Interview
Berliner Jung’ mit dem Gillamoos-Herz

Sven Maresch führt Abensbergs Judoka in seiner vermutlich letzten Saison als Kapitän an. Seinen Sport sieht er in der Krise.

15.09.2017 | Stand 16.09.2023, 6:23 Uhr

Sven Maresch kämpft seit acht Jahren für den TSV. Aus dem Berliner ist ein echter „Omschberger“ geworden. Foto: Guillaume Horcajuelo/dpa

Als er mit dem nationalen U20-Meistertitel erstmals auftrumpfte, stand Deutschland gerade vor dem Fußball-Sommermärchen 2006. Ein gutes Jahrzehnt später hat sich der Judoka Sven Maresch unzählige Meriten hinzu verdient, von EM-Bronze bis zu Podestplätzen bei den größten Turnieren der Welt. Und er steht auch für die vielen Erfolge des TSV Abensberg, den der 30-Jährige in sein Herz geschlossen hat. In seiner – vermutlich – letzten Saison führt der 81 kg-Athlet den Rekordmeister als Kapitän in die entscheidende Bundesliga-Phase (am 30. September steht das Viertelfinale an). Michael Resch sprach für unser Medienhaus mit dem Berliner Jung’.

Herr Maresch, wird es heuer tatsächlich Ihre letzte Saison sein?

Ich bin nun das achte Jahr in Abensberg, und ich muss sagen, ich liebe diesen Verein und das Umfeld. Für mich ist das hier mit Berlin meine sportliche Heimat und ich möchte keinen Tag missen. Wie es nach dieser Saison letztlich weiter geht, steht noch in den Sternen. Es wird Gespräche mit den Verantwortlichen geben.

Sind Sie stolz, als Kapitän derAbensberger vorangehen zu dürfen?

„Wir Deutschen müssen uns sputen, dass wir nicht auf der Verliererstraße landen.“Sven Maresch

Es ist eine Ehre für mich, für diesen Klub zu kämpfen, erst recht als Kapitän. Aber unsere derzeitige Mannschaft harmoniert derart gut, dass ich dieses Amt gar nicht in seiner klassischen Weise auslebe. Es gibt keinen bei uns, der sich der Gesamtheit überordnet, wir fungieren klasse als Team.

Zu Beginn des Jahres gingen die TSV-Leistungsträger André Breitbarth und Dimitri Peters. Stand auch für Sie ein Abschied zur Debatte?

Im ersten Moment war ich einfach nur traurig, dass sie uns verließen. Ich war mit beiden über viele Jahre im Nationalteam zusammen. Für mich persönlich stand ein vorzeitiger Abgang aus Abensberg nie zur Diskussion. Ich kenne bei beiden die Beweggründe nicht, letztlich bleibt es die Entscheidung jedes Einzelnen, die entsprechend akzeptiert werden muss.

Auch die Führungsriege des TSV Abensberg hat sich verändert. Ihr ehemaligerTeamkamerad Fabian Seidlmeier trägt nun mit Chefcoach Jürgen Öchsner die Verantwortung. Würde frischer Wind auch dem gesamten deutschen Judo gut tun?

Ich weiß, dass in dieser Frage das Abschneiden bei den Olympischen Spielen in Rio 2016 nachhallt. Eine Sportart wie Judo wird immer in Olympiazyklen bewertet. Und da muss man klar bekennen: Wir haben aus dem Bereich der Männer sieben Starter, einschließlich mir, auf die Matte geschickt – und sieben Mal haben wir nichts gerissen. Danach folgte die Einzelkritik. Und die ist entsprechend ausgefallen, das können Sie mir glauben. Ob wir nun falsch vorbereitet waren oder welche anderen Faktoren uns beeinträchtigt haben, ist meist spekulativ und hinterher ist jeder ein Stück schlauer. Eine Enttäuschung war Rio in jedem Fall. Judo hat in Deutschland aber ein generelles Problem.

Das da wäre?

Die derzeitigen Bewegungen in diesem Sport innerhalb unserer Gesellschaft – über die muss gesprochen werden! Weltweit boomt der Judosport, und in Deutschland?! Die Mitgliederzahlen sinken überproportional stark. Während sich andere Nationen weiter entwickeln, bleiben wir stehen. Die internationale Leistungsdichte wird immer enger. Wir Deutschen müssen uns sputen, dass wir nicht auf der Verliererstraße landen.

„Der Gillamoos ist grandios. Etwas Vergleichbares hat ganz Berlin nicht.“Sven Maresch

Im Bundestagswahlkampf ist gerade von Aufgabenschwerpunkten und künftigen Zielen die Rede. Würden Sie einen Kanzlerkandidaten wählen, der sich für den Judosport einsetzt? Sehen Sie auf politischem Wege Möglichkeiten, dem deutschen Judo zu helfen?

(Maresch lacht) Sofern die anderen Inhalte passen, könnte ich mir das vorstellen, ja. Ich bin der festen Überzeugung, Deutschland braucht ein Sportministerium. Dies wäre ein erster, wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Die „fünfte Jahreszeit“ in Abensberg, der Gillamoos, ging gerade vorüber. Man hat Sie auch dort angetroffen. Konnte man Sie in Ihren TSV-Jahren mit dem Fieber für diesen Ausnahmezustand infizieren?

Ja, das konnte man! Ich finde diesen Jahrmarkt grandios, etwas Vergleichbares gibt es bei mir in meinem derzeitigen Lebensraum in Berlin nicht. Ich bewundere es, wie eine so kleine Stadt derartiges auf die Beine stellen kann.

Bereiten Sie sich neben der Bundesliga-Entscheidung schon auf Ihr künftiges Leben vor?

Natürlich, in den nächsten Wochen wird sich bei mir einiges ändern. Ich beginne ab Oktober ein Studium in Potsdam. Für mich beginnt ein völlig neuer Lebensabschnitt, auf den ich mich sehr freue. Die letzten 25 Jahre hieß das Kapitel: Judo. Nun wird ein neues aufgeschlagen, ich hoffe mit vergleichbarem Erfolg. Ich möchte es einfach nochmal wissen, mich bilden und meinen Horizont erweitern, darauf bin ich gierig, wie ich es in jeder Minute auf der Judomatte auch war.

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