Ausbildung
Auf der Verkehrsinsel der Seligen

Immer mehr Flüchtlinge machen den Führerschein – so wie Bahaa Mohammad, der sich damit in Schwandorf eine Existenz aufbaut.

19.02.2017 | Stand 16.09.2023, 6:35 Uhr
Reinhold Willfurth
Rückwärts einparken beherrscht Bahaa Mohammad (links) schon ganz gut, auch wenn Fahrlehrer Hermann Huber noch korrigieren muss. −Foto: Fotos: Willfurth

Immer schön auf Distanz bleiben, dann kann nichts passieren. Abstand halten heißt es unter anderem zu den Menschen auf dem Zebrastreifen beim Supermarkt, zum dahinzuckelnden Vordermann – oder zum Parklücken-Nachbarn auf dem TWF-Gelände. „Sonst hast du in der Prüfung verloren“, sagt Hermann Hubert seinem Fahrschüler, der soeben dem Auto auf der Fahrerseite beim Einparken etwas zu nahe gekommen ist. Die deutsche Straßenverkehrsordnung ist streng, dementsprechend schnell kann es gehen, wenn bei der Fahrprüfung Fehler passieren, die sich der Führerschein-Inhaber schon mal gerne leistet.

Deshalb lenkt Bahaa Edin Mohammad den Golf der Fahrschule Huber hochkonzentriert durch den dichten Freitagsverkehr in der Schwandorfer Innenstadt. Vor gut zwei Jahren saß Mohammad noch am Steuer eines Taxis in Aleppo, der mittlerweile zerstörten Stadt in Syrien. Dann floh er mit seiner Frau und den beiden kleinen Söhnen aus dem syrischen Bürgerkriegs-Wahnsinn.

Ohne Auto geht hier gar nichts

Die Familie Mohammad landete im friedlichen Schwandorf, und sie ist dankbar dafür. Die beiden Buben besuchen mittlerweile die zweite und dritte Klasse einer Grundschule, und Familienvater Mohammad bereitet sich auf die demnächst anstehende Fahrprüfung beim Schwandorfer TÜV vor. Parallel dazu beendet er seinen Deutschkurs.

Auch bei der Zahlungsmoral registriert der Fahrlehrer weniger Enttäuschungen als bei manchem deutschen Schüler. Vor allem die Syrer kämen erst zu ihm, wenn sie das Geld für die Ausbildung zusammenhätten oder die Raten zuverlässig bezahlen könnten. Neben vielen Schwandorfer Novizen hat Huber auch schon Bürgern aus der ersten und zweiten Generation von Gastarbeitern das Autofahren beigebracht – und dabei gute Erfahrungen gemacht. Die gängigen Vorurteile und Ängste gegenüber „den Fremden“ kann er daher so gar nicht nachvollziehen. „Wir profitieren doch davon. Und irgendwer muss doch auch mal unsere Rente finanzieren“, sagt Huber.

Auto fahren und Steuern zahlen

Und so beschränken sich die einzigen Kommandos von Hermann Huber während der Fahrstunde auf sanfte Ermahnungen, lieber den Fuß vom Gas zu nehmen und defensiver zu fahren. Sein Schüler bemüht sich und lenkt den Golf souverän durch den trubeligen Freitagsverkehr in der Innenstadt. Ein einziges Mal muss Huber dem Eleven ins Lenkrad greifen: Mohammad hat glatt bei der Einfahrt von der Hans-Kraus-Allee in die Bellstraße eine Verkehrsinsel übersehen. „Damit wärst du durchgefallen. Versprichst du mir, dass du bei der Prüfung aufpasst?“, ermahnt Huber seinen Schützling. Mohammad gelobt Besserung. Vielleicht war er ja in Gedanken in seiner Heimatstadt Aleppo. Dort gibt es schon lange keine Verkehrsinseln mehr.

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