Der Mann, der mit dem Tretboot den Atlantik überquerte, am Steinberger See

24.08.2008 | Stand 24.08.2008, 16:46 Uhr

Was haben der Seeabenteuerpark „Movin’G’round“ am Steinberger See und der Weltenbummler Rüdiger Nehberg gemeinsam? Dietrich Schmidt, Chef des Freizeitparks, weiß die Antwort: Der Vorbesitzer des „Movin’G’round“ hat vor Jahren das legendäre Tretboot erworben, mit dem Rüdiger Nehberg einmal den Atlantik überquert hat.

Am Samstag drehte Nehberg mit dem Boot auf dem Steinberger See eine Runde und erzählte von seinen Abenteuern in aller Welt (Bericht auf Lokalseite 5). Das Atlantik-Boot des Rüdiger Nehberg war lange in stark beschädigtem Zustand auf dem Parkgelände eingelagert. Nach der Übernahme des Geländes hatte Dietrich Schmidt dem maroden Katamaran zunächst keine Beachtung geschenkt. Öfters haber er sogar zu seinem Vater gesagt „Schneiden wir’s z’samm und werfen es weg!“ Der Name Rüdiger Nehberg sei ihm bis dahin kein Begriff gewesen, so Schmidt.

Erst Pfadfinderführer Michael Stoß, der 2007 hier mit seiner Gruppe gezeltet hat, entdeckte das Wrack und erkannte, dass es das legendäre Nehberg-Tretboot ist. Die Pfadfinder kamen mit „Didi“ Schmidt überein, das Tretboot wieder herzurichten und nahmen gleichzeitig Kontakt mit dem Abenteurer Rüdiger Nehberg auf. Nach einjähriger Arbeit kam das Boot jetzt zurück an den Steinberger See. Und Rüdiger Nehberg kam persönlich, um seine ehemalige schwimmende Behausung wiederzusehen. In einem Vortrag erzählte er, was ihn zum Abenteurer und Weltenbummler gemacht hat.

Das Leben als Bäcker und Konditor hat ihn nicht zufriedengestellt: Der heute 73-jährige Rüdiger Nehberg aus Hamburg wurde Abenteurer, Menschenrechtler und Schriftsteller und überquerte den Atlantik, um die Unterdrückung der brasilianischen Yanomami-Indianer öffentlich zu machen. Durch das unerwartete Auftauchen seines Tretbootes im „Movin’G’round“, mit dem er den Atlantik überquert hat, kam die „Ikone des Survivals“ am Samstag an den Steinberger See, um über sein aufregendes Leben zu erzählen.

Seine ersten Reisen seien noch an der Zivilisation orientiert gewesen, erzählt der Überlebenskünstler. Doch der Traum von großen Reisen in einsame Gebiete, die Rückbesinnung auf Urinstinkte und Urfertigkeiten reifte in ihm immer mehr. Zum Training habe er in seiner Backstube eine Kletterwand montiert und Überlebenstraining angeboten. Er habe gelernt, wie man Feuer macht, und erkannt, dass Trinkwasser auf den Reisen das Wichtigste sei.

Auch habe er gelernt, Ekel zu überwinden, um in Notsituationen zu überleben. „Eine Bisamratte schmeckt wie ein Kaninchen“, sagte Nehberg den Zuhörern, die sich kurz zuvor mit Bratwürstchen oder Grillsteak gesättigt hatten. Der Abenteurer informierte über seinen Marsch von Hamburg nach Oberstdorf ohne jegliche Lebensmittel. Er habe von Pflanzen und Insekten gelebt und sei um 25 Kilo geschrumpft – habe dabei aber an Erfahrung gewonnen und die Angst vor dem Verhungern verloren.

Mit diesen Erfahrungen ist Nehberg er dann 1987 zu den Yanomami-Indianern in den brasilianischen Regenwald aufgebrochen. Dort habe er den Bürgerkrieg erlebt, die Unterdrückung der Indianer durch bewaffnete Goldsucher. Politik und Militär hätten dies geduldet, obwohl laut brasilianischer Verfassung kein Baum ohne die Zustimmung der Indianer gefällt werden dürfte. Der Urwald sei in eine Wüste verwandelt worden.

Durch ein Buch wollte er auf diese Missstände aufmerksam machen. Nachdem dadurch aber keinerlei Hilfe für die Indianer ausgelöst wurde, beschloss er eine spektakuläre Aktion. Mit einem Tretboot stach er im Dezember 1987 von Senegal aus in See. Das 4000 Kilometer entfernte Ziel war Brasilien, die Fahrt auf dem Tretboot ging quer über den Atlantik, war in vielerlei Hinsicht sehr turbulent und dauerte knapp zweieinhalb Monate.

Dann folgte dem langjährigen Engagement endlich ein Erfolg: Schließlich war der internationale Druck auf Brasilien so groß, dass die Yanomami-Indianer einen akzeptablen Frieden erhielten, der von internationalen Organisationen überwacht wird. 1992 erfolgte die zweite Atlantikreise mit einem Bambusfloß über die Karibik in die USA und im Jahre 2000 die dritte Meeresüberquerung auf einem massiven Tannenstamm von Mauretanien nach Brasilien, immer mit dem Ziel: Einsatz für die Menschenrechte.