Festival
Sigi Reil: Lastwagen sind sein Leben

Am Freitag beginnt das Nittenauer Trucker-Treffen. Die MZ sprach mit dem Asphalt-Cowboy über Mythen und den Fernfahreralltag.

27.08.2015 | Stand 16.09.2023, 7:01 Uhr
Marion Lanzl
Sigi Reil steht vor seinem in „british-racing-green“ und goldlackiertem Edel-Scania. −Foto: Marion Lanzl

Wenn man an Trucker und Fernfahrer denkt, kommen einem sofort Bilder in den Kopf: Ein Highway im Sonnenuntergang, endlose Straßen oder Dave Dudley im Radio, der diese Fernfahrer-Romantik besingt. Wer bei uns an Trucker denkt, dem kommt einem vor allem ein Mann in den Sinn: Sigi Reil – eine Trucker-Legende und der Initiator der Truckertreffen in Nittenau.Am letzten August-Wochenende laden Sigi und der Truckerclub-Regental wieder alle Lastwagen-Fans zum Staunen und Feiern am Jahnweg ein.

In „british-racing-green“ und goldener Lackierung steht sein Edeltruck da. Rund 710000 Kilometer – also fast achtmal rund um die Welt – ist Sigi Reil allein schon mit dieser Zugmaschine gefahren, seit er sie vor mehr als acht Jahren gekauft hat. „Bei guter Pflege packt so eine Maschine auch ein bis zwei Millionen Kilometer“, strahlt das Trucker-Urgestein. Und Sigi hegt und pflegt seinen Truck wie einen Schatz. Kein Krümel ist auf dem Boden zu finden, auch nach dreitägiger Fahrt sieht der Truck aus, wie frisch aus dem Ausstellungsraum.

„My last Swedish Fellow“ steht in geschwungenen Lettern über der Fahrertür; der Scania ist nicht nur sein bester schwedischer Freund, mit ihm will Sigi nach über 45 Jahren Straße auch in den Ruhestand. Der Kapitän der Landstraße hat einen Faible für Skandinavien, Schottland und Irland. „Die Pubs, die Leute, die Landschaft, einfach toll da!“ schwärmt er. Bis in die schottischen Highlands, zum „Loch Ness“ ist er mit seinem 40-Tonner schon gekommen. Das waren vom Verladeplatz in Österreich rund 2600 Kilometer einfach. England, Holland, Belgien, Frankreich, Italien, die Schweiz und Österreich hat er auf seinen Fahrten x-fach durchquert. Bis in die Weiten der Puszta nach Ungarn haben ihn die fünf Achsen oft auf seinen Fahrten gebracht.

Zeit- und Kostendruck nehmen zu

„Bei den Fahrten hat man aber nicht den Blick für die schöne Landschaft, nur ab und zu kann man auch mal stehen bleiben und die Gegend betrachten“, erzählt Sigi weiter. Zu viel Verkehr, zu viel Zeitdruck und oft auch die Sorge, dass man keinen Auftrag für den Rückweg ergattert. Oder wenn, dann nur zu einem Halsabschneider-Tarif, Heimkehrerladung genannt, „weil die Auftraggeber genau wissen, dass man nur noch heimwill und das nicht leer.“ Manchmal wünschte er sich auch, „man könnte auf einen Knopf drücken und alle Lkw stünden sofort still. Damit die Leute uns wieder mehr schätzen“, erklärt der Selbstständige.

„König der Landstraße“ wurden die Fernfahrer früher genannt. Heute hat ihr Ansehen stark gelitten, klagt der Kleinunternehmer; „Die Leute sehen nur die Fernfahrer aus dem Osten in ihren Jogginganzügen, die sich die Dusche für drei Euro und mehr an den Autobahn-Rasthöfen nicht leisten können und abwechselnd mit ihren Beifahrern ihre Touren runter reißen.“ Das habe auch die Frachtpreise verdorben. „Aber wir haben leider keine Lobby, die uns gegen diese Dumpingpreisler schützt“, so Reil. Auch die Reparaturen verschlingen heute ein Vielfaches gegenüber früher, als man noch selbst mit dem Schraubenschlüssel oder der Eisenstange etwas machen konnte. Heutzutage müsse dann ein Mechatroniker mit dem Laptop ran.

Sechs- bis siebenhundert Kilometer am Tag, das setzt dem stärksten Fernfahrer zu. Auch wenn die Fahrerkabine in diesem Fall eher einem eleganten Salon gleicht. Champagnerfarbenes gestepptes Leder, mit Ornamenten bestickt, dahinter Kühlschrank und Stauraum – natürlich voll klimatisiert. In der Schlafkoje hängt ein Fernseher über dem gut gepolsterten Bett. Die farblich passende Kaffeemaschine darf natürlich auch nicht fehlen und für die langen Nächte früher mussten tatsächlich „Truck Stop“ herhalten und die Fernfahrerromantik ordentlich schüren. „Das weckt liebe Erinnerungen, man denkt zurück an alte Zeiten, fühlt sich wie in jungen Jahren“, schwärmt der 62-Jährige. Aber auch trübe Gedanken kommen auf den langen Fahrten in den Sinn. Das Leben auf Achse ist ein echter Beziehungskiller. Das ist die Maut, die das Leben für das Truckerleben so oft einfordert.

Ein bisschen entschädigt dafür der tolle Zusammenhalt unter den Fahrern. Daher freut sich Sigi Reil auf ein Wiedersehen mit vielen Kollegen, am Freitag, beim neunten internationalen Truckerfestival in Nittenau, dem „etwas anderen Truckertreffen“, wie es heißt. „Der Trucker-Club Regental hat es organisiert, mit tollem Rahmenprogramm, sogar extra Unterhaltung für Kinder. Das wird ein super Fest!“ freut sich Reil. „Vor allem aber möchten wir den Truckern auch etwas bieten. Vom erstklassigen Frühstücksbuffet bis zum Erinnerungsglas. Alles gesponsert von Firmen, bundesweit.“ Wenn Sigi, das Aushängeschild des Clubs, anruft, lässt sich keine Firma lumpen, man kennt sich schließlich schon eine Ewigkeit.

460 Trucks sind der Rekord

Der Rekord in der Geschichte der Nittenauer Treffen lag bei 460 Trucks, die aus ganz Europa kamen. Die besonderen Airbrush-Lackierungen der vielen Trucks sind eine wahre Schau. „Aus Osnabrück will dieses Mal ein Freund und Kollege mit einem original amerikanischen Abschleppwagen kommen und es haben auch diesmal wieder viele zugesagt“, erzählt Sigi begeistert, während sich seine Fahrt langsam dem Heimatort Bruck nähert.

45 Jahre ist Siegfried Reil schon auf dem Asphalt mit Lkws beruflich unterwegs. Gepackt hat es ihn aber schon viel früher, denn das Fernfahrerblut hat er von seinem Vater nicht nur geerbt, sondern auch mit ihm die Faszination der Highways in dessen Mercedes-Laster erlebt. Schon mit neun Jahren begleitete er ihn auf den Touren.

Eindrücke, die er nie wieder vergessen hat und die ihn auch heute noch begleiten. Mit 18 Jahren fing er dann selbst an, fuhr lange die „Wiesenhof“ Hendl, machte sich 1995 dann mit einem Scania selbstständig. Zehn Jahre fuhr der Brucker im internationalen Fernverkehr, seit 2005 ist er nun im „Nahverkehr“, hauptsächlich mit Überseecontainern aus aller Herren Länder ab dem Containerbahnhof Nürnberg in ganz Bayerns unterwegs.

Das Interview fand, wie sollte es bei einem Mann, der immer auf Achse ist anders sein, natürlich per Freisprechanlage live aus dem Truck statt. Unterbrochen nur von Anfragen von Kollegen und Freunden, zum Truckerfestival und einem dicken Funkloch. Als der Asphalt-Cowboy an diesem Abend in die Brucker Einfahrt einbiegt, ist es halb neun und das letzte Licht dieses heißen Sommertages färbt den Himmel über dem Silberberg, filmreif, in kitschigem Rot.