Interview
So sieht der Händlmaier-Erbe Regensburg

Der Senffabrikant gibt nicht überall seinen Senf dazu. Mit uns hat er aber über die Domstadt gesprochen – und den Jahn.

23.09.2016 | Stand 16.09.2023, 6:47 Uhr
Franz Wunderlich auf seinem Stammplatz vor der Mocca Bar −Foto: Fotos: altrofoto.de

Franz Wunderlich sitzt entspannt vor der Mocca Bar in der Brückstraße. Dort gehört der Senffabrikant zu den Stammgästen. Der 51-Jährige gibt sich leger und lacht viel. Immer wieder kommen Leute vorbei, die ihn herzlich begrüßen. Wunderlich zögert bei keiner Antwort. Nur die Frage nach einem Betriebsrats-Eklat bringt ihn kurz aus der Ruhe.

Herr Wunderlich, sind Sie jeden Tag hier?

Ich bin öfter hier, aber nicht jeden Tag. Das wäre zu viel des Guten. Es ist unvorstellbar, über was hier alles geredet wird.

Verraten Sie, worum es zurzeit geht?

Es sind zu viele Touristen da. Wenn Sie hier sitzen, sehen Sie das. Sie kommen sich vor wie im Busbahnhof.

Ist das Ihre Meinung?

Ich bin der Meinung, dass Touristen grundsätzlich wichtig sind. Je mehr, desto besser. Aber machen die vielen Tagestouristen von den Kreuzfahrtschiffen Sinn?

Aber profitiert Ihr Händlmaier-Laden in der Unteren Bachgasse nicht auch von den Gästen aus aller Welt?

Wir machen zwei Drittel des Umsatzes mit Regensburgern. Als Tourist kaufe ich doch keine drei Gläser Senf. Die Touristen kommen und schauen sich das an. Das ist der Sinn und Zweck. Die Regensburger kaufen..

Was geht in der Bachgasse am besten?

Eher exotische Artikel wie die Soßen. Der klassische süße Senf wird im Supermarkt gekauft.

Liegt der Marktanteil Ihres süßen Senfs in Deutschland noch bei 70 Prozent?

73 Prozent sind es jetzt, in Bayern sogar 84 Prozent.

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Führt Aldi einen Händlmaier-Senf mit anderem Etikett?

Wir liefern an Aldi, ja. Es ist heutzutage wichtig, auf mehreren Beinen zu stehen. Wir produzieren auch Soßen für andere Hersteller.

Ihr Lieblingsprodukt der eigenen Firma?

Die Currysoße. Die nehme ich zum Grillen oder zum Fondue.

„Die Entwicklung in den letzten 25 bis 30 Jahren ist atemberaubend.“Franz Wunderlich über Regensburg

Sie sind in Regensburg aufgewachsen. Wie sehen Sie die Stadt?

Die Entwicklung in den letzten 25 bis 30 Jahren ist atemberaubend. Vor dem Bau der Uni war es Provinz, die Oberpfalz galt wegen der schlechten Anbindung als Ende der Welt. Weil dann viele junge Leute aus ganz Deutschland gekommen sind, hat sich die Bevölkerungsstruktur verändert. Die Anbindung ist heute sehr gut. Unternehmen wie BMW haben Jobs geschaffen. Die Stadt ist schön, hat eine überschaubare, sympathische Größe. Zum Wohnen ist sie ideal.

Aber für viele zu teuer.

Ja, für eine Stadt dieser Größe ist es extrem teuer. Doch es wird eine Menge gebaut. Und wenn jemand eine Eigentumswohnung kauft, zieht er woanders aus. Es ist Aufgabe der Stadt, geförderten Wohnraum zu schaffen. Ich glaube, in zehn Jahren werden wir die Wohnungsknappheit von heute nicht mehr haben. Allerdings bin ich der Meinung, dass sie ohnehin nicht so groß ist. Wir vermieten selbst und da stehen keine 100 Leute vor der Türe wie in München, sondern fünf. Die Vermietung ist nicht so einfach, wie man sich das vorstellt, vor allem bei großen Wohnungen.

Vielleicht sind Ihre Wohnungen zu teuer.

(Lacht). Kann sein. Wir vermieten zu marktüblichen Preisen.

Sie haben das Gloria, einst Kino und Kulturtheater, gekauft. Warum, wenn Sie keine Nutzungsidee haben?

Ein angrenzendes Haus gehört dazu. Es steht seit Jahren leer. Wir sanieren und vermieten es. Den Bauantrag haben wir schon eingereicht.

„Das Gloria von vor 20 Jahren, das es in der Wahrnehmung der Regensburger gibt, existiert ja gar nicht mehr.“Franz Wunderlich

Und das Gloria?

Wir haben natürlich Ideen, aber sie sind noch nicht spruchreif. Es wird kein Senfmuseum, warum auch? Der Laden in der Unteren Bachgasse reicht. Es wird auch kein Kino, weil das finanziell nicht machbar ist. Das Gloria von vor 20 Jahren, das es in der Wahrnehmung der Regensburger gibt, existiert ja gar nicht mehr. Drinnen hängt das Dämmmaterial von der blanken Betonwand. Es gibt keine Bestuhlung mehr. Außer der schönen Treppe und der Empore ist nichts übrig.

2014 feierte Händlmaier 100-Jähriges. Sehen Sie hier die Bilder:

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Bei öffentlichen Ereignissen treten Sie selten auf.

Ich bin so froh, dass ich beruflich nicht abhängig bin von Regensburg. Dann muss ich nicht immer so nett sein und Smalltalk reden. Ich muss nicht Everybody‘s Darling sein. Ich habe keine Angst anzuecken. In der sogenannten Regensburger Gesellschaft muss ich nicht dabei sein.

Ist Regensburg spießig?

Nein, ich finde es nicht spießig. Damit hat das nichts zu tun. Ich mache die Dinge, die ich machen will. Ich sitze lieber im Café als bei Megapartys.

Händlmaier unterstützt den SSV Jahn.

Er hat sieben Premiumsponsoren, wir sind dabei. Netto ist Hauptsponsor.

Glauben Sie, dass der Jahn aufsteigt?

Die Möglichkeit, dass er in die 2. Liga aufsteigt, sehe ich schon. Der momentane Weg des Jahn ist der richtige. Wir unterstützen auch den Bundesligaverein FC Ingolstadt. Das ist für uns vom Marketing her interessanter. Die Werbung über Sky läuft deutschlandweit. Auch den EVR sponsern wir.

Sie besuchen jedes zweite Spiel des SSV Jahn. Gefällt Ihnen die Conti Arena?

Sehr gut, sie ist zweitligatauglich, vielleicht eignet sie sich sogar für die 1. Liga. Ein modernes, perfektes Stadion – aber das Flair fehlt. Die Conti Arena ist vernünftig, das Jahnstadion war emotionaler, persönlicher.

Treiben Sie selbst Sport?

Ich fahre Mountainbike. Auf den Winzerer Höhen oder am Gardasee. Man wird dünner und bleibt fit. Und ich kann abschalten dabei. Es ist ein Gegenprogramm, weil ich viel sitze.

Ihr Lieblingsplatz in der Stadt?

Ich gehe gern ins Orphée, aber ich möchte jetzt nicht dafür werben. Ansonsten gibt es so viele schöne Plätze. Ich wohne am Unteren Wöhrd, wenn Sie unter der Steinernen Brücke durchgehen, während die Sonne sinkt, ist das wirklich spektakulär. Wenn Sie im Storstad auf der Terrasse essen, ist der Blick auch spektakulär. Doch der beste Blick ist in der Residenzstraße, im fünften Stock. Das vermieten wir.

Sie hatten vor Jahren Probleme mit dem Betriebsrat.

Eine Mitarbeiterin hat die Leute zusammengerufen und den Betrieb stillgelegt. Also konnten wir nicht an Rewe liefern und mussten eine Konventionalstrafe von 25 000 Euro bezahlen. Man wollte uns vernichten.

Wieviel beträgt der niedrigste Lohn?

Zwölf Euro in der Stunde.

Wie werben Sie?

Wir werben nur zum Oktoberfest.

Drei Jahre haben Sie die Streif Vertical Up gefördert, bei der die Sporler die Streif in Kitzbühel mit Tourenski bezwingen.

Audi steigt stärker ein. Wir machen etwas Neues, um junge Leute zu erreichen.

Händlmaier hat Fanclubs. Was tun die?

Der in Cincinnati veranstaltet bayerische Feste. 2017, zum zehnjährigen Bestehen, sind wir eingeladen. Am liebsten soll ich oder meine Mutter kommen. Es bringt finanziell nichts, ist aber eine nette Sache. Gewöhnlich haben Lebensmittelfirmen nur Feinde.

Es sind viele Skandale passiert.

Nein, die Wahrnehmung ist falsch. Ich glaube, dass in der Autoindustrie viel mehr Skandale passieren. Ein Beispiel ist VW. In Deutschland ist der Verbraucher der ärmste. Was passiert denn? Nichts. Aber es gibt auch keinen 100-prozentigen Schutz. So wie in der Autoindustrie Fehler passieren, passieren sie in der Lebensmittelproduktion. Die Probleme müssen gelöst werden. Ich bin überzeugt, dass wir eine hohe Lebensmittelsicherheit haben. Leider hat das Essen hier nicht denselben Stellenwert wie in Frankreich. Aber zehn Prozent sind bereit, für Qualität mehr zu bezahlen. Es bleibt aber so: Wenn Autos teurer werden, spielt das keine Rolle, beim Essen schon.

Kriegen Sie das zu spüren?

Ja, wir befinden uns in einem Preiskampf. Wir müssen rationalisieren.

Schadet Ihnen der Trend zum vegetarischen Essen?

Nein, wir bringen ständig neue Produkte heraus, denn der Bereich Weißwurst und Senf nimmt ab. Der Soßenmarkt entwickelt sich prächtig.

Suchen Sie noch Produkttester?

Ja, immer. Alle paar Wochen haben wir eine Verkostung.

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