MZ-Serie
Nach der Fußballkarriere kam der Absturz

Bayerische Originale: Rudi Brunnenmeier war der geniale Stürmer im Meisterteam der Löwen – aber auch ein Alkoholiker.

10.06.2015 | Stand 16.09.2023, 7:10 Uhr
Löwen-Stürmerstar Rudi Brunnenmeier (r.) reckt 1964 den DFB-Pokal in die Höhe. −Foto: dpa

Auf dem Höhepunkt seiner Fußballerkarriere schmiss Rudi Brunnenmeier mal eben 5000 Mark im Kasino raus oder kaufte einen Pelzmantel für 10 000 Mark. So schilderte der einstige Star des TSV 1860 München einem Reporter einmal selbst die Zeit, in der er in der Landeshauptstadt nahezu „Narrenfreiheit“ genossen habe, wie er sagte. Brunnenmeier führte das ausschweifende Leben eines umjubelten Stars. Ein Rausch, aus dem er nicht mehr herausfinden sollte. Am Ende lebte er als verarmter und vereinsamter Alkoholiker in seiner 35-Quadratmeter-Wohnung im Münchner Vorort Olching von der Fürsorge.

Brunnenmeier ist nicht einfach nur dabei, als der TSV 1860 München seine Glanzzeit erlebt. Der Stürmer ist neben Torhüter Petar Radenkovic der schillernde Star des Teams. Damals, in den 1960er Jahren, gehen die fußballsachverständigen Münchner nicht zum FC Bayern. Der hatte da noch nicht viel zu melden. Vielmehr geben die Löwen den Ton an und man pilgert ins Sechzgerstadion. Fans schwärmen bis heute von dem Löwen-Ensemble, das den Hamburger SV einmal mit 9:2 abfertigte und in der Spielzeit 1965/66 kein einziges Heimspiel verlor.

Er war nicht zu halten

Schon früh drehte sich für den 1941 im Münchner Vorort Olching als Sohn eines Bundesbahnbediensteten und dessen Frau geborenen Rudi alles um Fußball. Sein Talent erregte rasch Aufsehen. In einer einzigen Saison schoss er 87 von 107 Toren seines Olchinger Klubs. Rasch folgte ein Angebot des Münchner Traditionsvereins TSV 1860, für den Brunnenmeier ab 1960 spielte. Die Mutter musste damals noch den Vertrag unterschreiben. Gegen 17 000 Mark Handgeld für fünf Jahre plus 400 Mark Grundgehalt monatlich plus 150 Mark Siegprämie und einen Halbtagsjob bei Coca-Cola heuerte Brunnenmeier bei den Löwen an. Zumindest ist das so in der Neuen Zürcher Zeitung nachzulesen. In den folgenden Jahren lief es für beide Seiten richtig rund: 1963 wurden die Löwen Süddeutscher Meister, 1964 Deutscher Pokalsieger. Im Jahr darauf holte Brunnenmeier in der Bundesliga die Torjägerkrone und seine Mannschaft stand im Finale um den Europapokal der Pokalsieger. 1966 folgt das Meisterstück in der Bundesliga.

Doch schon damals war der geniale Stürmer auch ein schwerer Säufer. Sein Alkoholproblem ist kein Geheimnis. Auch sein Trainer Max Merkel wusste, dass Brunnenmeier häufig mehr als nur einen über den Durst trank. Verbürgt ist die Geschichte vom Trainingsspiel zwischen Alkoholikern und Abstinenzlern, das Merkel anordnete. Die Biertruppe, vorneweg Brunnenmeier, siegte mit 7:1, woraufhin Merkel laut Süddeutscher Zeitung befahl: „Sauft’s weiter!“

Brunnenmeier hielt sich daran. Als er noch für Erfolge seiner Löwen sorgte, war Rudi, der gut aussah und gerne im Porsche vorfuhr, in ganz München beliebt. Ein gern gesehener Gast in Bars und Kneipen. Andererseits ließ ihn seine Freundin, der er einen Friseursalon bezahlt hatte, für einen Playboy sitzen. Auf dem Fußballfeld baute er wegen seiner Alkoholeskapaden leistungsmäßig stark ab. Nach einigen Schlägereien wandelte sich zudem sein Bild in der Öffentlichkeit. Statt vom Strahlemann wurde über den „Skandal-Rudi“ geschrieben. 1968 verließ Brunnenmeier München. Bis 1980 tingelte er als Spieler durch die Schweiz, Österreich und Liechtenstein.

Sauftouren, Pleiten und Knast

Als sich sein Leben vollends abseits des Fußballplatzes abspielte, stürzte Brunnenmeier endgültig ab. Er wurde Manager der Nachtclubs „Pik Dame“ und „Dolly Bar“, war aber selbst sein bester Kunde. Seine Ehefrau verkaufte das gemeinsame Haus in München und brannte mit dem Erlös durch. Noch hatte Brunnenmeier Geld übrig, doch er verprasste es. Der Ex-Star musste wegen einer Trunkenheitsfahrt ins Gefängnis und wurde wegen Urkundenfälschung verurteilt. 1987 traf ihn ein Journalist als Hilfsarbeiter auf dem Bau. Zweimal versuchte es Brunnenmeier als Brezenverkäufer in der Münchner Innenstadt. Jedes Mal scheiterte er.

Brunnenmeier kehrte letztenendes in seinen Geburtsort Olching zurück. „Manchmal geht er auf ein paar Weizen zum S-Bahnhof“, fand ein Reporter heraus, „und tippt für einen Fünfer Fußballergebnisse mit Leuten, für die der Zug schon längst abgefahren ist“. An Ostern 2003 starb Brunnenmeier an Krebs und den Folgen seiner Alkoholsucht. Beigesetzt wurde er auf dem Münchner Ostfriedhof.

Niemand aus Brunnenmeiers Familie wollte sich so recht um die Grabstelle kümmern. Am Stammtisch im Löwenstüberl wird hingegen auch noch Jahre später gesammelt, damit das Grab gepflegt und geschmückt wird. Schließlich ist Brunnenmeier mit 66 Toren noch immer der erfolgreichste Bundesligatorschütze der Giesinger. Eine echte Legende eben.