Geschichte
Familientreffen auf dem FC-Sportplatz

Filmprofis und Laiendarsteller aus der Region bringen den Kampf gegen die WAA ins Kino. Dabei ist auch ein „Sturm-Trio“.

13.10.2017 | Stand 16.09.2023, 6:17 Uhr

Drei Generationen Sturm am Filmset: Amanda, umsorgt von Mama Anna Maria Sturm und Oma Irene Maria Sturm Foto: Willfurth

Die Tribüne im Stadion des 1. FC Schwandorf hat schon bessere Zeiten gesehen. Heute aber ist die betagte Holzkonstruktion wieder einmal gut besetzt – allerdings mit Menschen in seltsamem Aufzug. Sie tragen Karottenhosen, rehbraune Wildlederjacken, violette Blazer, Strickpullunder oder vogelwilde Cowboystiefel. Was man halt so angezogen hat Anfang der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts in der bayerischen Provinz, oder zumindest wie sich dies der Filmausstatter von„Wackersdorf“vorstellt.

Die Besucher auf der Tribüne sind Statisten für eine Szene des gleichnamigenWAA-Spielfilms, der seit Anfang Oktober in und um Schwandorf gedreht wird.Auch zwei Schauspiel-Profis sitzen mit auf der Tribüne. Sie haben keinen Blick für das Jugendspiel auf dem Rasen. Denn sie fechten gerade ihr eigenes Lokalderby aus: über die Frage, ob diese neue Atomfabrik drüben in Wackersdorf ein Fluch ist oder doch ein Segen für die strukturschwache Region mit ihren vielen Arbeitslosen.

Produzent Ingo Fliess erklärt, worum es in der Szene am Schwandorfer Fußballplatz geht:

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Einer der beiden Männer ist Johannes Zeiler, der den Landrat Hans Schuierer spielt, den Helden der Geschichte, die im Herbst 2018 in die Kinos kommen soll. Zeiler sei ein Glücksfall für den Film, sagt Produzent Ingo Fliess – nicht nur weil er ein „großer Schauspieler“ sei, sondern auch, weil er kein Image mit sich herumtrage: die ideale Voraussetzung, um den bayerischen Volkshelden Schuierer authentisch auf der Leinwand zu verkörpern.

Fliess will sich lieber nicht vorstellen, wie ein bayerischer Volksschauspieler in dieser Rolle gewirkt hätte. Nicht einmal große Dialektprobleme habe der Österreicher Zeiler, schwärmt Fliess. Das hänge damit zusammen, dass in seine Heimat Oststeiermark einstmals Oberpfälzer eingewandert seien, erläutert der Darsteller. „Wir bellen auch“, sagt Zeiler schmunzelnd in einer Drehpause. „Des g’hert zamm“ geht ihm jedenfalls schon sehr flüssig von den Lippen.

Sehen Sie sich in unserem 360 Grad-Bild auf dem Set um:

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Wie spielt man eigentlich einen Helden? „Helden kann man nicht spielen, nur Menschen“, sagt Zeiler. Darum geht es auch Regisseur und Co-Autor Oliver Haffner. Kein Heldenepos will er drehen, sondern die Wandlung eines Menschen zeigen, der seine Haltung ändert, weil ihm dämmert, dass von der geplanten Atomfabrik Gefahren ausgehen, nicht nur für seine Heimat, die nicht zu bändigen sind.

Es ist die Geschichte eines Lokalpolitikers, der zunächst an das Großprojekt WAA glaubt und sich dann vom Saulus zum Paulus wandelt – mit dem Risiko angreifbar zu werden und in Unannehmlichkeiten zu geraten“, sagt Haffner. Eine sehr menschliche Geschichte will er erzählen, die Abgründe und Zweifel des Helden nicht aussparen. „Jeder ist ambivalent“, weiß der Regisseur. Die Einteilung der Welt in Gut und Böse ist ihm fremd.

Im Video sprechen die Schauspieler über ihre Rollen:

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Wer Action-Bilder vom Krieg rund um Hüttendorf und Bauzaun erwartet, sollte sich den Film übrigens lieber nicht anschauen. Allenfalls fünf bis zehn der insgesamt hundert Minuten dauerten die dokumentarischen Szenen vom Kampf der Menschen gegen die Atomfabrik, sagt Regisseur Haffner. „Gewaltbilder erklären nichts“, sagt Produzent Fliess, der in den achtziger Jahren selbst immer wieder am Bauzaun im Taxöldener Forst war.

„Für uns war das eher Party“

In der Drehpause stehen drei Generationen Sturm am Rande des Geschehens im warmen Oktoberlicht: Irene Maria Sturm, als BI-Vorsitzende einst an vorderster Front im Kampf gegen die WAA, hütet Enkelin Amanda im Kinderwagen. Daneben eine entspannte MamaAnna Maria Sturm, die in „Wackersdorf“ eine engagierte Frau aus dem Volk spielt, die sich gegen die staatlich verordnete Atomfabrik auflehnt. Die bekannte Schauspielerin war als Drei-, Vierjährige regelmäßig mit am Bauzaun.

Irene Maria Sturm spricht im Video über die WAA-Proteste:

„Ich habe da mit anderen Kindern gespielt. Für uns war das eher Party“, erinnert sich Sturm. Am Ort ihrer Kindheit falle es ihr leicht, in das Thema „reinzukommen“ und dabei trotzdem professionelle Distanz zu halten. Nach den Dreharbeiten in der alten Heimat kehrt Sturm in ihre Wahlheimat Berlin zurück. An der Volksbühne spielt sie in einem Stück von Susanne Kennedy. Der Titel: „Women in Trouble“, Frauen in Schwierigkeiten.

In unserem 360 Grad-Bild können Sie sehen, wie sich die Tribüne auf dem Fußballplatz in ein Filmset verwandelt hat:

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Produzent Fliess hat Anna Maria Sturm nur als Schauspielerin besetzt, ohne den biografischen Hintergrund zu kennen. Umso mehr freut es ihn, die Akteurin für diesen Film gewonnen zu haben, in dem es darum geht, herauszufinden, wie es zu den Ereignissen rund um Wackersdorf kommen konnte, die durch einen Lokalpolitiker und dem zivilen Widerstand so vieler Bürger zu einem Happy End geführt wurden. Die Dreharbeiten für „Wackersdorf“ dauern noch bis Mitte November.

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