Zerstörung
So wütete das Unwetter über Ostbayern

In Maxhütte-Haidhof entging eine Familie mit drei Kindern nur knapp einer Katastrophe. Auf der A93 steht das Wasser hüfthoch.

30.05.2016 | Stand 16.09.2023, 6:44 Uhr
Ein Tornado hinterließ im Landkreis Schwandorf ein Spur der Verwüstung – ein Einfamilienhaus wurde dabei schwer beschädigt. −Foto: Baumgarten

Das volle Ausmaß der Zerstörung zeigt sich erst am Montagmorgen: mit fassungslosen Gesichtern, die Hände vors Gesicht geschlagen stehen Anwohner im Ortsteil Deglhof vor den Trümmern eines Hauses. Ein Tornado hat einer fünfköpfigen Familie aus Maxhütte-Haidhof am Sonntag im wahrsten Sinne des Worte das Dach über dem Kopf geraubt. Der Vater konnte sein zweijähriges Kind erst im letzten Moment aus dem Zimmer im Obergeschoss retten – Sekunden später riss der extreme Wind zwei riesige Stücke des Daches weg.

Gegen 21.30 Uhr schlug „ein zirkulierender Schlauch, vier bis fünf Meter im Durchmesser“ eine Schneise der Zerstörung durch die Neubausiedlung. So schilderten mehrere Anwohner der MZ ihre Eindrücke des Unwetters. „Das klang wie ein dröhnender Nonstop-Donner, vielleicht 20 Sekunden lang“, erklärte ein anderer Nachbar. Dazu das Geräusch von zersplitterndem Glas und heftigen Aufschlägen – vermutlich, als riesige Teile das Daches auf die Straße und in einen Garten krachten. „Dann wurde es still, ehe dann starker Platzregen einsetzte.“

„Bei dieser Wetterlage ist es durchaus möglich, dass sich eine solche Tornado-Struktur gebildet hat“, bestätigte Volker Wünsche vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in München der MZ. Ein Tornado bilde sich, wenn sehr warme und kalte Luftmassen mit hohen Windunterschieden aufeinander treffen. Daraus entstehe eher selten „eine rotierende Bewegung“, die aus einer Wolke als Rüssel oder Schlauchgen Boden geht. „Der hält nur wenige Sekunden, aber dann wird es besonders gefährlich“, erklärte der Diplom-Meteorologe. „Genau das führt oft zu katastrophalen Schäden.“

Familie versteckte sich im Keller

So wie in Maxhütte-Haidhof: Offenbar unter Schock flüchteten die Eltern mit ihren drei Kindern (2, 4 und 7 Jahre alt) in den Keller des Einfamilienhauses. Dort fanden zu Hilfe geeilte Nachbarn sie und brachten die Familie schließlich in Sicherheit. Mit den Helfern von Feuerwehr und THW holten sie das Wichtigste aus dem völlig beschädigten Haus – „was noch zu retten war“, erzählte eine Nachbarin. Ein Sturzbach ergoss sich da schon aus dem Obergeschoss hinunter, erinnert sie sich. Die Schäden seien sogar an den Wänden im Erdgeschoss sichtbar gewesen. Die Mutter und zwei Kinder kamen vorsorglich in ein Krankenhaus.

„Beim Eintreffen fehlten größere Teile vom Dach“, beschrieb THW-Ortsbeauftragter Martin Liebl die Eindrücke seiner rund 30 eingesetzten Kräfte. Der freistehende Kamin musste von den Fachleuten per Kran „kontrolliert umgelegt“ werden. „Teile des Gebäudes sind einsturzgefährdet“, sagte der erfahrenen THW-Mann. Mehr als vier Stunden zogen sich die Arbeiten des Technischen Hilfswerks in Deglhof. Das „in unserer Gegend ein Haus so massiv beschädigt“ werde, hätten die Kollegen noch nie gesehen. „In dem Ausmaß kennen wir das nicht.“

Es war nicht der einzige Einsatzfür die Retter – nahezu jede Feuerwehr in den drei Städten Maxhütte-Haidhof, Burglengenfeld und Teublitz musste in der Nacht ausrücken. Vielerorts blockierten umgestürzte Bäume zahllose Straße und wurden Dächer abgedeckt. Großen Schaden hat auch der FC Maxhütte-Haidhof zu beklagen: Hier riss wohl auch der Tornado die Überdachung der Tribune auf dem Fußballplatz weg. Massive Stahlträger verbogen sich wie Strohhalme, mehrere große Einzelteile flogen bis zu 200 Meter weit weg.

Gefordert waren die Ehrenamtlichen auch bei einem Zugunfall. Ein mit mehr als 150 Passagieren besetzter „Alex“ war zwischen Deglhof und Leonberg in einen Baum gefahren. Verletzt wurde dabei jedoch niemand. Der Zugführer war nach eigenen Angaben wegen der Unwetterwarnung mit „etwa 70 Kilometern pro Stunde“ unterwegs und erfasste nur die auf seinen Schienen liegende Krone eines massiven Baumes. Dennoch band allein dieser fast dreistündige Einsatz rund 100 Ehrenamtliche von BRK, Johannitern und der Freiwilligen Feuerwehr.

Welche Schäden das Unwetter am Sonntag or allem im südlichen Landkreis Schwandorf anrichtete, können Sie hier nachlesen:Ein Baum bremste den „Alex“ aus

Ein ganzer Zug musste evakuiert werden

Die Fahrgäste wurden evakuiert und kamen bis zum Eintreffen zahlreicher Unterstützungskräfte des Bayerischen Roten Kreuzes in einem früheren Gasthaus nahe dem Zwangshalt unter. Dort war allerdings nicht für alle Platz, weshalb einige von ihnen unter Schirmen im Freien ausharren mussten. Nach der Registrierung und einem Kurz-Gesundheitscheck durch die Notärzte wurden die Bahnfahrer mit Bussen, die ein eigens alarmierter Notfallmanager der Deutschen Bahn organisiert hatte, nach Regensburg gebracht. Ein Anschlusszug nach München wartete dort. Der Zugverkehr wurde erst nach mehreren Stunden wieder aufgenommen.

Der Schock sitzt bei den Menschen im Maxhütter Ortsteil Deglhof spürbar tief: „Gott sei Dank ist niemand verletzt worden“, sagte eine Frau angesichts des Trümmerfeldes nach dem Tornado. „Das war Riesenglück im Unglück für die ganze Familie.“ Bei der Stadt Maxhütte-Haidhof, wo jede Hand heute mit Aufräumarbeiten beschäftigt ist, will man helfen. Wie zweiter Bürgermeister Franz Brunner der MZ sagte, sei „die Familie erst mal versorgt und bei ihren Nachbarn untergekommen“. Man wolle zunächst mit den Betroffenen sprechen. Der Vater sei aber derzeit im Krankenhaus bei seiner Frau und den Kindern.

Große Schäden im Landkreis Kelheim

Den mittleren Landkreis Kelheim traf das Unwetter am Sonntagabend mit voller Wucht. Ganze drei Stunden dauerte das Gewitter, um die 100 Liter Regen pro Quadratmeter sorgten für große Schäden. Durch einzelne Orte wie in Herrngiersdorf und Hienheim wälzten sich die Fluten, von den umliegenden Gräben und Feldern mit entsprechend viel Schlamm angereichert. Zwölf Keller standen alleine in Herrngiersdorf unter Wasser. Öltanks wurden aus ihren Verankerungen gerissen.

1200 Helfer von Feuerwehr und THW waren bis zum Morgen damit beschäftigt, rund 500 Einsätze abzuarbeiten. Alleine in Abensberg wurden 65 Einsätze gefahren. Dazu halfen die Feuerwehren aus dem gesamten Landkreis zusammen. Auch die Fernstraßen waren von dem Unwetter betroffen. Die A93 stand zwischen Abensberg und Hausen hüfthoch unter Wasser. Sie musste bis 2.20 Uhr gesperrt werden. Die B15neu bei Schierling war durch Erdrutsche betroffen.

Finanzielle Katastrophe für Parsberger Familie

Für eine Familie im Parsberger Ortsteil Eglwang (Landkreis Neumarkt) endete der Sonntagabend mit einer finanziellen Katastrophe. Das zum Wohnbereich umgebaute Untergeschoss ihres Haus wurde von einer schlammigen Brühe vollkommen überschwemmt, die – von den Bewohnern zunächst unbemerkt – durch einen Lichtschacht eingedrungen war. Da die Familie nicht gegen Elementarschäden versichert ist, zahlt auch die Versicherung den wohl erheblichen Schaden nicht.

An vielen Orten in Deutschland wüteten Unwetter – in Baden-Württemberg starben drei Menschen.Einen Überblick lesen Sie hier.

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