Nachruf
Letzte Bräuin: Alise Emslander ist tot

Nach Sophie Kneitinger und Olga Brandl war die Regensburgerin die letzte Vertreterin einer ehemaligen Privatbrauerei.

17.01.2017 | Stand 16.09.2023, 6:26 Uhr
Zusammen mit Steinätz-Künstler Stefan Reichmann, Verleger Dieter Lohr und Ex-OB Hans Schaidinger enthüllte Alise Emslander die Bemelmans-Gedenktafel an ihrem Haus am Arnulfsplatz 6. −Foto: altrofoto.de

Dieser Winter reißt Lücken in die Regensburger Brauerei-Landschaft. Wir mussten vom Brauerei-Historiker Helmut v. Sperl und der Ratskeller-Pächterin Fränzi Krämling Abschied nehmen – und jetzt von Alise Emslander: Die letzte Bräuin der Stadt ist tot.

„Sie war so stolz auf den einzigen Balkon am Arnulfsplatz“Hildegard Anke

Hildegard Anke hat erneut eine Freundin weniger. „Sie war so stolz auf den einzigen Balkon am Arnulfsplatz“, erinnert sich die Alt-Bürgermeisterin. Ihre Blumenkästen leuchteten in den Farben der Ratisbona, Rot und Weiß.

Alise Emslander lebte bis Ende 2016 in ihrer großen Braumeister-Wohnung im 3. Stock, Arnulfsplatz 6. Zweimal in der Woche traf sie sich mit ihren „golden Girls“ in den angesagten Kaffeehäusern ihrer Generation: Das „Orlando di Lasso“ am Kornmarkt und das „Goldene Kreuz“ am Haidplatz.

Der Balkon war ihre Freude

Die liebenswürdige Frau hatte sich alles so gerichtet, dass sie selbständig wohnen konnte. Wenn sie umgeben von dieser Braumeister-Pracht kerzengerade am Eichentisch saß, hatte es den Anschein, sie halte noch immer die Fäden in der Hand. Ein Sturz Mitte Dezember, den sie in ihrer Wohnung erlitt, läutete das Ende ihres Lebens ein. Alise Emslander kam zu den Barmherzigen. Nach einer Reha zog sie am 4. Januar in Glorias Seniorenresidenz. Ohne die Aussicht auf Rückkehr zu ihrem Balkon wollte sie nicht mehr. Am Sonntag ist sie eingeschlafen. Sie wäre am 3. April 93 geworden.

Im Licht der Öffentlichkeit

In den letzten Jahren war die fröhliche Regensburgerinnochmals im Licht der Öffentlichkeitgestanden. An ihrem Haus wurde eine Tafel zur Erinnerung an Ludwig Bemelmans (1898 bis 1962) aufgehängt. Der in New York berühmt gewordene Autor von Jugendromanen mit Millionenauflagen hatte hier seine Kinder- und Jugendzeit verbracht. Sein Roman „An der schönen blauen Donau“ speist sich aus den Erinnerungen.

Im Sommer vor drei Jahren freute sie sich, dass in der alten Brauereigaststätte das Ristorante „Paradiso“ aufmachte. Von den Nazis war sie mit zehn, elf Jahren aus dem „Paradiesgarten“ vertrieben worden. Ihre Eltern, die Dorfners, hatten das Gewerkschaftslokal in der Richard Wagner Straße gepachtet.

Sie hatte die vier Kinder ihres Mannes wie ihre eigenen angenommen. 1955 heiratete Alise den damals bedeutendsten Brauer der Stadt, Fritz Emslander. Fast 70 Jahre hat Emslander in den Ratskeller das Bier geliefert: Es gab das Ratisbona-Pils, den Spezial-Quell, den Hell-Quell, das Bockbier. Emslander machte nicht viel (so um die 5000 Hektoliter), aber Qualität. „Es wurde lang gelagert. Deswegen haben die Leute kein Kopfweh gekriegt“, freute sich Alise Emslander.

Am kommenden Montag um 12 Uhr wird die letzte Bräuin im Familiengrab am Oberen katholischen Friedhof bestattet. Dort liegen ihr Mann Fritz, gestorben am 30. April 1999, und ihre Schwiegerleute Fritz und Kreszenz Emslander. Die beiden Eichstätter hatten 1904 die Regensburger Brauerei am Arnulfsplatz (gegründet 1672) quasi zur Hochzeit geschenkt bekommen. Fritz Emslander, Kommerzienrat und Stadtrat (1877 bis 1933) war ein Bierpionier. Er hielt ein Welt-Patent auf seine Läuterhähne. „Der Emslander hätte schon längst eine eigene Straße verdient“, fand Helmut von Sperl, der Regensburger Brauereiforscher.