Ausgrabung
Skelette vor Suzie-Wong-Club gefunden

Spezialisten sichern die Knochen von mindestens drei Menschen. Die Partygäste standen jahrelang über ihnen Schlange.

13.10.2016 | Stand 16.09.2023, 6:43 Uhr
Spezialisten sind derzeit dabei, die Funde zu sichern und zu untersuchen. Es handelt sich um mindestens drei Skelette, die direkt vor dem Eingangsbereich des Clubs in ungefähr einem Meter Tiefe im Erdreich liegen. −Foto: mt

Swen Bender ging 13 Jahre lang über Leichen. Tagtäglich kontrollierte der Türsteher hunderte Partygäste vor dem ehemaligen Regensburger Club Suzie Wong in der Obermünsterstraße – nicht ahnend, dass nur ungefähr einen Meter unter ihm mehrere Skelette im Erdreich vergraben liegen. Jahrzehntelang standen somit auch die Diskothekbesucher in Schlangen auf dem Pflaster über den menschlichen Gebeinen an. Erst durch Aushubarbeiten entdeckten Bauarbeiter am Mittwoch die Knochen, unmittelbar vor dem Eingang des ehemaligen Clubs auf dem Jesuitenplatz, der sich vor dem Peterswegparkhaus befindet. Die sogenannten archäologischen Sondagen werden seit vergangener Woche im Auftrag eines privaten Bauherrn durchgeführt, um damit eine Baumaßnahme vorzubereiten.

Vor einem Jahr hat sich Benders Arbeitsplatz um wenige Meter verlagert. Er arbeitet jetzt gegenüber,im neuen Club Beats im Keller des Parkhauses. Als er dort am Donnerstagmittag vorbeischaut, trifft ihn fast der Schlag: Hinter der Baustellenabsperrung, an der er fast täglich vorbeigeht, liegt plötzlich ein ausgehobenes Grab. „Im Nachhinein ist mir da richtig angst und bange geworden“, sagt er. Sein erster Gedanke: Aus welcher Zeit stammen die Funde? Zunächst habe er noch angenommen, die Körper könnten aus den 70er-Jahren stammen, weil zu dieser Zeit zuletzt an dieser Stelle gebaut wurde. „Das eine Ende des Platzes hatten die Arbeiter ja schon aufgegraben und da war noch alles in Ordnung“, sagt Bender. „Ich habe immer gedacht, das wäre ein ganz normales Pflaster. Wer hätte denn ahnen können, dass sich darunter ein so makaberer Fund verbirgt?“

Archäologen: Gräber aus Mittelalter

Die Spezialisten, die am Donnerstag die Funde sichern und untersuchen, geben aber Entwarnung. Sie haben eine andere Theorie. Laut ihren Angaben handelt sich um mindestens drei Skelette. Die Archäologen vermuten, dass die Funde aus dem Mittelalter stammen könnten. Sie tippen grob auf das 10. Jahrhundert. Zu dieser Zeit befand sich das Benediktinerkloster Sankt Emmeram am Fundort. Von einem Friedhof an dieser Stelle existierten jedoch keine Aufzeichnungen. Im 10. Jahrhundert wurde der Heilige Wolfgang zum Oberhaupt der Kirche in Regensburg geweiht. Bekannt ist der Bischof auch dafür, dass er 975 in Regensburg eine Domschule mit Chor gründete, aus demdie heutigen Regensburger Domspatzenhervorgingen.

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Auf diese Nachricht hin kann dann auch Bender über den Fund lachen. „Seit ich als Türsteher arbeite, habe ich ja wirklich schon viele skurrile Sachen erlebt. Dass ich jahrelang direkt über diesen Leichen gearbeitet habe, toppt aber alles.“ Schon immer habe er sich gewundert, warum er so schlecht träume, witzelt er. „Jetzt, wo ich weiß, dass ichständig über einem Friedhof gestandenhabe, ist die Sache ja klar.“

Die Funde sind noch zu aktuell für gesicherte Angaben. Eine Mitarbeiterin des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege sei am Donnerstag in Regensburg vor Ort gewesen, sagt eine Sprecherin der Behörde auf Nachfrage unserer Zeitung. Man wolle sich mit Spekulationen zurückhalten und könne daher zum jetzigen Zeitpunkt nur einige Anhaltspunkte geben.

Stadt erwartet weitere Funde

„Uns fehlen noch einige Hinweise“, sagt die Sprecherin. Auch die genaue Datierung der Skelette sei noch nicht möglich. „Es sind aber sicher keine aktuellen Gräber, wie man sie heute vielleicht auf einem Friedhof findet.“ Die Funde werden jetzt in die Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie nach München gebracht. „Dort werden die Knochen untersucht und chemisch analysiert, wie alt sie sein könnten“, sagt die Sprecherin. Weil keine Grabbeigaben gefunden wurden, handle es ich aber wohl nicht um einen mittelalterlichen Friedhof.

Eine Sprecherin der Stadt vermutet, dass es sich um Gräber im Umfeld der Kirche handelt, die ab dem 11. Jahrhundert bis 1809 im Bereich des heutigen Parkhauses stand. „Auf dem Gebiet des sogenannten Mittelmünster entstand Ende des 10. Jahrhunderts ein Damenstift für Benediktinerinnen, das Ende des 16. Jahrhunderts an die Jesuiten übergeben und bis zu seiner Zerstörung 1809 als Männerkloster weitergeführt wurde.“ An der Stelle seien in den verschiedenen Schichten durchaus weitere Funde zu erwarten; über die gesamte mittelalterliche Entwicklung Regensburgs bis hin zu den Schichten des römischen Legionslagers, sagt die Sprecherin.

Den ersten Hinweis auf die Funde erhielt unsere Zeitung von einem Facebooknutzer. DieSkelette werden jetzt gesichertund abtransportiert. Anschließend können die Arbeiten amJesuitenplatzfortgesetzt werden.

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