Unfälle
Viel Lob für mutige „Helden des Alltags“

Zwei Männer stoppen mit einem filmreifen Einsatz auf der A 9 bei Hof einen 40-Tonner, dessen Fahrer bewusstlos geworden war.

21.06.2017 | Stand 16.09.2023, 6:32 Uhr

Der Fahrer dieses Lastzugs war am Mittwoch (21. Juni 2017) am Steuer bewusstlos geworden. Zwei mutige Helfer brachten den führerlosen 40-Tonner auf der A 9 zum Stehen. Foto: NEWS5 / Fricke

Durch ihr mutiges Eingreifen haben ein Trucker und ein Autofahrer wohl viel Schlimmeres verhindert. Klaus Dirnhofer mag sich das gar nicht ausmalen: „Sowas kann ganz anders ausgehen“, sagt der Spediteur aus Burglengenfeld (Lkr. Schwandorf) der Mittelbayerischen. Einer seiner Fahrer hat am Mittwoch auf der A 9 bei Hof am Steuer des 40-Tonners das Bewusstsein verloren. Führerlos schlingert der Lastzug gut einen Kilometer über die dreispurige Autobahn, prallt mehrfach auf beiden Seiten in die Leitplanke. Gestoppt wird er in einer filmreifen und nicht ungefährlichen Aktion. „Das ist Zivilcourage und ganz toll“, lobt die Polizei.

Ein Lkw-Fahrer bemerkte den hinter seinem Lenkrad zusammengesackten Kollegen, setzte sich mit seinen Lastwagen geistesgegenwärtig links daneben. Der 27-Jährige wollte laut Polizei so verhindern, dass der rote Scania-Silozug erneut über alle drei Fahrspuren der A 9 schlingert. Ein 26-jähriger Feuerwehrmann, der privat unterwegs war, hielt in einiger Entfernung an und lief dem noch rollenden Lastwagen mitten auf der stark befahrenen Autobahn entgegen. Letztlich mussten sie die Seitenscheibe einschlagen, um so endlich die Feststellbremse zu betätigen. Zudem warnten sie auch den nachfolgenden Verkehr, wie die Polizei weiter betonte.

An der Leitplanke kam der Laster schließlich zum Stehen; die beiden Ersthelfer versorgten den 46-jährigen Fahrer bis der Rettungsdienst eintraf. „Ich habe reagiert“, kommentierte Trucker Steffen Bär fast verwundert, „ich halt das einfach für selbstverständlich.“ Ihm sei der Kollege gleich aufgefallen, da er langsam direkt an der Mittelleitplanke entlang fuhr. „Da reagiert man eigentlich nur noch.“ Polizeikommissar Markus Teubert von der Verkehrspolizei Hof (VPI) dagegen bezeichnete die beiden Helfer als „Helden des Alltags“ und lobte die ausgewöhnliche Zivilcourage.

Polizei: Zwei „Helden des Alltags“

Auch Klaus Dirnhofer, Chef eines großen Fuhrparks mit 24 Lastwagen, ist vor allem froh: „Gott sei Dank kam niemand zu Schaden“, sagte er im Gespräch mit unserem Medienhaus. Den Schaden von rund 75 000 Euro reguliere die Versicherung. Und: Der 46-jährige Fahrer arbeite schon seit längerem für ihn, sei immer verlässlich gewesen. Gut sechs Jahre fahre der Mitarbeiter schon mit dem roten Scania – „ohne einen Kratzer; da war noch nie etwas“, betonte er. Die Aktion der beiden Ersthelfer nannte auch er „echt vorbildlich“; seine Erfahrungen seien leider oft andere.

Wie so oft bei schweren Unfällen – und zuletzt immer wieder auch in der Region– zückten bei diesem Unfall zahllose Gaffer ihre Handys, um im Vorbeifahren Fotos und Videos von der Arbeit der Retter zu machen. „Sowas verurteile ich wirklich“, erklärte Klaus Dirnhofer weiter. Statt zu helfen, werde als Erstes nur die Sensationslust befriedigt. „Das ist Gang und Gebe auf der Straße heute.“ Die Hofer Polizei hat jedoch in diesem Fall rigoros durchgegriffen: Eine Streife notierte am Mittwoch auf der A 9 die Kennzeichen der Auto- und Lkw-Fahrer, die ihre Smartphones benutzt hatten. „Dieses Verhalten ist nicht zu tolerieren“, betonte Polizeikommissar Teubert. Die Verkehrsteilnehmer erwartet eine Anzeige.

Doch dass beherzte Eingreifen der beiden Helfer ist kein Einzelfall: Erst im Februar gab es auf der A 9 nahe München einen ähnlich spektakulären Fall.Der Fahrer eines Tesla hatte Mitte Februar den bewusstlosen Fahrer am Steuer eines VW Passat bemerkt, den führerlosen Wagen auf sein mindestens 70 000 Euro teures Elektroauto auffahren lassen und es so zum Stehen gebracht. Mit „Blech ist ersetzbar“ kommentierte er seine nicht minder gefährliche Rettungsaktion danach. Das brachte ihm internationale Aufmerksamkeit – und ein besonders Dankeschön per Twitter von Tesla-Chef Elon Musk: Der US-Konzern übernahm alle Reparaturkosten.

Auch die beiden Retter von Hof werden für ihr waghalsiges, mutiges Eingreifen in den Sozialen Netzwerken bereits gefeiert. Großes Unverständnis dagegen gibt es für den Lkw-Fahrer: Als mögliche Ursache für den Unfall, der sich am Mittwoch gegen 6 Uhr in Fahrtrichtung Berlin ereignete, hatte die Polizei „gesundheitliche Probleme“ genannt. Mittlerweile aber zudem einen Verdacht: Ein Drogenschnelltest im Krankenhaus verlief laut Angaben der Polizei positiv. Gegen den 46-Jährigen wird deshalb wegen Straßenverkehrsgefährdung ermittelt. Ein Richter ordnete eine Blutentnahme an; der Führerschein des letztlich unverletzten Fahrers wurde beschlagnahmt.

Ergebnis der Blutprobe steht aus

Dass Drogenkonsum ursächlich für den Unfall war, steht aktuell jedoch nicht fest. Das bestätigte Sigurd Zapf, stellvertretender Leiter der VPI in Hof, auf MZ-Nachfrage. „Klarheit bringt nur die Blutentnahme“, sagte der Erste Polizeihauptkommissar. Das Ergebnis liege frühestens in einer Woche vor. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Lkw-Fahrer vor längerer Zeit „etwas konsumiert“ habe, der Schnelltest aber dennoch anschlage. Für den Unfall am Mittwochmorgen kämen durchaus gesundheitliche Aspekte oder die Hitze der vergangenen Tage infrage. Der 46-Jährige sei zudem noch am gleichen Tag aus der Klinik entlassen worden.

So recht glauben mag dessen Chef, der seine Spedition in Burglengenfeld in der dritten Generation führt, das aber noch nicht. Nur zwei Stunden war der 46-Jährige nach der vorgegebenen Ruhezeit unterwegs und sollte die geladenen Flugasche (ein Produkt für die Zementherstellung) an ihren Bestimmungsort bringen. Jede Spekulation über die genaue Ursache für den letztlich glimpflich ausgegangenen Unfall halte er für „nicht angemessen“. Zumal er den Mitarbeiter bisher „nicht einmal ein Bier trinken sehen“ habe.

Bis der verunfallte Sattelzug abgeschleppt werden konnte, mussten zwei Fahrstreifen der Autobahn 9 am Mittwoch gut zweieinhalb Stunden gesperrt werden, hieß es von der Polizei. Zur Absicherung der Unfallstelle musste die Feuerwehr anrücken.