Kriminalität
Trittbrettfahrer: Auch Polizei will Geld

Ein Jugendlicher teilte eine Nachricht in Analogie zum Münchner Amokläufer – und hielt damit 50 Regensburger Beamte auf Trab.

28.07.2016 | Stand 16.09.2023, 6:45 Uhr
Kunden laufen durch das Einkaufszentrum Regensburg Arcaden. Am Montag patrouillierte dort die Polizei zur Sicherheit. Es blieb aber alles ruhig. −Foto: dpa

Die Ermittlungen der Kriminalpolizei Regensburg wegen des verunsichernden Facebook-Aufrufs am Montag zu einem Treffen in den Arcaden waren erfolgreich. „Nach derzeitigem Ermittlungsstand erscheint der Fall geklärt“, sagte Oberstaatsanwalt Theo Ziegler. „Die tatverdächtige Person aus dem Raum Regensburg hat eingeräumt, den Facebook-Beitrag verfasst zu haben. Die bereits strafmündige, aber noch minderjährige Person hat beteuert, ohne böse Absicht gehandelt zu haben.“

Der Trittbrettfahrer verursachte mit seiner Nachricht am Montag einen größeren Polizeieinsatz in Regensburg: 50 Beamte waren von 16 Uhr bis 17.30 Uhr bei den Regensburg Arcaden im Einsatz. Beamte der Kriminalpolizei und der Pressestelle des Polizeipräsidiums beschäftigte der Fall sogar den ganzen Tag. Die genauen Einsatzkosten konnte Marco Müller, Pressesprecher der Polizei, nicht nennen. In einer „Warnung an alle Trittbrettfahrer“ veröffentlichte aber die Polizei München am Donnerstag auf Facebook Zahlen. „Pro eingesetztem Beamten und Stunde stellen wir jeweils 54 € in Rechnung. Kommt ein Hubschrauber zum Einsatz, werden 3460 € pro Stunde in Rechnung gestellt“, heißt es dort.

Müller ging davon aus, dass diese Sätze bayernweit identisch sind. Allein für den eineinhalbstündigen Polizeieinsatz in den Arcaden kämen damit schon 4000 Euro zusammen. „Wir hatten den ganzen Tag mit der Geschichte zu tun. Das sind sicher nicht unerhebliche Kosten“, sagte Müller. Man könne hier von mehreren Tausend Euro ausgehen.

Die Polizei will, dass diese Kosten nun dem Trittbrettfahrer auferlegt werden. „Das wird man prüfen und anstreben“, sagte Müller. „Wir haben vor, hart gegen den Trittbrettfahrer vorzugehen.“ Ob die polizeilichen Kosten tatsächlich erhoben werden, hänge aber noch von dem Strafverfahren ab.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Tatbestand der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von (schweren) Straftaten erfüllt ist. „Denn im Kontext zu dem wenige Tage zuvor mit einem ähnlichen Facebook-Aufruf eingeleiteten Amoklauf in München konnte auch die aktuelle Äußerung als Ankündigung ähnlich schwerer Gewalttaten verstanden werden“, sagte Ziegler am Mittwoch. Das Jugendstrafrecht kennt als Sanktionen die Verhängung von erzieherischer Weisungen, Zuchtmitteln und Jugendstrafe. „In erster Linie kommen hier erzieherische Maßnahmen, wie etwa verbindliche Weisungen zur Lebensführung und zur Ableistung von gemeinnütziger Arbeit, in Betracht. Hierüber wird unter Beteiligung des Jugendamtes entschieden werden“, sagte Ziegler.

Frank Mosher ist Lizenznehmer von McDonald’s. Er führt 14 Restaurants in der Region Regensburg. „Wir finden diesen Facebook-Post überhaupt nicht lustig und werden das auch sicher nicht so auf uns sitzen lassen“, sagte Mosher am Mittwochvormittag. Der Unternehmer will daher nun zivilrechtlich gegen den Trittbrettfahrer, der die Nachricht verbreitet hat, vorgehen und ihn auf Schadensersatz verklagen. „Es entstand eine Kettenreaktion: Mehrere Schulen warnten davor, unser Restaurant zu besuchen“, sagte Mosher. „Diese Person hat unsere Mitarbeiter gestresst und den Umsatz in unseren Filialen negativ beeinflusst – nicht nur in den Arcaden, sondern beispielsweise auch im DEZ haben wir das gespürt.“

Lars Ziegler, Center-Manager der Arcaden, bestätigte, dass es am Montag zu „gewissen Einbußen“ gekommen sei. Es sei jedoch nicht vorgesehen, als Arcaden komplett gegen den Trittbrettfahrer zu klagen, zumal die Sachlage „schwierig zu bewerten“ sei. Bei seinen Mietern im Hause habe er bemerkt, dass wegen der „gehäuften Vorkommnisse in der letzten Zeit“ Verunsicherung herrsche. Einer dieser Mieter ist Konrad Kaiser, Inhaber der Arcaden-Apotheke. „Am Montag war es in den Arcaden definitiv ruhiger“, sagte er. Seine Umsatzeinbußen am Montag bezifferte er auf grob „zehn bis 20 Prozent“.

Im Zeitraum zwischen 16.30 und 17.30 Uhr seien gerade mal zehn Kunden in der Apotheke gewesen. Und trotzdem: Die Panik habe man im Einkaufszentrum selbst wohl weniger gespürt als außerhalb des Gebäudes. „Auf Facebook und Whatsapp wurde ich regelrecht mit Nachrichten und Warnungen bombardiert“, sagte er. „Auch mit Fehlaussagen – etwa, dass die Arcaden geschlossen seien.“ Dass nun eine gewisse Angst in der Bevölkerung bestehe, habe er von seinen Kunden mitbekommen. „Aber deswegen nicht in ein Einkaufszentrum zu gehen, halte ich für überzogen“, sagte Kaiser. Klagen will der Apothekeninhaber aber nicht. Er und sein Team hätten das Thema jetzt erst einmal „abgehakt“, sagte Kaiser.

In der Eisdiele „Gelato e Caffé“, die sich im Eingangsbereich der Arcaden befindet, habe sich ebenfalls der Kundenrückgang bemerkbar gemacht, berichtete eine Mitarbeiterin. Insbesondere seien Schüler ausgeblieben, die sich vor den Ferien häufig in der Eisdiele treffen würden. Am Mittwoch war von jener Angst nichts mehr zu spüren – und die Eisdiele war wieder sehr gut besucht. Das kann auch DEZ-Leiter Thomas Zink gut nachvollziehen: „Man darf nicht in ständiger Angst leben, sondern sollte das machen, wozu man Lust hat und was einem Spaß macht.“

Polizei nahm die Nachricht ernst

„Kommt morgen um 17 Uhr meggi in arcaden“: Dieser Post wurde am Sonntagabend und Montagmorgen auf Facebook geteilt und in der Gruppe „Du bist ein echter Regensburger wenn“ kommentiert und diskutiert. Ob es sich um einen absolut geschmacklosen Scherz oder tatsächlich um eine Drohung in Analogie zu dem Amoklauf in München handelte: Die Polizei nahm die Meldung ernst.

Um 17 Uhr waren dann mehrere Einsatzkräfte der Polizei in dem Einkaufszentrum vor Ort. „Die Situation ist ganz ruhig. Sicherlich ist ein bisschen weniger los als sonst, aber es herrscht eigentlich normaler Betrieb in den Arcaden“, sagte Pressesprecher Marco Müller am Montag. Die Polizei sei weiterhin in dem Einkaufszentrum präsent – hauptsächlich als Ansprechpartner und um den Passanten etwaige Ängste zu nehmen. Die Regensburger Polizei stehe auch in Kontakt mit anderen Städten, in denen es ebenfalls Arcaden-Einkaufszentren gebe. „Aber auch dort scheint die Lage ruhig zu sein“, sagte Müller. „Es sieht nach einem Trittbrettfahrer aus.“

Oberstaatsanwalt Theo Ziegler bestätigte am Dienstagmorgen dann auf Nachfrage unserer Zeitung: „Wir haben einen Tatverdächtigen ermittelt. Er stammt aus dem Raum Regensburg.“ Zu diesem Zeitpunkt wollte die Staatsanwaltschaft aber noch nicht mehr zu den Ermittlungen sagen.

„Hierdurch entstehen unnötige Sorgen und Ängste in der Bevölkerung“Mitteilung der Polizei

Das Polizeipräsidium Oberpfalz hatte bereits am Montag in einer Mitteilung klargestellt, dass die Polizei mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen sogenannte Trittbrettfahrer vorgehen werde. „Hierdurch entstehen unnötige Sorgen und Ängste in der Bevölkerung, zudem werden polizeiliche Maßnahmen erzwungen. Wir weisen darauf hin, dass sich Trittbrettfahrer strafbar machen und in Regress genommen werden können“, schrieb die Pressestelle des Polizeipräsidiums. Auf Anfrage unserer Zeitung erklärte Sprecher Albert Brück am Mittwoch, dass die Polizei derzeit noch keine Angaben über die Höhe der Einsatzkosten machen könne. „Zum aktuellen Zeitpunkt Zahlen zu nennen, wäre unseriös.“

Schulamtsleiter wollte Menschenauflauf verhindern

Als Reaktion auf die Facebook-Einladung in die Arcaden, schickte Heribert Stautner, Leiter des staatlichen Schulamts, am Montag eine Mitteilung an die Schulen in der Region. „Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, laut Auskunft der Polizei existieren zur Zeit Tausende von Facebook-Aufrufen, sich heute Nachmittag um 17 Uhr bei McDonalds bei den Arcaden in Regensburg zu versammeln. Dort werde ,es etwas geben‘“, heißt es in dem Schreiben von Stautner. „Das Muster ist identisch mit dem Aufruf, der in dem verheerenden Mordanschlag in München endete. Die Polizei geht von einem Trittbrettfahrer aus. Bitte informieren Sie vorsichtshalber die Schüler und Klassen entsprechend, sich von der oben genannten Örtlichkeit fernzuhalten.“ Auf Nachfrage unserer Zeitung erklärte Stautner die Absicht hinter dem Schreiben. „Wir wollten damit vor allem verhindern, dass zu der genannten Uhrzeit ein Riesenauflauf in den Arcaden entsteht.“ Es gebe aber keine konkrete Terrorwarnung, betonte Stautner.

„In den letzten Stunden gingen vermehrt Hinweise bei der Polizei ein, dass bei Facebook von verschiedenen Profilen Aufrufe ergehen, dass User sich heute Nachmittag in ein Schnellrestaurant in einem Einkaufszentrum in der Friedenstraße 23 begeben sollen“, hieß es in der ersten Pressemitteilung, die von der Polizei am Montagmorgen gegen 10 Uhr verschickt worden war. „Die Facebook-Posts weisen dabei in ihrer Formulierung Ähnlichkeiten zu den Posts auf,die am Freitag im Vorgang zu den Münchner Vorfällenveröffentlicht wurden.“

Polizeisprecher Marco Müller erklärt hier in einem Interview, wie die Regensburger Sicherheitskräfte mit Gefährdungssituationen umgehen.

Mehr Security beim Weinfest

Das Thema Sicherheit bei Großveranstaltungen hat auch die Stadt sensibilisiert. Der städtische Rechtsreferent Dr. Wolfgang Schörnig kündigte gegenüber unserer Zeitung an, dass es am Wochenende beim Wein- und Musikfest im Stadtpark einen kurzfristig beauftragten zusätzlichen Sicherheitsdienst geben werde. Das habe er am Montag mit Bürgermeister Jürgen Huber vereinbart. „Es ist völlig ausgeschlossen, frei zugängliche Veranstaltungen wie das Weinfest komplett zu sichern“, sagte Schörnig. „Wir wollen den Besuchern aber das Signal geben: Hier passt jemand auf.“ Das Sicherheitspersonal werde „auffällige Personen ansprechen“ und nach dem Inhalt von Taschen und Rucksäcken fragen. „Wir wollen das Sicherheitsgefühl stärken, aber auch nicht zu sehr eingreifen“, sagte der Rechtsreferent.

„Das Leben ist gefährlicher geworden“, konstatierte Schörnig, der darauf verwies, dass es etwa bei der Dult mittlerweile neun statt bisher drei Fluchtwege beziehungsweise Notausgänge gebe. In den Festzelten werde in Absprache mit den Betreibern sporadisch auch der Inhalt von Rucksäcken und Taschen kontrolliert.

„Sachlich diskutieren“ werde man auch in Regensburg die Überlegung des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter, auf Volksfesten wie dem Oktoberfest das Mitführen von Rucksäcken generell zu verbieten. Bei allen zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen müsse man allerdings stets abwägen, was wirklich notwendig und sinnvoll ist. Denn: „Die kriminelle Energie von Einzeltätern ist nicht zu verhindern.“

Die Drohung auf Facebook ist auch Thema einer Sondersendung von Mittelbayerische TV.Sehen Sie die Sendung hier.

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