Lang und Weber sind überwältigt von der Resonanz der Regensburger.

Familienschmuck mit Geschichte

Eine Regensburgerin, die sich bei Lang und Weber gemeldet hat, heißt Ilona Steib. Die Gattin des Regensburger Stadtmalers Werner Steib hat das Gschnür, für das Lang sich so begeistert, zu einem der Besichtigungstermine in das Historische Museum gebracht. Es hat eine lange und aufregende Geschichte hinter sich, die Steib lückenlos erzählen kann.

Steib hat den Schmuck von der Cousine ihrer Mutter geerbt. Eigentlich befanden sich einmal zwei Ketten dieser Art im Besitz der Familie. Die Urgroßmutter von Ilona Steib hatte die Gschnüre 1904 für ihre Töchter angeschafft. Während die Schwester von Steibs Großmutter ihr Accessoire aber über Generationen weitervererben konnte, sah sich Steibs Großmutter während der Wirren des Kriegsendes 1945 gezwungen, ihr Gschnür bei vorgehaltenem Gewehr den Alliierten zu überlassen. „Ich wüsste zu gerne, wo das jetzt gelandet ist“, sagt Steib.

Die Geschichte des verbliebenen Gschnürs ist nicht weniger aufregend. Steib erinnert sich noch gut daran, als sie es zu einem ganz besonderen Anlass getragen hat: Ilona und Werner Steib sollten während der Fürstenhochzeit von Gloria und Johannes von Thurn und Taxis im Jahr 1980 Brot und Salz in Tracht überreichen. Damals ist die Cousine ihrer Mutter extra aus München angereist. „Sie hat es mir noch angelegt“, erinnert sich Steib.

Weil das Zwillingsteil verloren ist und das Verbliebene so eine aufregende Geschichte erzählt, will sie umso sicherer sein, was mit dem Gschnür passiert. „Ich möchte nicht, dass es auf einem Flohmarkt landet und seine Geschichte vergessen wird. Deswegen habe ich es ins Museum gebracht“, sagt Steib und rennt bei Kuratorin Lang damit offene Türen ein. Sogar von einem möglichen Ankauf ist bei dem Besichtigungstermin die Rede.

In der Ausstellung wird das gute Stück auf jeden Fall zu sehen sein. Es ist die Geschichte, die Steib erzählt, die das Stück zu so etwas Besonderem macht, erklärt Lang. Sie versichert, dass das Stück aus der Regensburger Region stammt und dass die zukünftigen Ausstellungsbesucher damit ein echtes Stück Regensburger Tracht in der Vitrine bestaunen werden können.

Weiterhin ist Kuratorin Maria Lang auf der Suche nach Stücken oder Fotos aus der zweiten Hälfte des 19. oder der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Besichtigungstermine können unterlang.maria@regensburg.deoder (0941) 5 07 44 40 vereinbart werden.