Experten-Tipp
Muskelfaserriss – fast jeder kennt den Stich mit der Nadel

Bei der Erstversorgung zählt jede Minute. „Hot-Ice“-Druckverband ist das Mittel der Wahl, danach helfen Salben und Enzyme.

06.07.2011 | Stand 16.09.2023, 21:07 Uhr

Cham.Der vom Platz humpelnde Fußballer, der verletzte Sprinter – das sind typische Bilder für einen Muskelfaserriss. Egal ob beim Hobbysportler oder beim Spitzenathleten, der Muskelfaserriss ist auf allen Ebenen häufig. Medizinisch wird die Schwere einer Muskelverletzung unterschieden in Muskelzerrung, Muskelfaserriss, Muskelbündelriss und Muskelriss.

Im Gegensatz zur Zerrung, bei der sich ein eher krampfartiger Schmerz entwickelt, spürt der Sportler bei einem Faserriss einen plötzlichen Akutschmerz, der keine weitere Belastung mehr zulässt. Je nach Schwere und Ausmaß wird die Verletzung als Nadel- oder Messerstich empfunden. Der Sportler kann den Schmerz meist sehr genau eingrenzen. Die Waden- und Oberschenkelmuskulatur sind die am häufigsten betroffenen Bereiche. Ein Bluterguss (Hämatom) ist in der Regel nicht sichtbar. Ist eine Blutung zu erkennen, besteht der Verdacht auf einen Muskel- oder Muskelbündelriss.

Oft ist die Muskulatur übersäuert

Muskelfaserrisse entstehen meist bei oder nach extremen Belastungen (etwa wiederholten langen Sprints), wenn der Muskel übermüdet und/oder übersäuert ist. Wie bei der Zerrung ist die Verletzung auch zurückzuführen auf fehlendes oder ungenügendes Aufwärmen, einen schlechten Trainingszustand oder hohen Mineralverlust durch starkes Schwitzen. Ursachen können auch nicht ausgeheilte Verletzungen und/oder Koordinationsstörungen sein. Im weiteren Sinne können sich auch Stoffwechselstörungen oder Entzündungsherde wie eitrige Mandeln oder Zahnwurzel-Entzündungen förderlich auswirken.

Sehr häufig liegt bei Sportlern eine Übersäuerung der Muskulatur vor. In solchen Fällen immer den Organismus entsäuern. Die Entsäuerung und damit verbundene Regulation des Säure-Basen-Haushaltes ist elementar für die Verhinderung von Muskelverletzungen. Sportler, die öfter unter muskulären Problemen leiden, sollten eine PH-Wert-Bestimmungdurchführen lassen, damit der Säurespiegel genau bestimmt werden kann. Auch Fehlstatiken wie Beckenschiefstand, Beinlängendifferenz oder Wirbelsäulenproblematiken zählen nicht selten zu den Ursachen von Muskelfaserrissen.

Zehn Minuten Zeit zum Handeln

Die schnelle und richtige Erstversorgung ist von entscheidender Bedeutung. Beim Muskelfaserriss kommt es zu einer Gewebeblutung, die sofort durch Druck und Kälte eingeschränkt werden muss. Spätestens zehn Minuten nach der Verletzung muss ein kalter Druckverband mit „Hot-Ice“ angelegt sein, da nach dieser Zeit eine Selbstregulation des Körpers an der verletzen Stelle einsetzt, die höchst nachteilige Auswirkungen auf den zeitlichen Heilungsverlauf hat: Jede versäumte Minute bei der Erstversorgung kann nämlich bei der Regeneration einen Tag Zeitverlust bedeuten.

Den verletzen Muskel unbedingt entlasten und entspannt hochlagern (bei einem Faserriss im Ober- oder Unterschenkel sollte sich das leicht gebeugte Knie über Hüfthöhe befinden). Ein mit Eiswasser getränkter Schwamm wird auf die Verletzung gelegt und mit einer „Hot-Ice“-Binde (acht bis zehn Zentimeter breite Idealbinde in Eiswasser tränken) großflächig und unter Druck angewickelt.

„Eis-Druckverband“ öfter wechseln

Den Druckverband zunächst nur 20 Minuten angelegt lassen und immer wieder von außen mit Eiswasser tränken. Nach 20 Minuten wird der Druckverband gelöst. Durch zu langen Druck wird sonst der Muskelstoffwechsel gestört, was erhebliche weitere Schäden zur Folge haben kann. Durch die Abnahme des Druckverbandes wird der Muskel wieder durchblutet und mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Nach einer Pause von vier bis fünf Minuten wird für weitere 20 Minuten ein neuer Druckverband mit „Hot-Ice“ angelegt. Den Verband insgesamt drei bis vier Mal anwickeln, Pausen einhalten. In der Zeit darf der verletzte Muskel nicht belastet werden.

Bei schwereren Muskelverletzungen wie Muskel- oder Muskelbündelrissen ist die Muskelblutung in der Regel erst nach drei Stunden sicher zum Stillstand gekommen.

Cham.Der Sportler sollte anschließend nur mit angelegtem Druckverband duschen. Durch das warme Wasser wird zu viel Wärme von außen zugeführt, eine mögliche Nachblutung provoziert. Anschließend wird für die nächsten acht Stunden ein kühlender Salbenverband angelegt. Die verletzte Muskelregion soll weiter hochgelagert und nicht belastet werden. Diese Erstversorgung wird häufig als PECH-Therapie bezeichnet (P = Pause, E = Eis, C = Compression und H = Hochlagerung). Bei allen Sportverletzungen sollte grundsätzlich in den ersten 24 Stunden kein Alkohol getrunken werden. Der Flüssigkeitshaushalt und der körpereigene Regulierungs-Mechanismus würden gestört – mit der Folge, dass die Verletzung „Wasser zieht“, heißt, die Gewebeschwellung nimmt wieder zu.

Enzyme oder Arnica-Globuli helfen

Die ersten vier bis fünf Tage dürfen keinerlei Massagen und Dehnungen im verletzten Muskelareal durchgeführt werden. Lymphdrainage, Elektrotherapie und Salbenverbände sollen ab dem ersten Tag möglichst oft durchgeführt werden. Die hoch dosierte Einnahme von Enzymen (Ananas-Enzym, Papaya-Enzym), Zink, Selen, Vitamin C und Vitamin E beschleunigt den Heilungsprozess. Die Einnahme von Arnica Globuli ist bei muskulären Verletzungen ein altbewährtes und hilfreiches Mittel. Häufig werden naturheilkundliche Infusionen und homöopathische Spritzen um die verletzte Muskelstelle verabreicht, damit der Sportler möglichst schnell wieder auf die Beine kommt. Innerhalb den ersten fünf Tage ist Lauftraining untersagt, danach langsam beginnen und täglich dosiert steigern. Stabilisations-, Koordinations- und Gleichgewichtsübungen sind ab Tag fünf fester Bestandteil der Therapie. Sprintübungen sind bis zum zehnten Tag tabu. Sollten sie bei Belastung Schmerzen an der verletzt Stelle haben, oder sich die Muskelspannung verstärken, muss das Training beendet werden. Andernfalls verzögert sich der Heilungsprozess. Bei zu früher Belastung und erneuter Verletzung droht eine deutliche längere Rehabilitationsphase. Falscher Ehrgeiz wird meist durch schmerzhafte Rückschläge bestraft. Nach Training und Therapie sollte die verletzte Muskulatur mit „Hot-Ice“ gekühlt werden. Nach der Trainingseinheit sollten Abwärmprogramme, Dehn- und Regenerationsübungen obligatorisch sein.

Im nächsten Teil gibt es Lauftipps für Anfänger. Haben Sie Fragen an unsere Experten oder interessiert Sie ein spezielles Thema? Dann schicken Sie uns gerne unter dem Stichwort Fit und Gesund eine Mail: sport.bayerwald@mittelbayerische.de.

Alle unsere Experten-Tipps gibt es auf www.mittelbayerische.de/fit/